61 Stunden

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2013
  • 14
  • New York: Delacorte, 2010, Titel: '61 hours', Seiten: 383, Originalsprache
  • München: Blanvalet, 2013, Seiten: 448, Übersetzt: Wulf Bergner
61 Stunden
61 Stunden
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Jochen König
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2013

Der Soldat, der in die Kälte kam

Ein Einsamer kehrt zurück

Ewig unterwegs, mit ungeplantem Halt hier und dort. Auch im vierzehnten Roman bleibt Jack Reacher, nach einer Buspanne, zufällig in einer jener kleinen Ortschaften hängen, die ihm schon so oft nerven- und kräfteaufreibende Stunden, bzw. Tage beschert haben. Doch Bolton ist etwas Besonderes. Denn es herrscht tiefster Winter und an jenem gottverlassenen Flecken reichen die Temperaturen bis weit unter dreißig Grad Minus. Keine Gegend für einen Wellness-Urlaub. Die örtliche Polizei hat auch etwas dagegen, möchte sie Reachers schnell ermittelte Fähigkeiten wie seinen Militär-Hintergrund doch für ihre Dienste nutzen. Gilt es doch die Kronzeugin eines Drogendeals vor einem nahenden Killer zu beschützen und herauszufinden, welchen Zweck die riesige Militäranlage in der Nachbarschaft  erfüllen sollte, die zwar nie in Betrieb genommen wurde, gegenwärtig aber im Fokus großkalibriger Gangster steht. Der kleinwüchsige, brandgefährliche mexikanische Patron Plato ist bereits auf dem Weg nach Bolton.

Zu allem Überfluss bereitet das neu errichtete Staatsgefängnis der Ortspolizei große Sorge. Eigentlich als positiver Wirtschaftsfaktor willkommen geheißen, wird es in Krisenzeiten zum unberechenbaren Faktor, müssen doch alle Polizeikräfte den Komplex abschirmen, sollte die Alarmsirene ertönen. Ganz schlecht, wenn man gleichzeitig Personenschützer bei einer resoluten alten Dame spielen soll. Reacher ist also hochwillkommen, und er wird alle Hände voll zu tun bekommen. Denn natürlich beginnt die Sirene zu heulen.

Gott vergibt … Reacher nie

61 Stunden bedeuten einen Countdown, der während des gesamten Romans (vielleicht das ein oder andere Mal zu oft) heruntergezählt wird. Es ist auch der Zeitraum, in dem der sonst so überlegene Jack Reacher auf Normalmaß herunter gestutzt wird und sich verletzlich wie selten zeigt. Denn es zeigt sich, dass Reacher seine schlichten Prämissen in einer Welt, in der betrogen und gelogen wird, was das Zeug hält, und Bündnisse nur so lange gelten wie sie einer Partei nützen, in Frage stellt.

 

"Hoffe auf’s Beste und befürchte das Schlimmste."
"Ist das ihr Motto?"
"Eines von vielen."
"Und die anderen?"
Niemals vergeben, niemals vergessen. Mach’s einmal und mach’s richtig. Was man sät, erntet man. Pläne sind nichtig, sobald der erste Schuss fällt. Beschützen und dienen. Niemals außer Dienst."

 

Doch sind es genau diese Leitsprüche, die Reacher wieder auf die Beine bringen, gekoppelt mit der bitteren Erkenntnis für seine Gegner, dass ein verletzter Reacher ein umso gnadenloserer Gegner ist. Außerdem gönnt Lee Child seinem Protagonisten das Glück des Tüchtigen.

Leichen pflastern seinen Weg

Es ist schon furios, was Lee Child aus einer immer wiederkehrenden Grundkonstellation macht. 61 Stunden ist dabei einer der gelungensten Romane der Reihe. Es dauert lange bis zum ersten Gewaltausbruch und Reacher ist nicht einmal verantwortlich dafür, sondern sein Gegner Plato, der rücksichtslose und gierige Verbrechensmogul. Davor, dazwischen und danach gibt der Roman seinen Figuren Raum, Child positioniert sie auf stimmige Weise in einem hervorragend gewählten Ambiente. Die Unterschiede zwischen den wohlig-warmen Innenräumen und der tödlichen Kälte außerhalb der Behausungen sind nahezu körperlich spürbar. Child gelingt hier ein großartiges Szenario, das er glaubwürdig, gewohnt unaufgeregt und ohne penetrante Erklärungswut Stück für Stück aufbaut.

Von Reacher – mit den besten Empfehlungen

Reacher bekommt eine liebevolle, telefonische Fernbeziehung zu seiner militärischen Nachfolgerin spendiert, die ihn mit Infos versorgt und ihm zuhört, wenn er am Boden liegt. Und auch hier gelingt Lee Child das Kunststück, Reacher scheitern zu lassen ohne ihn zu demontieren. Reacher zieht die richtigen Schlüsse, handelt verantwortungsbewusst und offen menschenfreundlich wie selten. Die gemeinsamen Passagen mit der pensionierten Bibliothekarin Janet Salter, zeigen ihn als mitfühlenden, sensiblen Menschen, der in der sanften Janet mit dem selbstbewussten Ehrenkodex eine verwandte Seele sieht. Zivilcourage und ihr hoher Preis. Den Child nicht ausblendet.

Willkommen in der Hölle

Keine Bange, Reacher wird kein Schmusebär mit erhöhtem Tempotaschentuch-Verbrauch, er begibt sich nur in eine ungewöhnliche Tiefe, bis er als rächender Phönix nicht nur ideell aus der Asche wieder auftaucht.  

Falls das Buch verfilmt werden sollte: Der einsfünfundfünfzig große Plato wäre eine tolle Rolle für Tom Cruise, Aufbau von Muskelmasse und ein bisschen mexikanisches Outfit kriegt Hollywood schon hin. 1,98 m Jack Reacher kann dann jemand anders geben.

61 Stunden

Lee Child, Blanvalet

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