Gottesgemüse

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 1992
  • 1
  • Dortmund: Grafit, 1992, Seiten: 141, Originalsprache
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Thomas Kürten
56°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Wilsberg in göttlicher Mission

Der Dortmunder grafit-Verlag ist eine der wenigen verlässlichen Konstanten auf dem Markt für Kriminalromane. Die Optik der von ihm veröffentlichten Romane hat sich über Jahrzehnte nur kaum merklich verändert, es wird immer wieder das Wagnis eingegangen, auch bislang unbekannte Autoren zu verlegen und - dafür gibt es das höchste Lob - das Gesamtprogramm ist bis heute lieferbar. So kommen auch Spätentdecker heute noch in den Genuss, Romane deren Erstveröffentlichung 15 und mehr Jahre zurück liegt kaufen zu können. Ein lebhaftes Beispiel hierfür ist auch Jürgen Kehrers Gottesgemüse, der dritte Roman um den Münsteraner Detektiv Georg Wilsberg aus dem Jahre 1992.

Lange hat es gedauert, bis die Figur Wilsberg zu dem gereift ist, wie wir sie heute kennen. Kehrer hat ohne Zweifel eine Menge mit ihr angestellt. Vom Briefmarkenhändler und Antiquar zum erfolglosen Privatdetektiv, der sich mit Müh und Not über Wasser halten kann war es ein langer Weg, und auch diese Station lag dazwischen: Wilsberg ist in Gottesgemüse ein sehr erfolgreicher Detektiv, der bei den Größen aus Münsteraner Politik und Wirtschaft ein und aus geht. Mal eben ein Honorar von DM 50.000,- wird ohne jedes Wimpernzucken entgegen genommen und ein nobles Büro mit hübscher Sekretärin kann sich der Herr Detektiv auch leisten. Es ist nicht verwunderlich, dass der Autor von diesem Kurs schnell wieder abgekommen ist. Hätte er das nicht getan, wäre der Erfolg dieser Serie wohl niemals so groß geworden.

Wilsberg wird von einer Frau Kunstmann beauftragt mit der Suche nach deren Mann. Der befand sich zu einem Seminar in England und ist danach nicht wieder heimgekehrt. Doch es war nicht irgendein Seminar, was er da besucht hat, sondern ein Seminar der "Kirche für angewandte Philosophie". Wilsberg besucht die Einstiegsseminare der Sekte in Deutschland und hört sich nach Freunden des Herrn Professor Kunstmann um. Schnell wird er von den Aufsehern der Sekte durchschaut, die ihn mit Nachdruck an weiteren Ermittlungen hindern wollen.

Gottesgemüse ist einfach eine nette Geschichte, die in Bezug auf die Sekte manchmal erschreckend lächerlich wirkt. Dabei muss man sich aber vor Augen halten, dass es tatsächlich Organisationen gibt, die mit solchen oder ähnlichen Argumenten wie Kehrer sie nennt ihre Mitglieder werben. Anleihen an gewisse "wissenschaftlich" orientierte Sekte, sind also nicht zu übersehen. Bei den Ermittlungen gegen die Sekte spielen Wilsberg aber derart viele glückliche Zufälle in die Hände, dass die gesamte Lösung des Falles viel zu schnell gerät. Gerade mal 140 Seiten - das ist auch für einen Wilsberg relativ kurz. Viel origineller und unterhaltsamer kommt die nicht ganz korrekte Detektivarbeit in einem Fall von Versicherungsbetrug, der die Nebenhandlung bildet, daher. Nur hier und gegen Ende des Romans blüht Wilsberg so richtig auf, wobei er dann mit dem erfolgreichen Yuppie-Wilsberg nichts mehr gemein hat. Hier erkennt der Autor, dass ein klammer Wilsberg viel mehr Sex-Appeal aufweist als der reiche Schnösel im Büro, den er den Lesern noch zu Beginn des Romans präsentiert. Für die Serie kann dieser Exkurs somit nur als Gewinn gewertet werden.

Gottesgemüse

Jürgen Kehrer, Grafit

Gottesgemüse

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