Blumen für sein Grab

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2002
  • 12
  • London: Headline, 1994, Titel: 'Flowers for his Funeral', Seiten: 250, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Lübbe, 2002, Seiten: 380, Übersetzt: Axel Merz
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Michael Drewniok
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Die optimale Feierabend-Lektüre?!

Peinlich, peinlich: Mit seiner neuen Lebensgefährtin Meredith Mitchell besucht Chief Inspector Alan Markby von der Kriminalpolizei Bamford eine Blumenausstellung in London. Meredith trifft dort ihre lange nicht mehr gesehene Schulfreundin Rachel - die sich als Markbys erste Gattin entpuppt, von der sich dieser nicht friedlich getrennt hatte.

Rachel ist heute mit dem reichen Geschäftsmann Alexis Constantine verheiratet und lebt auf "Malefis Abbey", einem feudalen Landsitz in Lynstone, gar nicht weit von Bamford entfernt. Alex ist ein netter Mann, den Alan und Meredith nicht richtig kennen lernen, da er vor ihren Augen stirbt - ermordet durch den Stich eines giftgefüllten Dorns.

Die gramgebeugte, aber herrische Rachel bittet Ex-Mann und Freundin um Hilfe. Markby schlägt ein; er leidet darunter, dass der Mörder in seiner Gegenwart zuschlug und entkam, was ihm auch der mit dem Fall betraute Superintendent Hawkins unter die Nase reibt. Meredith hingegen wird von ihrem Arbeitgeber - sie arbeitet für das Außenministerium - um einen "Gefallen" gebeten: In Lynstone soll sie unauffällig Näheres über den verblichenen Constantine in Erfahrung bringen. Der hieß nämlich eigentlich Georges Wahid und stammte aus dem Nahen Osten, was Behörden stets beunruhigt.

Meredith, die seit jeher das Detektivspiel liebt, zieht bei Rachel ein. Markby quartiert lässt nicht weit entfernt in einem Hotel nieder. Gemeinsam erkunden sie die kleine Welt von Lynstone, deren Bewohnern eines gemeinsam ist: die Trauer um den freundlichen, spendablen Alexis und den Zorn auf seine hochmütige, bei der heimischen Männerwelt gar zu beliebten Gattin. Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht Nevil, der von seiner Besitz ergreifenden Mutter unterdrückte Sohn der Tierpensionsbesitzerin Molly James. Er hat sich hoffnungslos in Rachel verliebt und sieht in jedem männlichen Besucher einen Konkurrenten. Oder treiben Terroristen aus Constantines dunkler Vergangenheit ihr Unwesen, wie der inzwischen ebenfalls angereiste Hawkins vermutet?


Totgesagte leben bekanntlich länger. Manchmal müssen sie das sogar, denn man lässt sie nicht sterben, obwohl ihre Zeit sichtlich gekommen ist. Die Markby & Mitchell-Serie der Ann Granger gehört zu diesen bemitleidenswerten Patienten. Manchmal erhellt ein kurzer Hoffnungsstrahl das Elend - hier zuletzt Band 6 ("Ein schöner Ort zum Sterben", Bastei-Lübbe-TB Nr. 14696), aber dann bricht sich altes Elend wieder oder sogar verstärkt Bahn.

In unserem Fall bedeutet dies einen unheilvollen Auftakt, der den weiblichen Gaststar in die Ex-Gattin des männlichen Hauptdarstellers verwandelt, der gleichzeitig Lebensgefährte der Hauptdarstellerin ist. Wie sich im Verlauf der Geschichte herausstellt, ist diese abenteuerliche Konstruktion völlig unerheblich; der Plot hätte auch ohne funktioniert. Aber Granger bringt auf diese Weise ein, was ihr mindestens ebenso wichtig wie ihr Kriminalfall ist: Zwischenmenschliches, das unter ihrer Feder freilich umgehend in Gefühlsduseligkeit und Herzschmerz gerinnt.

Bleiben wir aber zunächst beim Plot. Der wird von der Autorin mit fast verzweifelt anmutender Emsigkeit durch Sackgassen, falsche Fährten und Ablenkungsmanöver vernebelt. Das hat er auch bitter nötig, denn er ist, endlich aufgelöst, so schwachbrüstig und -sinnig, dass Kopfschütteln angesagt ist. Da funktioniert aber auch gar keine "Erklärung" für das langatmig und spannungsarm entwickelte Geschehen, das bei aller Toleranz einem Feierabend-Krimi gegenüber dieselbe Wahrscheinlichkeit wie ein Science Fiction-Roman beanspruchen kann. Nahost- und Serienkiller-Thematik werden nur um des Klischee-Effektes beansprucht.

Aber geht solche Kritik nicht von einer falschen Voraussetzung aus? Dies ist kein "richtiger" Kriminalroman und soll auch gar keiner sein. Tatsächlich macht das weiter oben erwähnte Beiwerk den eigentlichen Roman aus. "Blumen für sein Grab" ist eine Liebesgeschichte mit harmlos-humorvollen Einschüben und sachten tragischen Spannungselementen. Unterhaltend aber nicht aufregend im Sinne von erschreckend soll sie sein, wobei der achtsam gemiedene Schrecken offenbar auch aus jener Originalität erwachsen kann, die man hier ebenfalls vergeblich sucht.

So plätschert die Handlung für den einen belanglos dahin, während sie für den anderen (oder die andere?) die ideale Feierabend-Lektüre darstellt, die seitenweise vor dem Einschlafen genossen werden kann, ohne dass man jemals in Gefahr geriete, an einem neuen Abend den Faden zu verlieren. Alles ist voraussehbar, allerliebst zwitschern die Sommervöglein in traumhafter englischer Landschaft, züchtig umkreisen sich Markby & Mitchell, die beiden Königskinder, die nicht zueinander finden können - oder dürfen, weil unerfüllt bleibender Liebe ein höheres dramatisches Potenzial innewohnt.

Womit wir bei unseren Hauptpersonen gelandet werden. Die hat man im siebten Band ihrer zweiseitigen Odyssee längst gründlich satt. Es gibt keinerlei Weiterentwicklung. Markby ist der gutherzige Kerl, der seine kleine Welt liebt und ihre kriminellen Elemente hasst, zuviel arbeitet und sich in halbherzig erwiderter Liebe zu seiner Meredith verzehrt. Die arbeitet weiterhin in London und bastelt feierabendlich an ihrem Bamforder Knusperhäuschen. Zwischendurch gerät sie immer wieder in allerlei krimelles Tun. Obwohl sie stets Stein und Bein schwört, es nie darauf anzulegen, sieht man sie bald bei eigenen Ermittlungen. Im Hintergrund schimpft Alan, bis er schließlich doch an die Seite der Geliebten eilt, die mindestens einmal pro Fall in Lebensgefahr gerät (und sei es nur deshalb, weil sie der Täter oder die Täterin vor der Attacke mit weitschweifigen Berichten über seine oder ihre Untaten tot zu öden droht).

So geht es weiter, Band für Band. Da müssen die Nebenfiguren für dringend nötige Ablenkung sorgen. Auf drollig-bauernschlaues Landvolk mag Granger auch dieses Mal nicht verzichten, aber es mischen sich düstere Untertöne ein. Auch in der Provinz ist die Welt nicht mehr heil - eine Binsenweisheit, aus der sich einige Funken schlagen ließen, würde sich Granger nicht auch hier ausschließlich über ausgefahrene Gleise bewegen. Die herrschsüchtige Mutter, die nur das Beste für ihren Sohn will; der verbitterte Greis, der seine Tochter verliert; die auch ihr Stück vom Glückskuchen wollte und es mit dem Leben büßen musste ... So geht es fort und fort, aber es lässt kalt.

Blumen für sein Grab

Ann Granger, Lübbe

Blumen für sein Grab

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