Der russische Spion

  • HarperCollins
  • Erschienen: Oktober 2019
  • 3

Wulf Bergner (Übersetzung)

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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2020

Am Ende muss es der Chef doch wieder selbst regeln

Seit 20 Jahren lässt Daniel Silva den israelischen Meisterspion Gabriel Allon seine Kreise ziehen. Er hat sich damit eine stabile Fan-Gemeinde in vielen Ländern erarbeitet. Ein Grund dafür ist in meinen Augen, dass der Autor seine Thriller relativ eng am tatsächlichen Zeitgeschehen spielen lässt. Ereignisse aus der Realität verarbeitet er recht zeitnah in seiner Erzählung um den cleveren Israeli -  Mossad-Agent und Killer, Maler und Restaurator, Charmeur und Familienvater.

Er hat sich im Geheimdienst hochgearbeitet, war lange Zeit der Liebling der jeweiligen Direktoren, und ist nun selbst Chef des Auslandsgeheimdienstes, obwohl er es nie werden wollte - aber angesichts seines fortschreitenden Alters konnte Allon sich irgendwann nicht mehr gegen diese Beförderung wehren. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich der langjährige Meister-Spion komplett aus allen Operationen heraushält. Zum Missfallen seiner Frau Chiara packt Gabriel immer mal wieder Koffer, und zieht mit seinem Team in den Kampf.

Es beginnt ausgerechnet wieder in Wien

In “Der russische Spion” geht es um eine missglückte Routine-Operation. In der österreichischen Hauptstadt Wien soll ein russischer Überläufer, der für den Mossad gearbeitet hat, eine sichere Wohnung des britischen Geheimdienstes MI 6 aufsuchen. Dort kommt Kirow, so der Name des Mannes, jedoch nicht lebend an. Ein Motorradfahrer lauert ihm auf und erschießt den Russen - praktisch vor den Augen der israelischen Agenten. Unter ihnen ist auch Allon, der von der Erinnerung an einen schrecklichen Vorfall gepeinigt wird, bei dem sein Kind in Wien das Leben verlor, und seine Frau psychisch unheilbar krank wurde.

Bei der anschließenden Verfolgungsfahrt kommt der Killer seinerseits ums Leben. Die Ermittlungen der örtlichen Polizei laufen - wie bei einem solchen Vorfall zu erwarten - vollständig ins Leere.

Das Verwirrspiel nimmt mal wieder seinen Lauf

Zum äußersten Missfallen der Israelis streut der russische Geheimdienst über die staatlich beeinflussten Medien die falsche Information, der Mossad-Chef höchstpersönlich habe den Befehl zur Ermordung von Konstantin Kirow erteilt. Gabriel Allon muss sich Vorwürfe des israelischen Premierministers anhören, und auch von MI6-Chef Graham Seymour in London. Der Israeli keilt zurück und droht dem Briten, denn der Mossad geht davon aus, dass der Stationsleiter des MI6 in Wien ein russischer Maulwurf war.

Das Verwirrspiel nimmt also seinen Lauf, denn weder Israelis noch Briten können oder wollen den peinlichen und ärgerlichen Vorfall auf sich beruhen lassen. Es gibt weitere Tote, die Amerikaner sind irgendwann auch im Spiel. Klarer sehen Israelis und Briten erst, als der Mossad kurzerhand einen SWR-Mitarbeiter entführen, der dann Teile des Komplotts gegen Gabriel Allon zugibt. Es bleibt aber noch ein weiter Weg bis zum großen Showdown im amerikanischen Maryland, wo einmal mehr der Mossad-Boss selbst die Dinge regeln muss - was Fans der Serie kaum verwundern dürfte.

Spione gehen ihrer überaus faszinierenden Arbeit nach

Es gilt immer noch, was ich bereits in einer früheren Rezension zu den Romanen von Daniel Silva geschrieben habe: Man mag diese Reihe um den israelischen Top-Spion, oder eben nicht. Wer das Thema aus politischen oder sonstigen Gründen nicht gut findet, muss halt die Finger von diesen Thrillern lassen. Ansonsten ist es wie bei James Bond oder anderen großen Spionage-Reihen: Am Ende gewinnen immer die Guten. Oder zumindest die Gruppe, die der Autor für die Guten hält.

Daniel Silva präsentiert hier zunächst einen eher ruhigen Plot, wenn man vom explosiven Auftakt absieht. Danach wird viel handwerkliche Spannung erzeugt, denn die Spione müssen ihre Arbeit machen, recherchieren, Gespräche führen, Drohungen aussprechen, einen feindlichen Agenten entführen. Dazwischen eingestreut gibt es immer wieder kurze Blicke nach Nordamerika, denn dort sitzt der Top-Spion der Russen, und der Leser ahnt schnell, dass es auf ein Finale dort hinauslaufen könnte.

Fast schon beiläufig werden hier alte Netzwerke und Zusammenhänge aufgezeigt und teilweise werden offene Fragen aufgearbeitet. Es ist wie immer bei den Allon-Romanen, der geneigte Leser begleitet die israelischen und anderen Spione bei ihrer - in meinen Augen jedenfalls - überaus faszinierenden Arbeit.

Faszinierende Jagd nach dem Maulwurf nimmt immer neue Wendungen

“Gabriel Allon jagt das Vermächtnis des Jahrhundertspions”, steht als Aufdruck auf der Rückseite des Romans. Diese vollmundige Ankündigung wird dem Leser erst zur Mitte der Geschichte hin enthüllt, aber dann ist klar, was damit gemeint ist. Insgesamt ist es ein ziemlich raffinierter und verwinkelter Plot, eines Spionage-Thrillers würdig.

Daniel Silva zeigt aber auch, dass er feine Ironie beherrscht. So lässt er Chiara, die oft in ihrer Sorge um ihren Mann allein gelassene Ehefrau von Gabriel Allon, ausgerechnet Spionage-Romane lesen.

Und manches in der Familie der befreundeten Geheimdienste ändern sich dann eben auch nie. Da tauchen immer mal wieder bekannte Urgesteine auf, die ihr Handwerk nicht verlernt haben, und zur Stelle sind, wenn sie gebraucht werden. Die faszinierende Jagd nach dem Maulwurf nimmt dann wieder neue Wendungen, und doch wirkt eigentlich nichts gekünstelt oder überzogen.

Fazit:

Daniel Silva hat auch nach zwei Jahrzehnten mit seinem Meisterspion sein Handwerk als guter Geschichten-Erzähler nicht verlernt. Die Figur Gabriel Allon vermag immer noch zu faszinieren, und die Spionage-Welt wird einfach nicht langweilig - jedenfalls in meinen Augen. Der Übergang vom Agenten im Feld zum Direktor des Mossad ist holprig, auch in der Erzählung, aber letztlich doch gut gelungen. Langsam stellt sich allerdings die Frage, wie lange die Figur noch trägt, und ob der Autor einen Nachfolger aufzubauen vermag. Ich bin sehr gespannt.

Der russische Spion

Daniel Silva, HarperCollins

Der russische Spion

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