Süden und die Schlüsselkinder

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 200, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Die Vermissung des Adrian

Es ist Weihnachtszeit, doch nicht alle Menschen sind in weihnachtlicher Stimmung. Aus dem Sankt-Zeno-Haus, welches vom Kinderschutzbund geführt wird, verschwindet der zehnjährige Adrian. Zunächst versuchen die Erzieherinnen selber ihr Glück, dann erinnern sie sich an einen Fall, der ein Jahr zurückliegt und wenden sich erneut hilfesuchend an Privatdetektiv Tabor Süden.

 

"Wer war Zeno?"
"Zenon war ein Bischof aus dem vierten Jahrhundert, er gilt als Schutzheiliger gegen Überschwemmungen."
"Wenn die Isar jemals bis nach Obergiesing steigen sollte, kann der Zeno einpacken, dann helfen nur noch Hubschrauber, keine Heiligen."
"Seien Sie nicht so fatalistisch."

 

Adrian freundete sich in dem Heim mit Fanny an, die weiter SMS von ihm erhält. Die Polizei möchte man zunächst nicht einschalten, denn dann müsste Adrian womöglich in eine geschlossene Einrichtung, aus der er nicht mehr ausbüchsen kann. So macht sich Süden gemeinsam mit Fanny auf die Suche. Dabei ahnt Süden die ganze Zeit, dass Fanny mehr über den Aufenthaltsort von Adrian weiß. Doch Fanny will nichts verraten und bringt sich so selber in Gefahr, derweil Süden über Fannys Handy in Kontakt mit Adrian steht...

Empathie auf hohem Niveau. Wo bleibt der Krimi?

Wo Friedrich Ani draufsteht ist auch Friedrich Ani drin. Man erhält keinen gewöhnlichen Krimi, denn dem Bestsellerautor geht es weniger um die Fallauflösung, sondern vielmehr um die Geschichte hinter der Geschichte. Warum ist Adrian plötzlich verschwunden, was waren seine Beweggründe? Das und nur das gilt es herauszufinden. Die Art und Weise wie Adrian zum "Happyend" wieder auftaucht ist typisch für Ani und wer dessen Bücher nicht kennt, wird sich ein wenig auf den Arm genommen fühlen. Darf man es sich wirklich so einfach machen? Ja, wenn man eben Friedrich Ani heißt.

 

"Das ihm München trotzdem gelegentlich wie eine im eigenen Saft schmorende Supergans vorkam, schob er auf den übermäßigen Genuss gespenstischer Biersorten oder die gelegentliche Lektüre von Verlautbarungen aus dem Rathaus."

 

Die Suche nach dem zehnjährigen Jungen führt Süden quer durch München. Dabei begegnet er natürlich auch den Eltern und schnell wird klar, warum Adrian in ein Kinderschutzhaus gesteckt wurde. Der Vater alkoholsüchtig und gewalttätig, die Mutter ebenso machtlos wie desinteressiert. Dies ist gleichzeitig die Quintenzenz des Romans: Es wird jemand gesucht, den niemand vermisst? So empfindet es jedenfalls Adrian und Südens Ermittlungen führen einmal mehr in die menschlichen Abgründe gescheiterter Existenzen. Nicht nur im Elternhaus ist einiges in Schieflage geraten.

 

"Ich werde dafür bezahlt, Adrian wiederzufinden, und in meinem Honorar ist Kompost mit inbegriffen."

 

Süden ist teilweise etwas abgelenkt, denn er trauert noch immer um einen ehemaligen Polizeikollegen, der sich vor vielen Jahren erschoss. Zwölf Jahre ist dies bereits her, damals quittierte Süden den Job bei der Vermisstenstelle der Münchener Kripo und arbeitete einige Jahre am Kölner Eigelstein als Kellner bevor er nach München zurückkehrte. Seit über einem Jahr arbeitet er für eine Detektei, die ihn schon einmal in das Kinderschutzhaus führte. Süden, ebenfalls alkoholischen Getränken keineswegs abgeneigt, findet noch rechtzeitig sein Talent wieder, während der Autor wie gewohnt teils in seiner eigenen Sprachwelt lebt. Vermissung oder bebiert sind dabei nur zwei seiner Lieblingswörter. Wer empathisch geprägte "Krimis" mag, deren sozial- und gesellschaftskritischer Hintergrund wichtiger ist als eine spannende Aufklärung im klassischen Sinne, der ist bei Friedrich Ani einmal mehr gut aufgehoben.

Süden und die Schlüsselkinder

Friedrich Ani, Droemer Knaur

Süden und die Schlüsselkinder

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