Auf die feine Art

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2003
  • 7
  • Helsinki: Tammi, 1994, Titel: 'Harmin paikka', Seiten: 244, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2003, Seiten: 250, Übersetzt: Gabriele Schrey-Vasara
  • Reinbek bei Hamburg: Wunderlich, 2004, Seiten: 250
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006, Seiten: 250
Auf die feine Art
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Thomas Kürten
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Die Anfertigung eines Stammbaumes ist empfehlenswert

Im Januar 2003 erschien nach Kupferglanz und den beiden bei rororo veröffentlichten Alle singen im Chor und Zeit zu sterben ein weiteres Buch der finnischen Autorin Leena Lehtolainen. In Finnland gibt es bereits acht Romane um die junge Rechtsanwältin Maria Kallio, die in Deutschland aufgrund von Rechtsstreitigkeiten zwischen rororo und dem ariadne-Verlag wohl nicht in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht werden dürfen. "Auf die feine Art" ist so gesehen eigentlich der zweite Fall für Maria Kallio und handelt rund ein Jahr nach den Ereignissen des Romanes "Alle singen im Chor". Die Originalausgabe erschien bereits 1994 unter dem Titel "Harmin paikka".

Maria ist inzwischen ein Jahr mit Antii zusammen und wohnt seit drei Wochen mit ihm gemeinsam in einem vornehmen Vorort Espoos. Sie arbeitet seit kurzem in einer kleinen Rechtsanwaltskanzlei, hatte seit ihrem ersten Mordfall die Vertretungsstelle bei der Polizei gekündigt und die Abschlussarbeit für ihr Jurastudium vollendet. Auf einem Gartenfest von Antiis großer Schwester und ihrem Gatten lernt sie die schöne, feine Gesellschaft ihres neuen Wohnortes kennen. Da sind Rechtsanwälte und Ärzte versammelt und es ist auch Armi, die Freundin vom Bruder des Schwagers Antiis, auf diesem Fest. Ja, die Verwandtschaftsverhältnisse in diesem Roman sind mitunter ein wenig kompliziert. Jene Armi hat jedenfalls eine sehr durchdringende Stimme und liebt Klatsch und Tratsch. Auf dem Gartenfest kündigt sie Maria gegenüber an, sie wolle etwas mit ihr in Ruhe besprechen und verabredet sich mit ihr für den nächsten Tag. Als Maria jedoch erscheint, findet sie die erwürgte Armi leblos in ihrem Garten liegen.

Die Polizei verdächtigt sehr schnell Armis Freund Kimmo. Nachbarn berichteten von einem Streit der beiden in den frühen Morgenstunden und außerdem scheint Kimmo sich - gegen Armis Willen - in der SM-Szene der Stadt herumzutreiben. Kimmo bittet Maria um seine Verteidigung.

Maria Kallio ist rasch von seiner Unschuld überzeugt und begibt sich auf die Suche nach dem wahren Mörder. Sie erfährt, dass Armi in den Tagen vor ihrer Ermordung oft von dem über ein Jahr zurückliegenden Tod von Kimmos Schwester Sanna sprach. Die Familie und die Polizei glaubten an Selbstmord, aber Armi hatte nun offen von Mord gesprochen. Fürchtete der Mörder die Enthüllung dessen, was damals wirklich vor sich ging? Musste er sich durch einen erneuten Mord decken? Nach 250 Seiten kleinlicher Ermittlungsarbeit kann Maria den schweren Schatten, der sich seit knapp anderthalb Jahren über die Familie des Tatverdächtigen legte, lichten und überwältigt den wahren Täter.

Ein durchaus geschickt gewobener Kriminalfall, auch wenn man als geübter Krimileser bereits etwa auf Seite 100 eine Ahnung hat, welche der Hauptpersonen ein düsteres Geheimnis haben könnte. Solange keine Action aufkommt, finde ich den Roman wirklich sehr lesenswert. Und so radelt Maria die meiste Zeit von einer Befragung zur nächsten, macht einen Ausflug in die SM-Szene und muss sich mit einem widerborstigen und zu bequemen Polizisten herumschlagen. Ihre Gespräche führt sie, wie auch schon im Vorgängerbuch, auf einer sehr persönlichen Ebene, da sie die meisten ihrer Gesprächspartner schon länger kennt. Ein paar mal wirkten einige Befragte jedoch wesentlich zu auskunftsfreudig. Maria Kallio ist eine sehr hartnäckige und mutige Person, die sich äußerlich nichts von Nervosität oder Aufregung anmerken lässt. In ihr brodelt es jedoch mitunter, es ist sehr schön nachvollziehbar für den Leser, wie sich ihr Charakter entwickelt. Im Gegensatz zu "Alle singen im Chor" schimpft sie nicht mehr über die Probleme einer Frau in einem Männerberuf und bei der Suche nach einem gescheiten Partner. Nein, sie kämpft um ihre Einstellung in ihrer Beziehung zu Antii, denkt über Familie nach, das Verhältnis zu ihren Schwestern und wie es wohl sein mag, Mutterfreuden entgegen zu sehen.

Es gibt aber auch Schwächen an diesem Buch, die ich nicht zurückhalten will. So schafft es Lehtolainen ebenso wenig wie in "Alle singen im Chor" Spannung in den Roman zu bringen. Zwar liefert sie sich am Ende wieder einen Kampf mit dem Täter und hat auch zwischendurch den Verdacht, verfolgt zu werden. Aber prickelnde Action sieht anders aus. Dann die vielen finnischen Namen und komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse. Die Anfertigung eines Stammbaumes ist empfehlenswert. Und letztlich doch die auffällige Ähnlichkeit zu den Werken einer ganz großen dieses Genres. Meine Rezension zu "Alle singen im Chor" habe ich noch rein Instinktiv mit "Marple Junior" genannt. Der Titel dieser Rezension kommt nicht von ungefähr, denn so ist auch das letzte der 16 Kapitel in diesem Buch übertitelt. Zwischenzeitlich wünscht sich die junge Rechtsanwältin die grauen Zellen eine berühmten belgischen Privatdetektivs. Dann ein Verbrechen, dass weit vor dem aktuellen Mordfall liegt, letztlich aber die Indizienkette zusammenfügt. Die geheimnisvolle Ankündigung des Opfers, über etwas reden zu wollen. Der feste Kreis von möglichen Tätern. All dies sind Stilmittel, derer sich auch eine Großmeisterin wie Agatha Christie bediente. Anscheinend ist die alte Dame das große Vorbild der Finnin. Wie man letzteres zu werten hat, sei den Lesern Leena Lehtolainens vorbehalten.

Auf die feine Art

Leena Lehtolainen, Rowohlt

Auf die feine Art

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