Die Tore der Finsternis

  • Manhattan
  • Erschienen: Januar 2003
  • 21
  • London: Orion, 2001, Titel: 'Resurrection Men', Originalsprache
  • München: Manhattan, 2003, Seiten: 544, Übersetzt: Claus Varrelmann & Annette von der Weppen
  • München: Goldmann, 2005, Seiten: 541
  • Boston: Little, Brown, 2002, Titel: 'Resurrection Men', Originalsprache
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Thomas Kürten
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Wo bitte geht’s zur Front?

Rebus ganz unten. Nicht nur, dass er sich offenkundig nicht mit seiner neuen Vorgesetzten Gill Templer arrangieren kann, auch ihre Ermittlungsmethoden im Mordfall Marber, insbesondere seinen intensiven Telefoneinsatz, scheinen ihm arg gegen den Strich zu gehen. In Rage wirft er mit einer Teetasse nach ihr und darf zur Belohnung nach Tulliallan zur Polizeiakademie. Dort wo sonst Jungpolizisten geschult werden, trifft er auf fünf Kollegen aus anderen Städten Schottlands, die ebenso wie Rebus als schwer führbar und beschränkt teamfähig gelten. Als besondere Lehrmaßnahme wird dem Sextett ein alter und ungelöster Mordfall vorgelegt, um ihnen eine Lektion in Sachen Teamarbeit zu erteilen. Wie es scheint, war aber ausgerechnet Rebus damals in den Mordfall Lomax verwickelt. Sollte er etwas vor den anderen Lehrgangsteilnehmern verbergen müssen?

Aber Rebus ist nicht umsonst auf dem Seminar. Der Teetassenwurf war inszeniert und abgesprochen, um ihm einen Grund zu geben, zum Lehrgang nachgemeldet zu werden. Sein Polizeipräsident hat ihn beauftragt, gegen drei der fünf anderen Teilnehmer zu ermitteln, die im Verdacht stehen, vor Jahren einige Millionen illegaler Gelder auf die Seite gebracht zu haben. Sein Auftrag besteht insbesondere darin, die Verbindung der drei aufzudecken und - wenn möglich - die Veruntreuung zu beweisen.

Der Sohn des Wiesels, die Agenten, der Lehrgang und das Rauschgift

Zudem wird Rebus von zwei Agenten der SDEA aus dem Lehrgang geholt, um einen Informanten, der auf den Namen Wiesel hört, zur Mitarbeit zu überreden. Durch einen Zufall ist den Agenten eine große Ladung Rauschgift in die Hände gefallen, die der Sohn des Wiesels verschachern wollte. Vorbei an den weit reichenden Fängen von Big Ger Cafferty, Erzfeind von DI John Rebus und so etwas wie der Pate von Edinburgh. Das Wiesel soll Cafferty, für den er als Fahrer arbeitet, den Agenten ans Messer liefern, um seinem Sohn zu helfen.

Der vierte Fall, in dem Rebus aktiv werden muss, ist der oben schon erwähnte Mordfall Marber. Der berühmte Galerist wurde nach einer Vernissage ermordet, ohne das irgendwelche nennenswerten Wertgegenstände entwendet worden wären. Der Fall wirft viele Rätsel auf, da Marber unzählige Feinde in der Kunstszene hatte und ein ungeordnetes Liebesleben führte. Eine Spur scheint zu einem Saunaclub zu gehören, den Marber regelmäßig besuchte. Es deutet vieles darauf hin, dass der Besitzer des Clubs Big Ger Cafferty ist. In diesem Fall arbeitet Siobhan Clarke, die junge Kollegin von John Rebus, besonders engagiert.

Vier Verbrechen in einem Buch sind ein ehrgeiziges Unterfangen

Dass sich zwei Verbrechen, die zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, miteinander verbinden lassen, haben schon etliche Kriminalautoren bewiesen. Auch die Verknüpfung dreier Verbrechen ist schon dem ein oder anderen gelungen, bei anderen geht die Übersicht verloren. Vier Verbrechen gleichzeitig in einem Buch zu klären, das ist schon ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, da es für den Leser eigentlich unweigerlich zu Problemen mit der Übersichtlichkeit kommen muss.

Ian Rankin hat diese Herausforderung angenommen und dürfte mit dem Ergebnis zufrieden sein. Seinen Inspector Rebus beschreibt er in gewohnt lebensnaher Weise, ein Mann mit vielen Ecken und noch mehr Kanten, unzähmbar und wohl deshalb ein sehr interessanter Charakter. Jemand, der in diesem Roman jedoch auch einen scharfen Konflikt mit sich selber auszutragen hat. Er weiß selber nicht, wo er steht. Ist er Ermittler oder Verdächtiger? Wem kann er vertrauen und wer vertraut ihm noch? Soll er Fallen stellen oder werden sie ihm gestellt? Dadurch schafft es Rankin, die dem Leser stellenweisende fehlende Orientierung als das normalste auf der Welt zu verkaufen. Wie soll der Leser den Überblick bewahren, wenn es auch der Protagonist nicht vermag?

Unterhaltsam, aber gelegentlich sehr konstruiert

"Die Tore der Finsternis" ist ein durch und durch unterhaltsamer Kriminalroman, wobei Autor Rankin jedoch einige Male Situationen zu sehr konstruieren muss. Wieso wird auf dem Lehrgang ausgerechnet ein alter Fall ausgegraben, an dem Rebus seine einst Finger schmutzig machte? Und wieso stimmt der Seminarleiter ohne weiteres zu, als die Kursteilnehmer unbedingt in Edinburgh weiter ermitteln wollen, wo sie doch anfangs nur alte Akten aufarbeiten sollten? Das Seminar ist überhaupt die Schwachstelle an diesem Roman. Rebus vorgeschobener Teilnahmegrund und Auftrag, das zufällige Zusammentreffen dreier schwarzer Schafe und die Maßnahme, wie aus 6 Eigenbrötlern ein Team gebildet werden soll.

Zusammen mit seiner Kollegin und treuen Schülerin Siobhan Clarke kann Rebus am Ende das Knäuel entknoten und dem Leser eine gut begründete Erklärung für die Verbrechen und Tatmotive liefern. Rankin schafft es auch, das Spannungsniveau lange Zeit hoch zu halten. Dass der Leser dabei zwischendurch selber ab und an die Tore der Finsternis durchschreiten muss, manchmal nicht mehr weiß, in welchem Fall gerade die Ermittlungen voranschreiten und wer auf wessen Seite steht, tut komischerweise dem Lesefluss keinen Abbruch. Rankins Romane bleiben auf hohem Niveau.

Die Tore der Finsternis

Ian Rankin, Manhattan

Die Tore der Finsternis

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