Die Treppe zum Meer

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1999
  • 18
  • München: Goldmann, 1999, Seiten: 413, Übersetzt: Cornelia C. Walter
  • München: Goldmann, 2002, Seiten: 413
  • München: Goldmann, 2004, Seiten: 413
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Sabine Reiß
67°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Drei Fälle für Melrose Plant

Melrose Plant, seines Zeichens ehemaliger Lord Ardry, langweilt sich wohl in seinem pittoresken Heimatdörfchen Long Piddleton und möchte in Cornwall vom Nichtstun ausspannen. Er will sich in Bletchley ein Haus mieten. Leider konnte er die Fahrt nicht vor seiner Tante Agatha geheimhalten, so dass sie ihm gefolgt ist. Für den Fortgang der eigentlichen Geschichte hat dieses Detail zwar keine Bedeutung, gibt ihr aber eine gewisse Würze. Das Haus auf den Klippen übt eine große Anziehungskraft auf ihn aus, da es scheint, dass es gerade erst von seinen Besitzern verlassen wurde. Beispielsweise liegen im Klavierzimmer die gerade komponierten Noten noch offen auf dem Klavier, überall zeugen Bilder von der ehemals glücklichen Familie. Er erfährt, dass vor vier Jahren die Kinder der Bletchleys am Fuße der Klippen ertrunken sind. Damals ermittelte Divisional Commander Macalvie, der bereits bei früheren Fällen mit von der Partie war, und er konnte den Fall leider nicht aufklären.

In einem "Tea-Room" lernt Melrose den jungen Johnny Wells kennen, der dort nicht nur seiner Tante Chris hilft, sondern zugleich auch noch Zauberer, Taxi-Fahrer und Kellner im Pub "The Drowned Man" ist, in dem Melrose zunächst logiert, bis er sein neues Quartier beziehen kann. Allerdings ist es dieses Mal nicht dieses Pub, das der Geschichte im Original seinen Namen gegeben hat. Als Johnny nach Hause kommt und dort nur den noch warmen Backofen vorfindet, in dem die gerade gebackenen Baisers auskühlen, sieht es zunächst so aus, dass seine Tante nur kurz weggegangen ist. Was ihr jedoch gar nicht ähnlich sieht ist, da sie anscheinend keine Nachricht hinterlassen hat. Johnny ist beunruhigt und vertraut sich Melrose an. Dieser läßt seine Beziehungen zur Polizei spielen und will Brian Macalvie um Hilfe bitten. Unglücklicherweise wurde der gerade zu einem Fall gerufen. Unweit von Bletchley wurde die Leiche einer Frau am Strand gefunden.

Nach kurzer Zeit wird die Tote von Brenda Friel, der Partnerin von Chris im "Tea Room", identifiziert. Es handelt sich um Sada Colthorp, die vor einigen Jahren bei Chris und Brenda ausgeholfen hat, wobei es damals laut Brenda zwischen Chris und der Toten Differenzen gab. Das ganze Dorf atmet auf, dass wieder die Chance besteht, dass Chris noch am Leben ist.

Melrose hat nun gleich drei Fälle, die seine Neugier hervorgerufen haben. Was hat es mit dem Tod der Kinder auf sich? Warum ist Chris verschwunden und wer tötete Sada Colthorp? Er macht sich auf den Weg und interviewt einige Leute und dabei darf ihn der Leser begleiten.

Der Hauptdarsteller der Reihe taucht dieses Mal erst auf Seite 284 auf. Inspektor Jury steht einfach nachts vor der Tür von Melrose, ist aber wunderbarerweise schon voll über den Fall informiert und trägt einen nicht geringen Teil zur Aufklärung bei. Wo kämen wir denn auch hin, wenn die Polizisten nun durch Laiendetektive arbeitslos würden.

Die Nebendarsteller des Buches sind wie so oft bei Martha Grimes zahlreich vertreten. Nicht nur Tante Agatha hat ihren Auftritt und möchte nun Maklerin werden, auch Vivian will eine Veränderung in ihrem Leben vornehmen: Sie kündigt an, nach vielen Jahren nun endlich ihren italienischen Grafen zu heiraten. Er taucht dieses Mal sogar leibhaftig in Long Piddleton auf, wo er doch bisher nur im fernen Italien im Hintergrund blieb. Aber die Bewohner des Dorfes geben auch dieses Mal nicht auf und geben sich die größte Mühe, die Hochzeit zu verhindern. Auch der hypochondrische Sergeant Wiggins darf nicht fehlen. Er meistert die Verhöre mal wieder mit Bravour, notiert sich jedes kleinste Detail in seinem Notizbuch und gibt letztendlich den entscheidenden Hinweis.

Der schwule Antiquitätenhändler Marshall Trueblood und Diane Demorney machen sich auf den Weg, um Melrose in seinem Urlaubsdomizil zu besuchen. Diane hat mal wieder eigens auf alle ihr bekannten Leute aus ihrem Freundeskreis ein Horoskop zugeschnitten. So vereinen sich viele der liebgewonnenen Personen aus den früheren Romanen, was für mich die Serie so liebenswert macht.

Der Schauplatz liegt dieses Mal im malerischen Cornwall. Betrachtet man einmal die Orte, in denen Martha Grimes ihre Romane angesiedelt hat, so hat man schon ganz England mit ihr bereist. Das Beständige: Natürlich treffen sich die Ermittler oft zu einer Besprechung im "Lamorna Wink", dem Pub, das der Geschichte seinen Namen gegeben hat.

Der ungeduldige Leser wartet sicher auf die Aufklärung des Falles, denn an Spannung mangelt es der Geschichte nicht. Aber ich schätze, einige werden eine straffe Handlung vermissen. Gerade das kann jedoch der Roman, wie die anderen aus der Reihe auch, nicht bieten. Dagegen lebt die Serie von den Nebensächlichkeiten, welche die Autorin einstreut. Sie zeichnet die Charaktere detailgetreu und gibt die Atmosphäre schlüssig wider. Da der Krimi flüssig zu lesen ist, kann man ihn schlecht aus der Hand legen. Und außerdem war ich mal wieder so neugierig, dass ich nachgeschaut habe, wer der Mörder ist. Das unerwartete Ende ist gelungen und deutet sich nicht bereits in der Mitte des Buches an, wie das sonst oft der Fall ist.

Die "Treppe zum Meer" profitiert von der Einbindung Melrose als Hauptperson. Er ist zwar bereits bekannt, es gilt jedoch, ihn noch zu ergründen. So erfährt man z.B., dass der Siebte Earl of Caverness gar nicht sein Vater ist, sondern daß er aus einer Beziehung seiner Mutter mit einem Liebhaber stammt. Außerdem verbringt er eine Nacht mit einer Frau, die man ebenfalls aus einem der früheren Romane kennt. Es sei ihm gegönnt.

Einen Stern Abzug gibt es dennoch: Das Ende ist nicht nur unerwartet, sondern die Handlung auf den entscheidenden Seiten ist auch ein bißchen konfus geschildert.

Für Fans der Serie ist dieses Buch ein Muss, für Liebhaber der englischen Inspektor-Krimis würde ich es empfehlen, man sollte jedoch eher chronologisch in die Serie einsteigen. Wer derartigen Krimis jedoch nichts abgewinnen kann, sollte dieses Buch lieber links liegen lassen, er wäre enttäuscht.

Die Treppe zum Meer

Martha Grimes, Goldmann

Die Treppe zum Meer

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