Ein Job für Parker

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 1968
  • 1
  • New York: Pocket Books, 1963, Titel: 'The Mourner', Originalsprache
  • München: Heyne, 1968, Seiten: 156, Übersetzt: Werner Gronwald
  • Boston: Gregg Press, 1981, Originalsprache, Bemerkung: Mit einem Vorwort von Lawrence Block
  • London: Coronet, 1971, Originalsprache
  • London: Allison & Busby, 1987, Originalsprache
  • New York: Mysterious Press, 2001, Originalsprache
Ein Job für Parker
Ein Job für Parker
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Michael Drewniok
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2006

Kleine Ursache für mörderische Wirkung

Parker ist Verbrecher von Beruf und aus Berufung. Sein aktueller Coup: Kunstsammler Harrow, der es mit der Herkunft seiner Stücke nicht so genau nimmt, heuert ihn und seinen Komplizen "Handy" McKay an, dem Botschafter Kaper eine wertvoller mittelalterliche Statuette zu stehlen.

Fatalerweise hat zeitgleich eine weitere Gaunerbande Kaper ins Visier genommen. Der osteuropäische Geheimdienstmann Menlo sollte den Diplomaten eigentlich liquidieren, weil dieser viel Geld unterschlagen hat, das eigentlich der Spionage dienen sollte. Doch auch Menlo ist den Verlockungen des dekadenten Westens erlegen. Zwar plant er durchaus Kaper zu töten, um sich anschließend mit besagtem Geld aus dem Staub zu machen.

Doch die Rechnung geht nicht auf. Die eigenen Leute kommen Menlo auf die Spur. Ausgerechnet Parker rettet ihn. Man tut sich zusammen, um Kaper auszurauben. Parker weiß genau, welcher Gedanke Menlo durch den Kopf geht: Wieso nicht das Geld und die Statuette an sich nehmen und die lästigen Konkurrenten ausschalten? Leider unterschätzt er Menlo, was den Raubzug blutig enden lässt. Doch Menlo hat einen Fehler begangen: Parker lebt noch, und seine Wunden halten ihn nicht davon ab, sich rachsüchtig auf Menlos Spur zu setzen...

Thriller ohne Atempausen

 

"Als der Kerl, der so asthmatisch schnaufte, schließlich über die Feuerleiter hereinkam, schlug Parker ihn nieder und nahm ihm seine Waffe ab."

 

Das ist der erste Satz dieses Buches, und er ist typisch für die folgenden 160 Seiten: Richard Stark hält nichts von ausschweifenden Einleitungen. Er springt direkt in die Handlung. Erklärungen folgen später. Hier treibt er es sogar ein gutes Stück weiter: Das Geschehen wird atemlos weiter vorangetrieben, Namen werden erwähnt, Ereignisse der jüngsten Vergangenheit beschworen. Was geht da vor? Erst viele Seiten später legt Stark eine Pause ein und und klärt die Vorgeschichte.

Anschließend geht es mit ungebremster Geschwindigkeit weiter. Die Sätze sind kurz, die Beschreibungen präzise, der Tonfall lakonisch. Hier sind Profis am Werk, auch wenn dieses gänzlich krimineller Natur ist. Gewalt gehört zum Geschäft, sie wird nicht zelebriert, der Tod kommt schnell, wenn er die beste Lösung bietet. Ethische Wert und Gewissen spielen in dieser Welt, die den "normalen", sich dem Gesetz und moralischen Normen verpflichtet fühlenden Menschen unbekannt ist, keine Rolle. Nur wer auch in aussichtsloser Situation die Nerven behält, wird entweder die Beute davontragen oder überleben - manchmal gelingt sogar beides.

Nach zwei Dritteln wechselt plötzlich die Erzählperspektive. So lange beobachten wir Parker, der versucht das Rätsel zu lösen, in das er unvermutet geraten ist, und trotzdem seinen Schnitt zu machen. Menlo jagt ihm eine Kugel in den Leib. Was geschieht mit Parker? Wir Leser vermuten zwar, dass er überleben wird, aber Stark hat die Situation so überzeugend eindeutig dargestellt, dass wir doch unsicher sind und umgehend wissen möchten, wie es weitergeht. Aber nun rückt Menlo in den Mittelpunkt der Handlung. Seine Odyssee durch die USA erzählt der Verfasser als ganz eigene, freilich nicht minder spannende Geschichte. Aus Menlo, dem Verräter und Mörder, wird Menlo, der Mensch, dem wir fast das Glück gönnen, dessen Zipfel er greifen konnte. Zur dunklen Drohung mutiert plötzlich Parker, aus dessen Worten und Taten wir sehr gut schließen konnten, dass er nichts so hasst wie aufs Kreuz gelegt zu werden.

Das Finale ist überraschend. Bei so vielen zwielichtigen Gestalten hätte man es sich deutlich bleihaltiger vorgestellt. Stark bleibt seiner Story treu und serviert uns ein politisch herzerfrischend unkorrektes "happy-end". Der letzte Satz gehört Parker, der auf die Frage, wie denn der düpierte Kaper auf den Verlust seiner Statuette reagiert habe, erst einmal ratlos ist: "Parker überlegte einen Moment und lachte dann. ‘Er wusste es nicht einmal', sagte er dann. ‘Er hat nicht einmal gemerkt, dass die Statuette verschwunden war.' Erst jetzt merkt es der Leser: Der eigentliche Auslöser der Story ist in der Tat längst unwichtig geworden.

Die Welt ist schlecht so wie ihre Bewohner

Denn Lügen und Intrigen bestimmen den Alltag in der Schattenwelt, in der sich Parker, seine Gegner und seine Verbündeten bewegen. Vertrauen ist der schlimmste Fehler, den man begehen kann. Wer auf die Selbstsucht seines Gegenübers zählt, liegt immer richtig. Auch Parker weiß um die Brüchigkeit der Bündnisse, die er notgedrungen eingeht. Dennoch stellt er eine anachronistische Ausnahme dar: Parker ist ein Krimineller mit Prinzipien, die sich mit dem altmodischen Wort "Gaunerehre" beschreiben lässt. Wer sich an getroffene Vereinbarungen hält, kann mit seiner Unterstützung rechnen. Handy McKay wird von Parker zweimal gerettet und nicht um seinen Beuteanteil geprellt: Er ist Parkers Partner und verhält sich entsprechend. Freunde sind sie deshalb nicht, aber zwei Profis, die sich aufeinander verlassen können.

Richard Stark begeht indes nie den Fehler, aus Parker einen "guten Schurken" zu machen. Als es nötig wird schnell Informationen zu ermitteln, foltert er eine junge Frau. Später erschießt er aus dem Hinterhalt Menlos Verfolger. Das bereitet ihm kein Vergnügen, gehört aber zum Job. Die verquere "Logik", mit der Parker solches schmutzige Tun vor sich selbst rechtfertigt, liegt in der Tatsache, dass es ausschließlich Kriminelle sind, die er malträtiert: Für sie gehören Gewalt und Tod zum Berufsrisiko, mit dem letztlich auch Parker lebt, der bei diesem Abenteuer zum sechsten Mal in seiner 18-jährigen "Laufbahn" angeschossen wird.

Damit gehört er zu den Veteranen in seinem Gewerbe, das - Gangster denken da offenbar recht bürgerlich - nach seiner Meinung auf den Hund gekommen ist. Amateure mit schweren Waffen aber ohne Ehre dominieren nun; schlimmer noch ist es, dass man sich auf sie nicht verlassen und mit ihnen nicht zusammenarbeiten kann.

In der Schilderung krimineller Existenzen gelingen Stark mehrfach Sternstunden. Da gibt es eine Szene, in der Parker den Kleinkriminellen Ambridge verhört. Der spuckt große Bogen und mimt den harten Kerl, bis ihn sein Gegenüber eines Besseren belehrt. Ambridge knickt ein - und lernt Ehrlichkeit sich selbst gegenüber: "Mit einer Art von dumpfer Überraschung betrachtete er seine nasse Hand. ‘Ich bin ein Feigling. Ich bin nichts als ein Feigling'. Handy hatte Mitleid mit ihm... ‘Was tauge ich eigentlich?', fragte Ambridge wie im Selbstgespräch." Solche Sätze vermutet man nicht in einem Garn wie diesem; sie zeigen, dass Richard Stark seine Reputation als Verfasser von Kriminalromanen nicht umsonst genießt! (Das Frauenbild ist indes sehr zeittypisch - Betty Harrow, die einzige weibliche Figur, ist entweder verlogen oder geil, meist sogar beides gleichzeitig.)

Ein Job für Parker

Donald E. Westlake (Richard Stark), Heyne

Ein Job für Parker

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