Mission Walhalla

  • Wunderlich
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • London: Quercus Publishing, 2010, Titel: 'Field grey', Seiten: 384, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Wunderlich, 2011, Seiten: 592, Übersetzt: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
Mission Walhalla
Mission Walhalla
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2010

Schergen, Mörder und Mitläufer im Geheimdienst-Dschungel

Carlos Hausner ist in den Nachkriegswirren auf Kuba gelandet. Als er 1954 in einem Bordell von der Besitzerin erpresst wird, eine junge kommunistische Revolutionärin mit seinem Boot nach Haiti zu schmuggeln, beginnt für ihn eine lange Odyssee durch Zellen und Gefängnisse. Der Mann ist durchaus Kummer gewohnt, hat er doch schon für die argentinische Junta und die US-Mafia gearbeitet. Hausner, der von Geburt an Bernhard Gunther heißt, war einst Kommissar bei der Kriminalpolizei in Berlin, und musste später zwangsweise für das Reichssicherheitshauptamt arbeiten. Bei der Überfahrt wird er von der US-Marine gefangen genommen, und fortan von einem Geheimdienst zum nächsten weiter gereicht. Er gerät in Intrigen und muss um sein Leben fürchten, denn ihm werden Sünden aus der Vergangenheit zur Last gelegt.

Philip Kerr hat bereits den siebten Band seiner Reihe um Bernhard Gunther vorgelegt. Und wieder gibt es eine Art Parforce-Ritt durch die deutsche Geschichte. Mission Walhalla ist dabei allerdings eine eher unglückliche Übersetzung des Original-Titels Field Grey. Anscheinend erschien den Marketing-Stretegen der Begriff "Walhalla" im Zusammenhang mit deutschen Kriegern als griffiger. Immerhin, der knurrige Polizist Gunther, im Grunde ein typischer Berliner, hat schon so einiges von der Welt und ihrem Untergrund gesehen. Teilweise ist es rührend, wie der Kripo-Mann versucht, dabei moralisch einigermaßen sauber zu bleiben. Das misslingt zuweilen, aber dennoch wirkt es glaubwürdig, dass der Ermittler in seinem Kern immer ein Berliner Polizist geblieben ist. Die Schauplätze, über die der Protagonist dabei von Kerr gehetzt wird, sind weit verstreut: Die deutsche Hauptstadt gegen Ende der Weimarer Republik, Paris nach der deutschen Besetzung, Minsk während des Russlandfeldzuges, ein Gefangenenlager in der UdSSR, und schließlich die beiden deutschen Staaten ein Jahr nach dem Aufstand vom 17. Juni.

Philip Kerr füllt bei dieser Gelegenheit einige Lücken im Lebenslauf seines Helden. Das Buch ist ein durchaus spannender Thriller, mit ausführlichen Rückblicken und Zeitsprüngen. Die Kurven, die dabei von der Erzählung durchfahren werden, sind selbst für Vielleser zuweilen durchaus überraschend. Der Autor handelt dabei einige dunkle Abschnitte der deutschen Geschichte ab, und nutzt historische Figuren der jeweiligen Zeit, um den Roman kräftig zu würzen.

Der Umgang mit diesen Personen ist dabei zuweilen etwas salopp. Reinhard Heydrich, der berüchtigte Chef des Reichssicherheitshauptamtes, wird als kalter Machtmensch dargestellt, der eine philosophische Ader hat. Dem späteren Minister für Staatssicherheit der DDR, KPD-Funktionär und Totschläger Erich Mielke, kommt sogar eine zentrale Rolle zu. Kerr reißt einige Themen an, so etwa das Leiden deutscher Kriegsgefangener in Sibirien und die Misshandlung der Gefangenen im Vichy-Frankreich, aber im Grunde bleibt er aufgrund der Vielzahl der Schauplätze an der Oberfläche des jeweiligen Themas. Doch trotz des Parforce-Ritts durch die Geschichte geraten die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht aus dem Blick, unabhängig davon, von wem sie begangen wurden. Dass sich Bernhard Gunther bei seinen Versuchen, möglichst das Richtige zu tun, immer wieder in dunklen Machenschaften verstrickt, macht einen großen Reiz des Romans und wohl auch der Serie aus.

Berlin ist unübersehbar die geliebte Heimat Bernhard Gunthers. Er ist Polizist mit Leib und Seele, kennt jede Eckkneipe, jeden Club und jedes zweifelhafte Etablissement. Das Klima der im Untergang begriffenen Weimarer Republik und der Frühphase der braunen Herrschaft bringt Kerr gut rüber. Gunther ist dabei ein Prototyp für den Berliner dieser Zeit. Die Zeitsprünge sind zunächst etwas holperig, aber man gewöhnt sich im Laufe des Buches daran. In der Rückschau aus dem Jahr 1954 wird so manches auch verklärt, und die Irrungen und Wirrungen der Weltpolitik nach dem Krieg tragen zur Desorientierung des Protagonisten ihr Gutteil bei.

Das Buch ist kein ganz großer Wurf, aber eine solide erzählte Geschichte. Es geht dabei nicht um einen speziellen Kriminalfall, sondern der Leser begleitet Bernhard Gunther auf verschiedenen Abschnitten seines bewegten Lebens. Spannung wird vor allem im Zusammenhang mit der persönlichen Sicht des Protagonisten erzeugt, und die Schilderung seiner Sichtweise der Ereignisse sorgt dafür, dass man neugierig auf die Fortsetzung wird. Insofern ist das Buch von Philipp Kerr ein durchaus ungewöhnlicher Thriller – und damit wohl auch nicht nach dem Geschmack eines jeden Lesers. Gespannt sein darf man allerdings, ob es angesichts des überraschenden Endes eine weitere Fortsetzung der Reihe geben wird.

Mission Walhalla

Philip Kerr, Wunderlich

Mission Walhalla

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