Eine Japanerin in Florenz

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2006
  • 4
  • London: Heinemann, 2005, Titel: 'The Innocent', Originalsprache
  • Zürich: Diogenes, 2006, Seiten: 342, Übersetzt: Ursula Kösters-Roth
  • Zürich: Diogenes, 2008
Eine Japanerin in Florenz
Eine Japanerin in Florenz
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Sabine Reiß
62°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2006

Altgediente Polizisten tun ihren Dienst

Magdalen Nabb wählte für ihre Krimis schon vor Jahren den Schauplatz Italien, nicht erst, als Donna Leon diesen Markt für sich entdeckt hat. Interessanterweise ist auch sie wie ihre Autorenkollegin keine Italienerin, sondern Engländerin. Statt in Venedig ist die Handlung im sicherlich ebenso reizvollen Florenz angesiedelt. Hauptperson ist allerdings kein Commissario, sondern ein Maresciallo, Dienststellenleiter der Wache im Palazzo Pitti... Sein Chef scheint großes Vertrauen in ihn zu setzen, denn als eine Leiche in den Boboli-Gärten gefunden wird, wird der Fall nicht wie mehr oder weniger üblich an einen Commissario übergeben, sondern Maresciallo Guarnaccia übernimmt die Ermittlungen selbst.

Die junge Frau ist in einem der entlegeneren Basins des Parks ertrunken, vorher war sie jedoch schon durch einen Schlag bewusstlos geworden, so dass ein Mord nicht auszuschließen ist. Eine Handtasche am Rande des Wassers scheint zunächst auf die Identität der Toten hinzudeuten, doch bei einem Besuch an der angegebenen Adresse stellt sich heraus, dass diese der Frau gehört, die den Fund der Leiche anonym gemeldet hatte.

Die Entdeckung der Langsamkeit

Guarnaccia kommt nicht weiter. Er nimmt den edlen Lederschuh der Toten mit zum besten Schuhmacher seines Viertels, doch trifft er dort nur den japanischen Lehrling an, der angesichts der Befragung verstummt wie eine Auster. Der Restaurantbesitzer bringt ihn dann doch noch auf die richtige Fährte: Die junge Frau war ebenfalls Lehrling des Schuhmachers; ein sehr begabtes junges japanisches Mädchen namens Akiko, die später einmal das traditionsreiche Geschäft übernehmen sollte. Der Maresciallo ist verzweifelt auf der Suche nach ihrem Geliebten, den niemand zu kennen scheint, und doch ist er ihm näher, als er dachte...

Magdalen Nabbs Krimi ähnelt vom Aufbau her den Geschichten von Andrea Camilleri, denn sie beschränkt sich nicht nur auf die Ermittlungen, sondern schildert das Leben im Viertel minutiös, z.B. die Streitereien eines Ehepaars, wo die Polizei schon mehrmals einschreiten musste, oder das Familienleben der Dame, der die Handtasche abhanden gekommen war. Dieses Bild von Florenz ist sehr stimmungsvoll, beschaulich, ja sogar dörflich und wirkt trotz des Mordfalls irgendwie beruhigend. Allerdings vermisse ich ein wenig die Würze in der Suppe, die Camilleri durch seine liebevolle Personenzeichnung und den hintergründigen Humor einbringt.

Werbung für Florenz

Guarnaccia ist ein einfacher Mann — er hört zu und redet wenig. Er verlässt sich auf sein Gespür und versucht den Fall mit Intuition zu lösen. Dieses Mal hat er jedoch lange an der Auflösung geknabbert und macht sich schwere Vorwürfe, dass er die Augen zu lange vor dem Offensichtlichen verschlossen hat. Ursprünglich stammt er aus Sizilien und er fühlt sich in der Toskana immer noch ein bisschen wie ein Außenseiter. Magdalen Nabbs Protagonist ist sympathisch, aber ihm fehlt meines Erachtens das gewisse Etwas. Vielleicht wird man dieses auch erst entdecken, wenn man ihn besser kennen lernt.

"Eine Japanerin in Florenz" ist ein leiser Krimi, der fast als Werbeprospekt für einen Ausflug nach Florenz dienen könnte, wäre da nicht der Mord und die von Frau Nabb geschilderten Veränderungen im sozialen Gefüge. Der Niedergang der althergebrachten Traditionen wird an kleinen Beispielen in Guarnaccias Viertel gezeigt, die momentane Befindlichkeit Italiens angesichts der politischen Veränderungen bleibt aber in den Schilderung der Engländerin außen vor.

Eine Japanerin in Florenz

Magdalen Nabb, Diogenes

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