Der Hintermann

  • Pendo
  • Erschienen: Januar 2013
  • 3
  • London: HarperCollins, 2011, Titel: 'Portrait of a spy', Seiten: 455, Originalsprache
  • München: Pendo, 2013, Seiten: 512, Übersetzt: Wulf Bergner
Der Hintermann
Der Hintermann
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2013

Showdown im leeren Viertel

An der beschaulichen Küste von Cornwall rätseln die Einwohner immer noch über die Herkunft eines scheinbar ungleichen Paares. Gabriel Allon und seine Frau Chiara haben sich dort ein ruhiges Zuhause gesucht, wo der begnadete Restaurator seiner malerischen Passion nachgehen kann. Dem israelischen Geheimdienst glaubt der Meisterspion endgültig Ade gesagt zu haben. Doch bei einem Aufenthalt in London folgt Gabriel einem Mann, der ihm durch sein Verhalten aufgefallen ist. Der islamistische Selbstmordattentäter tötet mit seiner Bombe 18 Menschen und sich selbst - Allon wollte ihn aufhalten, wurde aber durch das Eingreifen der Briten daran gehindert. In Paris und Kopenhagen gehen ebenfalls Bomben hoch, und Allon steckt wider Willen erneut im Kampf gegen den Terror, der jetzt Europa erreicht hat. Diesmal erfordert es besonders viel Geduld und einen ausgeklügelten Plan, um die Drahtzieher im Hintergrund schließlich doch noch auszuschalten.

Kein typischer Silva-Thriller

Daniel Silva war Journalist, unter anderem bei CNN, bevor er Autor wurde. Lange Jahre hat er spezielle Erfahrungen als Auslandskorrespondent im Nahen Osten gesammelt, und dieses Wissen verleiht seinen Thrillern eine enorme Authentizität. Der Hintermann  ist nun allerdings kein typischer Silva-Thriller. Das Buch lebt nicht nur von der Spannung, und Action ist diesmal eher die Ausnahme. Vielmehr geht es um ausgeklügelte Wege, um den Gegner zu entlarven und zu unterwandern. Die Finanztransaktionen des Terrornetzwerks, das den Angriff auf einige europäische Hauptstädte gestartet hat, werden mit großem Aufwand verfolgt und analysiert. Die berühmte "Spur des Geldes" führt hier nicht zu gewöhnlichen Verbrechern, sondern enthüllt die Hintergründe und Verbindungen der Terroristen. Silva beschreibt hier anschaulich eine mittlerweile gängige Methode, um verbrecherischen Organisationen auf die Spur zu kommen – was trotz aller Verschleierungstaktiken immer wieder mal gelingt.

Doppelmoral wird thematisiert

Es entspricht dabei durchaus der Realität, dass große Geldmengen für islamistische Terrorgruppen von reichen Bürgern Saudi-Arabiens gespendet werden. Für die Weltöffentlichkeit hat sich der Wahhabiten-Staat nach den Anschlägen auf das World Trade Center mit den USA im Kampf gegen den Terror verbündet, und dennoch wird der Kampf gegen die "Ungläubigen" von vielen Saudis im Geheimen finanziell unterstützt und auch sonst gefördert. Diese Doppelmoral wird auch in Silvas neuem Buch anschaulich thematisiert.

Überaus zwiespältige Hauptfigur

Der Roman macht deutlich, dass es zwar die bekannten Fronten des kalten Krieges heute nicht mehr gibt, aber der Kampf des Westens gegen den islamischen Terrorismus überaus real ist, und so genügend Themen für gute Thriller ergibt. Silvas Protagonist Gabriel Allon ist nach wie vor die zwiespältige Figur, die bei den Lesern offenbar so beliebt ist. Einerseits Meisterspion und eiskalter Killer, andererseits begnadeter Restaurator von Meisterwerke alter Maler. Ob es eine derart facettenreiche Person in der Realität geben könnte, ist dem Belieben der Leser anheimgestellt. Auf jeden Fall machen die vielen gegensätzlichen Charakterzüge und Eigenschaften dieser Figur die Romane in meinen Augen immer wieder lesenswert, auch wenn sie einmal nicht vor Spannung und Action strotzen, wie es beim neuen Werk der Fall ist.

Absolut realistisch ist, dass für jeden getöteten Terrorplaner oder Killer – bei den Selbstmordattentätern gilt dies ohnehin – wieder ein neuer Akteur auf der Bildfläche erscheint. Wer sich also darüber beschwert, dass Silva in immer gleichen Schemata den Kampf zwischen den Guten und den Bösen beschreibt, muss sich nur mal die Wirklichkeit im 21. Jahrhundert anschauen. Darüber, wer nun die Guten und wer die Bösen sind, mag es unterschiedliche Auffassungen geben. Für Silva ist das glasklar, und so werden die westlichen Geheimdienste und vor allem der israelische Mossad konsequent glorifiziert – und trotz aller durchaus vorkommender Verluste gewinnen auch immer die "Richtigen". Daniel Silva das nun vorzuwerfen, halte ich für ziemlichen Unsinn. Fußballspiele enden auch eher selten unentschieden, und für eine der Mannschaften hat man eben mehr Sympathie.

Alte Bekannte haben neue Probleme

Wen das nicht stört, der ist bei jedem neuen Roman der Gabriel Allon-Reihe sofort wieder mittendrin. Man trifft alte Bekannte, die neue Probleme haben. Silva achtet allerdings darauf, dass auch Neueinsteiger dem Plot folgen können. Hilfreich ist dabei die zusammenfassende Übersicht am Ende aller Bücher dieser Reihe. Man kann sich da perfekt orientieren, und im Roman gibt es auch die eine oder andere Erläuterung, ohne dass es der Autor dabei übertreibt. Für mich hat Silva einen "süffigen" Erzählstil, er vermag auch komplexe Handlungen und Sachverhalte wirklich gut lesbar darzustellen. Dabei wirkt die Geschichte stets gut recherchiert, und wie bereits gesagt, überaus authentisch. Die Motive beider Seiten werden deutlich - der Hass der jungen Moslems auf "den" Westen, aber eben auch das Bedürfnis zur Selbstverteidigung bei den westlichen und israelischen Geheimdienstlern. Mit jedem neuen Roman der Reihe verarbeitet Silva neue Entwicklungen in der komplexen Weltlage des 21. Jahrhunderts – deshalb werde ich jedenfalls nicht müde, diese Bücher immer wieder mit Genuss zu "verschlingen".

Der Hintermann

Daniel Silva, Pendo

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