Lesung:
Camilla Läckberg

Reportage von Thomas Gisbertz (04.2019)

„Netflix ist mein größter Feind!“

Die Sitzreihen sind sehr gut gefüllt, als das Literaturschiff pünktlich um 18 Uhr ablegt und Camilla Läckberg, Schwedens erfolgreichste Krimi-Schriftstellerin, die Bühne betritt. Im Rahmen ihres Auftritts bei der diesjährigen lit.COLOGNE stellt sie ihren neuen Roman „Golden Cage“ vor.

Dabei lässt sie es sich nicht nehmen, den Prolog ihres Romans persönlich auf Schwedisch vorzulesen. Läckberg wirkt im Gespräch mit Moderator Philipp Schwenke äußerst entspannt und in ihrer Art sehr erfrischend. Offen gibt sie zu, dass sie Faye, der Hauptfigur in ihrem neuen Roman, nicht unähnlich sei. Die Idee zu „Golden Cage“ schwirre schon seit über zehn Jahren in ihrem Kopf und nun sei sie mit 44 Jahren, in dritter Ehe lebend und Mutter von vier Kindern „reif und weise“ genug, wie sie betont, das auch literarisch umzusetzen.

Schwenkes Einwurf, im Gegensatz zur bekannten Fjällbacka-Reihe sei ihr neues Werk eher langweilig, entgegnet sie: „Ich würde nicht sagen, dass es langweilig ist, sondern dass es mehr Leben enthält.“ Faye sei eine Frau, die Verantwortung für ihr Leben übernehme und das sei etwas, was sie besonders jungen Frauen vermitteln möchte. Sie sollten sich nicht in Abhängigkeit von Männern begeben, sondern immer auch an ihre persönliche Zukunft denken.

Sie habe erkannt, dass die Ungleichheit von Mann und Frau - insbesondere in Schweden - immer größer werde. Das mache sie wütend. Ziel ihres Romans sei es aber keineswegs, die Geschlechter gegeneinander auszuspielen, sondern sich für Gleichberechtigung einzusetzen. Das wird dem Zuschauer auch immer wieder durch die klug ausgewählten Textpassagen verdeutlicht, die von Vera Teltz in beeindruckender Weise szenisch vorgelesen werden. Alleine hierfür lohnt sich der Besuch an diesem Abend bereits.

Sex-Szenen im Café geschrieben

Dass Läckberg auch jede Menge Selbstironie besitzt, wird besonders dann erkennbar, wenn sie Skurriles und Absonderliches aus ihrem Leben oder über ihre Arbeit zu berichten weiß. So habe sie beispielweise beim Schreiben der Sex-Szenen in „Golden Cage“, die sie überwiegend am Laptop in Cafés geschrieben habe, immer das Gefühl gehabt, von den anderen Besuchern angestarrt zu werden: „Ich spürte, wie sie dachten: Was für eine schmutzige Fantasie hat die bloß!“

Auch wenn sie berichtet, wie ihre persönliche Rache an einem eitlen Mann aussah, den sie vor Jahren kennengelernt, und der sie bitter enttäuscht habe, muss das Publikum herzhaft lachen.
Nicht zu vergessen die makabere, in Anlehnung an den vor Jahren gemeinsam mit der Familie geschauten Film „Überleben“ entstandene Tradition, zusammen mit ihren vier Kindern im Flugzeug zu überlegen, wen sie als erstes bei einem Absturz wohl essen würden, zeigt Läckbergs besondere Art. Wen wundert es da, dass der Lieblingsfilm ihrer dreijährigen Tochter „Der weiße Hai“ ist.

Läckberg wirkt während der Veranstaltung jederzeit authentisch, nie aufgesetzt oder darauf bedacht, was andere von ihr denken könnten. So hält sie es auch mit ihren Büchern. Die sollen in erster Linie ihr selbst gefallen. Sie sei sicherlich keine Freundin der Kritiker, viel wichtiger seien ihr die Meinungen ihrer Leser. Dass sie einen Blick für das Alltägliche habe und man sich daher gut mit ihren Figuren identifizieren könne, hält die schwedische Autorin für eine ihrer Stärken.

„Old-School-Crime-Writerin“

Läckberg, die 1998 an einem Krimi-Workshop teilgenommen hat und dadurch zum Schreiben kam, bezeichnet sich selber als „Old-School-Crime-Writerin“. Ihr Vater habe ihr die Liebe zum Krimi vererbt. Seit ihrer Kindheit sei sie ein großer Fan des Whodunit-Genres, insbesondere habe es ihr Agatha Christie angetan. Noch heute lässt sie sich von den Klassikern der Krimiliteratur beeinflussen. Das Geheimnis eines guten Krimis, so Läckberg, sei es, durch Cliffhanger Spannung zu erzeugen. Ihr gefalle es, die Leser seitenweise zu „foltern“.

Über die Frage, was das Besondere für sie am Schreiben sei, muss die Schwedin kurz nachdenken. Für sie sei das Gefühl, etwas geschrieben zu haben, deutlich wichtiger als das Schreiben an sich, betont die Autorin.

Philipp Schwenke konfrontiert Camilla Läckberg am Ende einer sehr kurzweiligen und interessanten Lesung mit einer persönlichen Marotte, ihrer Prokrastination, dem Drang, alles ständig aufzuschieben. „Ja, das ist ein echtes Problem“, entgegnet die Autorin lächelnd. Wenn sie nicht Socken farblich sortiere, schaue sie leider zu gerne Angebote von Streaming-Anbietern, vor allem Reality-TV-Formate wie „Housewifes“. „Netflix ist mein größter Feind“, gesteht sie offen. „Ansonsten würde ich fünf Bücher pro Jahr veröffentlichen.“ Da helfe es schon einmal, Deals mit sich selber abzuschließen: „Drei Seiten schreiben, eine Stunde glotzen.“

Man kann die Bücher der schwedischen Autorin mögen oder nicht, nach dieser Veranstaltung wird aber sicherlich jeder Zuschauer den Menschen Läckberg schätzen und lieben gelernt haben.

Info:

Camilla Läckberg, 1974 in Fjällbacka geboren, ist eine schwedische Kriminalautorin. Weltweit hat Läckberg inzwischen über dreiundzwanzig Millionen Bücher verkauft. 2006 gewann sie den Folkets Litteraturpris (Literaturpreis des schwedischen Volkes) und 2008 den französischen Preis für Kriminalliteratur Grand prix de littérature policière. Im März dieses Jahres erschien ihr aktueller Roman „Golden Cage“.

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