Der einsame Engel

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2016
  • 3
  • München: Droemer, 2016, Seiten: 208, Originalsprache
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2016

Prototyp des einsamen Wolfs - voller Selbstzweifel

Tabor Süden, Patrizia Roos und vor allem Edith Liebergesell haben psychisch schwer am Brandanschlag auf die Detektei und dem Tod ihres Kollegen Leonhard Kreutzer zu kämpfen. Während sie auf unterschiedlich Weise ihre Trauer zu verarbeiten versuchen, nimmt Edith mal wieder einen Anruf einer potenziellen Klientin an und schickt Süden zu Emma Fink. Ihr Arbeitgeber und Ex-Geliebter ist seit einigen Tagen spurlos verschwunden. Auf seine spezielle Art holt Tabor Süden mehr Informationen aus ihr heraus, als sie zunächst preisgeben wollte. Unterstützt von Patrizia macht er sich auf die Suche nach Justus Greve - doch die Ermittlungen gestalten sich überaus mühevoll. Zudem ist Süden - wie auch seine beiden Kolleginnen - auf einer Art Selbstfindungstrip, was die Suche nach dem verschwundenen Geschäftsmann mehr als überschattet.

Ein kriminalistischer Roman ganz anderer Prägung

Friedrich Ani hat einen ziemlich speziellen Erzählstil, für den ihn viele seiner Fans ganz innig lieben, andere Leser kommen damit überhaupt nicht zurecht. Auch bei meinen Rezensenten-Kollegen auf der Krimi-Couch ist er mit den ersten Werken seiner nunmehr seit fast 20 Jahren andauernden Reihe um den Ermittler Tabor Süden zuweilen in Ungnade gefallen.

Die Bücher von Friedrich Ani sind ganz offenbar nicht das, was die Mehrheit der Leser unter einem "normalen Krimi" versteht. Es dürfte aber kein Zufall sein, dass auf dem Umschlag steht: "Ein Tabor Süden Roman", sondern vielmehr eine bewusste Charakterisierung. Mir hat mein erstes Werk von Friedrich Ani überaus gut gefallen, denn es ist wohltuend, jenseits der Thriller und Krimialromane um Serienmörder, Psychopathen und sonstige brutale Verbrecher mal einen kriminalistischen Roman ganz anderer Prägung zu lesen.

Fragen nach der persönlichen und beruflichen Zukunft von Süden

Der Kriminalfall in diesem Roman ist keinesfalls unwichtig, aber es geht daneben auch in ausgedehnten Passagen um Tabor Süden - und um seine Kolleginnen. Der versierte Ermittler hat vor Jahren bereits seinen besten Freund und Kollegen durch Selbstmord verloren, und muss nun abermals den Tod eines Kollegen und Freundes verarbeiten. Und es stellen sich grundsätzliche Fragen nach seiner persönlichen und beruflichen Zukunft, denn seine Chefin Edith Liebergesell könnte zu dem Entschluss kommen, die Detektei zu schließen. Mir haben diese sehr persönlichen Einblicke gut gefallen, sie heben sich deutlich davon ab, was man sonst gerne als Background der Ermittler in Kriminalromanen geboten bekommt.

Süden würde gerne Erinnerungen an seine Vergangenheit auslöschen

Tabor Süden und seine junge Kollegin Patrizia Roos versuchen immerhin, sich von der Ungewissheit nicht beeindrucken zu lassen und nehmen die Suche nach Justus Greve auf. Das Aufspüren des verschwundenen Gemüsehändlers gestaltet sich allerdings überaus schwierig. Seine ehemaligen Geliebten, von denen es mehr gibt, als Tabor zunächst ahnt, sind als Zeuginnen recht widerspenstig - sogar die Auftraggeberin Emma Fink. Irgendwann will sie den Auftrag sogar beenden, weil sich Greve gemeldet hat, aber da hat sich Tabor Süden bereits entschlossen, die Sache in jedem Fall zu Ende zu bringen - denn seine Spürnase sagt ihm, dass hier etwas oberfaul ist.

Zeitweise vermutet der erfahrene Detektiv, dass der Geschäftsmann bewusst untergetaucht sein könnte, weil er mit seinem bisherigen Leben brechen möchte. Das hat er mit Süden teilweise gemeinsam, denn auch der Ermittler würde sehr gerne viele Erinnerungen an seine Vergangenheit einfach auslöschen.

Ein in vielerlei Hinsicht überaus bemerkenswerter Protagonist

Friedrich Ani legt großen Wert darauf, die Menschen in seinem Roman und ihre Gefühle eingehend zu beschreiben.Tabor Süden stellt er als ausgezeichneten Beobachter und Zuhörer dar. Der Detektiv kann Äußerungen und auch Lebensumstände perfekt analysieren und einordnen, und vermag daraus messerscharfe Schlüsse zu ziehen. Ein in vielerlei Hinsicht überaus bemerkenswerter Protagonist.

Der Roman und die in ihm erzählte Geschichte vermögen zu fesseln, auch deshalb, weil sich Friedrich Ani intensiv mit seiner wichtigsten Figur auseinander setzt, von der man als Leser - wie bereits erwähnt - eben viele persönliche Dinge erfährt. Der Erzählstil mag manchen Leser und Rezensenten nerven, mich hat er überzeugt. Wer noch keinen Tabor-Süden-Roman gelesen hat - es ist nie zu spät für den Einstieg.

Der einsame Engel

Friedrich Ani, Droemer

Der einsame Engel

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