Gotteskrieger

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2011
  • 3
  • New York: G. P. Putnam’s Sons, 2007, Titel: 'The secret servant', Seiten: 385, Originalsprache
  • München: Piper, 2011, Seiten: 400, Übersetzt: Wulf Bergner
Gotteskrieger
Gotteskrieger
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Andreas Kurth
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2010

Daniel Silva in Hochform

Im niederländischen Amsterdam wird ein jüdischer Wissenschaftler, der sich vor allem mit islamistischem Terrorismus befasst hat, auf offener Straße ermordet. Die Ermittler der Polizei halten den Täter für einen Einzeltäter. Der israelische Geheimdienst geht jedoch von einem gezielten Anschlag aus, denn der Ermordete war für den Mossad tätig. Top-Agent Gabriel Allon wird nach Amsterdam geschickt, um die Archive des Wissenschaftlers auf kompromittierendes Material zu durchsuchen und dieses zu beseitigen. Dabei stößt der Geheimdienstler auf die Pläne einer islamistischen Splittergruppe mit Wurzeln in Ägypten. "Sword of Allah" heißt die Organisation, und die Spur führt nach London, der Brutstätte des Terrors in Europa. Im Hyde Park wird die Tochter des US-Botschafters beim Joggen entführt, ihre Begleiter kaltblütig erschossen. Allon kommt knapp zu spät, erschießt einen der Terroristen - und steckt mitten in einem Fall, der in Ägypten zum Umsturz führen und damit sogar den Weltfrieden gefährden kann.

Mit dem neuen Roman Gotteskrieger wird die zeitliche Lücke zwischen den zuvor bereits erschienenen Romanen Das Terrornetz und Das Moskau-Komplott geschlossen. Wie bei Silva üblich wird am Ende des Buches die Geschichte von Gabriel Allon kurz zusammengefasst, so dass auch Neueinsteiger einen passablen Überblick haben und das Geschehen im aktuellen Buch zeitlich einordnen können. Warum Gotteskrieger nach dem in der Chronologie folgenden Moskau-Komplott erschienen ist, wird allerdings wohl ein Geheimnis der Verlagsstrategen der Piper-Gruppe bleiben. Persönlich habe ich kein Problem damit, aber ich könnte mir vorstellen, dass einige Leser dadurch irritiert werden.

Eine wirkliche und höchst augenfällige Schlamperei ist der Klappentext. Wer auch immer sich auf der dritten Seite über den Inhalt des Buches ausgelassen hat, dürfte den Roman entweder nicht komplett gelesen oder die Fakten zugunsten von ein wenig mehr Aufmerksamkeitswert verdreht haben. Es beginnt damit, dass sich der Mossad nicht in die Ermittlungen nach dem Tod seines Mitarbeiters in Amsterdam einschaltet, sondern Gabriel Allon und einen weiteren Agenten in die Niederlande schickt, um die Geheimdiensttätigkeit des toten Wissenschaftlers zu vertuschen. Es geht damit weiter, dass Allon keineswegs herausfindet, dass ein Anschlag auf die Londoner U-Bahn geplant ist. Nur die Spur führt in die britische Hauptstadt. Und dann stellt sich auch nicht die Frage, ob der MI5 den Anschlag verhindern kann. Denn der Inlandsgeheimdienst unternimmt nichts, weil er mit den britischen Islamisten offenbar genug zu tun hat.

Der Gipfel ist allerdings die Behauptung, es solle ein Drahtzieher der Anschläge vom 9. September 2001 frei gepresst werden. "9/11" muss für alle möglichen reißerischen Schlagzeilen und Ankündigungen herhalten, nur leider wird im Buch konkret ausgeführt, dass der Scheich, um den es bei der Entführung geht, bereits 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er kann also kein Drahtzieher von "9/11" gewesen sein, denn er gehörte überhaupt nicht zu Al Kaida. Der ganze Klappentext ist eine Ansammlung von Fehlern, um beim Leser mehr Aufmerksamkeit zu wecken. Dabei wäre das gar nicht nötig, denn der Plot von Daniel Silva ist spannend und interessant genug, und müsste nur korrekt zusammen gefasst werden. Aber für diese Schlamperei im Verlag kann der Autor nichts.

Der zeigt sich vielmehr von seiner besten Seite, denn auch in dieser Episode der insgesamt gelungenen Reihe um Gabriel Allon wird wieder deutlich, warum Daniel Silva bei den Autoren von Agenten- und Spionage-Thrillern in die erste Reihe gehört. Dazu trägt vor allem der einmal mehr recht glaubwürdige Plot bei. Etliche Agenten-Thriller sind unterhaltsam, weil sie viel Action und gute Dialoge bieten. Das ist bei Silva ohnehin Standard, aber seine Geschichte ist auch noch ausgefeilter und nach meiner Auffassung besser recherchiert, als bei den meisten seiner Kollegen. Als das Buch 2007 in Amerika erschien, saß Husni Mubarak in Ägypten noch fest im Sattel, und von einem Volksaufstand in den nordafrikanischen Diktaturen war noch lange keine Rede. Silva beschreibt recht detailliert, wie islamistische Gruppen im Untergrund einen solchen Aufstand im Land am Nil vorbereiten und inszenieren.

Auf dem Buchumschlag wird die Washington Post zitiert: "Rasant und beklemmend aktuell!" Dem kann ich mich nur anschließen. Denn auch die Konzentration von Terrorgruppen und islamistischen Organisationen in "Londonistan" wird zutreffend geschildert, lange bevor ausländische Geheimdienste den nach Auffassung vieler Experten zu laxen Umgang der britischen Geheimdienste mit diesem Problem öffentlich kritisiert haben. Neben der gut konstruierten Geschichte besticht Silva einmal mehr mit lesenswerten und unterhaltsamen Dialogen, eigenwilligen und schillernden Charakteren und einer Weiterentwicklung seiner Hauptfigur. Wer als Leser die Gabriel-Allon-Reihe verfolgt hat, lernt den israelischen Agenten immer besser kennen, und wird dennoch zuweilen überrascht. Insgesamt also ein Autor in Hochform und ein empfehlenswertes Buch, das nur durch den misslungenen Klappentext einige Minuspunkte verbuchen muss.

Gotteskrieger

Daniel Silva, Piper

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