Ausgekocht

  • Folio
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • Wien; Bozen: Folio, 2003, Seiten: 262, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2006, Seiten: 301, Originalsprache
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Wolfgang Weninger
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2004

Alle Zutaten wurden stimmig zusammen gerührt

Auch der besten Köchin passiert gelegentlich ein Malheur. Bei Mira Valensky haben sich gerade die Tomaten im Druckkochtopf unter Getöse gleichmäßig in der Küche verteilt. Wenn eine Lifestylejournalistin mit dem Hang zur Kriminalreporterin und zum guten Essen danach nicht der Putzfimmel sondern der Hunger packt, bleibt nichts Anderes übrig, als die blutrot überzogene Stätte des Paradeisgrauens zu verlassen und sich mit knurrendem Magen in ein Lokal außerhalb Wiens zu verziehen. Der "Apfelbaum" des Haubenkochs Manninger ist das Ziel von Mira und ihrem Lebensbegleiter.

Manninger hat seine Wirkungsstätte allerdings nach New York verlegt und das Lokal an Billy Winter, ehemalige Souchefin des Royal Grand, verpachtet, die nun danach trachtet, das Lokal ihren Vorstellungen entsprechend nach oben zu bringen. Wären da nicht die lieben Konkurrenten, die dieses Bestreben nicht nur mit Argusaugen beobachten, sondern auch versuchen, mit ziemlich üblen Streichen zu sabotieren, wovon ein Tausch von Salz und Zucker noch das Harmloseste ist. Auch in einem Innenstadtlokal eines Spitzenkoches passieren ausgesprochen unharmonische Küchengeheimnisse mit Salmonellen behaftetem Geflügel und Hundekot in Pastetenförmchen.

Mira wittert Krimiluft. Und weil im Apfelbaum die Personaldecke gerade reichlich dünn ist, verdingt sie sich als Küchenhilfe mit journalistischem Gespür. Dieses wird allerdings arg strapaziert, als die Faschiermaschine anstatt mit Fleisch von Schwein und Rind mit einer menschlichen Hand gefüllt wird, zu der die Leiche fehlt und der Oberkellner des Lokals durch einen Schlag auf das Hinterhaupt vorübergehend an der Ausübung seines Berufes gehindert wird.

Ganz klar, ein Fall für Mira Valensky und ihre rasenden Putzfrau Vesna.

Die Grazer Autorin Eva Rossmann hat im Folio Verlag ihren fünften Krimi aus der Mira-Valensky-Reihe veröffentlicht. Wer bisher an Eva Rossmanns Protagonistin eher mit gemischten Gefühlen heran ging, kann diese in "Ausgekocht" getrost beiseite lassen, denn hier ist Frau Rossmann ein astreiner Krimi gelungen, der sich gerade durch das spezielle Milieu wohltuend von Konkurrenzprodukten abhebt.

Allerdings sollte man beim Lesen dieses Buches nicht nur Krimifreund sein, sondern auch einen Hang zum guten Essen und Trinken haben, egal ob als Gourmet oder Gourmand, denn nur dann wird man diesen sehr anschaulichen Blick hinter die Kulissen der Hauben- und Sterneköche so recht genießen können, die im Kampf um die besten Bewertungen bei den Gastrokritikern nicht immer mit den Anforderungen mithalten können.

Mira Valensky huscht mit lockeren Sprüchen über die 262 Seiten, wobei es mich als Landsmann der Autorin gelegentlich doch ein wenig traurig stimmt, wenn sich Eva Rossmann zu sehr dem deutschen Lesermarkt ergibt und ihre Gemüse Tomaten und Blumenkohl heißen, anstatt Paradeiser und Karfiol. Kein Kölner Autor würde den "Halven Hahn" uns zuliebe auf Käsebrötchen umtaufen. Wenn schon Lokalkolorit, dann aber bitte richtig.

Der Aufbau der Handlung steigert sich langsam, aber konsequent und auch wenn man auf die Leiche reichlich lange warten muss, faszinieren die Beschreibungen der Küchenabläufe deutlich mehr, als es der Kriminalfall selbst tut. Die liebevolle Zeichnung der Charaktere, mit denen man sich sofort anfreundet und mitleidet, tröstet darüber hinweg, dass der Schluss zwar logisch, aber nicht besonders originell ist.

Dies soll aber bei der Beurteilung der leicht lesbaren Lektüre nicht besonders ins Gewicht fallen. Viel wichtiger an diesem Mira-Valensky-Krimi ist die Tatsache, dass der (kulinarisch) interessierte Leser sich von der ersten Seite weg praktisch inmitten des Küchengeschehens findet, und nicht aufhören kann zu lesen, bis der letzte Kochlöffel ruht.

Eva Rossmann hat es geschafft, mir mit diesem Buch so richtige Lesefreuden zu bereiten. Alle Zutaten wurden stimmig zusammen gerührt und den leicht herben Nachgeschmack im Abschluss lassen die vortrefflichen Kreationen der "Cuisine Rossmann" glatt vergessen. "Ausgekocht" ist ein Buch, das weniger von den kriminalistischen Elementen, sondern weit mehr von der perfekt recherchierten Umgebung lebt, in dem es spielt, und das ein Vier-Sterne-Lob des Rezensenten verdient hat.

Ausgekocht

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