Ostfriesentod

  • Jumbo
  • Erschienen: Januar 2017
  • 10
  • Hamburg: Jumbo, 2017, Seiten: 4, Übersetzt: Klaus-Peter Wolf
  • Frankfurt am Main: Fischer, 2018, Seiten: 784, Originalsprache
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Brigitte Grahl
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2016

Wer macht Kommissarin Klaasen fertig?

Ostfriesland scheint eine sehr gefährliche Gegend zu sein: Kommissarin Ann Kathrin Klaasen muss sich schon zum elften Mal mit einer Mordserie beschäftigen. Und diesmal gerät sie sogar selbst unter Mordverdacht. Jemand gibt sich als sie aus und betreibt systematisch Rufmord. Nicht nur Ann Kathrins berufliche Reputation nimmt Schaden, auch ihre Ehe und die Beziehung zu den Kollegen wird auf eine harte Probe gestellt. Die sonst so taffe Polizistin wird immer stärker verunsichert und tappt im Dunkeln. Wer hasst sie so sehr, dass er über Leichen geht, um sie zu vernichten und warum?

In dem elften Band der Klaasen-Reihe geht es um das gefährliche Potential digitaler Medien in den Händen Krimineller: um Identitätsklau, Cybermobbing und virtuellen Rufmord. Stoff für einen spannenden Thriller. Klaus-Peter Wolf macht daraus einen 553 Seiten dicken Wälzer, dessen viele Nebenhandlungen und -figuren leider auf die Spannungsbremse treten. Ununterbrochen springt der Autor in kurzen Szenen und wechselnden Perspektiven von der Kommissarin zu einem der Täter, den Kollegen, den Freunden, den Bekannten ... Gefühlt lernt man die gesamte Bevölkerung des Ortes kennen, wobei der Autor auch gerne real existierende Personen aus seinem privaten Umfeld einstreut. Die einen nennen das Schleichwerbung und stören sich daran, die anderen freuen sich über so viel regionale Authentizität.

Das Personal des ostfriesischen Kripodezernats ist durchgehend mit sehr speziellen Typen besetzt, deren Macken für humorige Szenen sorgen: besonders der sexfixierte Machokollege Rupert darf sich immer wieder lächerlich machen, in Szenen, die zum Teil schon stark in Richtung Klamauk tendieren, so überzogen agieren die Beteiligten. Sie scheinen nur auf den lustigen Effekt hin geschrieben worden zu sein und sind nicht unbedingt nötig, um die Handlung voranzubringen. Aus der Kriminalkomödie wird der Leser allerdings in der nächsten Szene schon wieder in einen ernsthaften Krimi versetzt ein Wechselbad, das nicht jedem gefällt.

Die Glaubwürdigkeit bleibt nicht nur in den witzigen Szenen auf der Strecke, die erfahrene Ermittlerin Klaasen verhält sich zeitweise erstaunlich unprofessionell und tappt genau in die Fallen, die der Gegner für sie aufgestellt hat.

Der Autor versteht es, seine Hauptfigur immer weiter in die Enge zu treiben mit Gemeinheiten, die sich immer mehr steigern und anfangs auch noch sehr realistisch wirken. Im Laufe der Geschichte wirft er sie allerdings in Situationen, die vom Leser schon viel guten Willen brauchen, um als glaubwürdig durchzugehen. Aber das ist ja durchaus legitim, um die Spannung zu schüren. Erfolgsautoren wie Sebastian Fitzek werfen Realismus und Glaubwürdigkeit erfolgreich über Bord, um ihre Leser mit überraschenden Wendungen bei der Stange zu halten. Auch Ostfriesentod wartet am Ende des Buches noch mit einem Twist auf, der nicht vorhersehbar war und einen Beigeschmack von Effekthascherei hinterlässt. Der Krimi wäre auch ohne ihn zu einem runden Abschluss gekommen.

Als Erstleserin dieser Reihe geht es der Rezensentin wie mit einer Fernsehserie: Wer zu spät einsteigt, dem erschließt sich der Reiz nicht mehr so richtig. Immerhin steht nach zehn Bänden auch der elfte Band wieder auf den Bestsellerlisten. Für die Fans ist der Wiedererkennungswert hoch, der Autor bedient sie mit vertrauten Figuren und Orten und lässt sie an der persönlichen Weiterentwicklung der Hauptfiguren teilhaben. Klaus Peter Wolf hat sich mit seinen Ostfriesen-Krimis eine große Fangemeinde erschrieben und die Nachfrage seiner Fans nach weiteren Bänden erfüllt er gerne: Fall 13 und 14 sind schon in Planung und setzen das Familientreffen zwischen Fans und Hauptfiguren fort. Wer wie die Rezensentin nicht zu den Stammlesern gehört, für den ist Ostfriesentod ein routiniert geschriebener Krimi mit charmantem Lokalkolorit, aber auch nicht mehr. Weniger Seiten, Nebenhandlungen und Figuren hätten der Spannung gut getan. So mäandert der Krimi in epischer Breite vor sich hin, was ja durchaus der ostfriesischen Gemütslage entspricht.

Ostfriesentod

Klaus-Peter Wolf, Jumbo

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