Der Leopard

  • Hörbuch Hamburg
  • Erschienen: Januar 2010
  • 72
  • Århus: Modtryk, 2009, Titel: 'Panserhjerte', Seiten: 634, Originalsprache
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2010, Seiten: 6, Übersetzt: Burghard Klaußner
  • Berlin: Ullstein, 2011, Seiten: 698
Der Leopard
Der Leopard
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Andreas Kurth
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2010

Genuss für Fans und Neueinsteiger

Kommissar Harry Hole hat seinen letzten Fall nicht verkraftet. Zu nahe ist ihm und seiner Familie der "Schneemann" gekommen ein Serienkiller, den Hole am Ende doch zur Strecke gebracht hat. Seine Frau ist mit ihrem Sohn außer Landes gegangen, Harry hat sich beurlauben lassen. Seit sechs Monaten ist er in Hongkong, hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, die chinesische Mafia ist ihm auf den Fersen, um Wettschulden einzutreiben. Gleichzeitig erschüttert Oslo eine Serie grotesk-grausamer Morde. Die junge Kommissarin Kaja Soulness wird nach China geschickt, um ihn ausfindig zu machen. Sie schafft es, Harry zurückzuholen mit dem Hinweis auf seinen todkranken Vater, dem nur noch wenig Zeit bleibt.

Schon bald wird er immer tiefer in den Fall hineingezogen und muss als Prellbock in einem Streit zwischen der Mordkommission und dem Kriminalamt herhalten. Hole ist oft zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, aber er folgt seiner legendären Spürnase. Der Serienmörder erweist sich als unberechenbar und intelligent. Er arbeitet unter anderem mit einem perfiden Mordwerkzeug, das lautlos und quälend langsam tötet. Die Spuren führen Harry und seine Mitstreiter an einen See östlich von Oslo und zu einer einsamen Hütte im norwegischen Hochgebirge. Dort muss es einen Vorfall gegeben haben, der die Mordserie ausgelöst hat. Aus dem Gästebuch der Gebirgshütte ist die entscheidende Seite herausgerissen die Todesliste für den Mörder. Die Schlinge um den Hals des Killers beginnt sich langsam zuzuziehen. Er spielt jedoch weiter seine Spielchen mit der Polizei. Nach zwei Dritteln des Buches scheint der Fall gelöst aber nun geht es erst richtig los, und die Handlung gewinnt an Dynamik und Dramatik.

Jo Nesbo bietet seinen Lesern nicht nur einen Einblick in die norwegische Seele, sondern vor allem in die Tiefen der menschlichen Psyche. Es geht um Macht, Geld und Einfluss. Und um Demütigungen in der Jugend. Denn die eigentlichen Ursachen für die Morde liegen viel tiefer und weit in der Vergangenheit. Neben der Jagd nach dem brutalen Killer gibt es einige Nebengeschichten in der Handlung, die die Lektüre noch reizvoller machen.

Da sind die Kompetenzstreitereien zwischen dem Morddezernat und dem Kriminalamt. Das Amt eine Art norwegisches Bundeskriminalamt - will den Fall an sich ziehen. Mikael Bellmann ist nach einem Auslandsaufenthalt im Kriminalamt aufgestiegen, und will - von Ehrgeiz zerfressen die Lorbeeren im Fall des neuen Serienkillers für seine Truppe einheimsen. Deshalb ist ihm Harry Hole mehr als ein Dorn im Auge. Hole nimmt man jederzeit ab, dass es ihm um die Lösung des Falles geht, nicht um Ruhm und Ehre. Bellmann dagegen ist ebenso Macht-besessen wie eiskalt. Er setzt sogar einen Maulwurf in Holes kleines Team. Der Ermittler braucht lange, um dahinter zu kommen, schließlich hat er wichtigeres zu tun. Diese Reibereien ziehen sich als Nebenhandlung durch das gesamte Buch mit einem überraschenden Ausgang.

Der Leser schlägt sich innerlich schnell auf die Seite des eigenwilligen Ermittlers, der sein vermeintliches Loser-Image mit coolen Sprüchen und einem messerscharfen Verstand kompensiert. Und der seine ganz menschliche Seite im Umgang mit seinem sterbenden Vater zeigt eine weitere Nebenhandlung. Hole wird hier als nachdenklicher Mensch gezeigt, der angesichts des nahenden Todes seines Vaters über das eigene Leben und den Umgang mit seinem Erzeuger nachdenkt. Der Vater will ständig mit Harry über dessen Mutter reden und gerade das geht Hole offenbar auf einen empfindlichen Nerv.

Es mag überraschende Wendungen, neue Fakten oder Verdächtige geben - Harry macht während der Ermittlungen immer wieder Abstecher in das Krankenhaus, und nutzt die Stille am Bett seines schlafenden Vaters zum Nachdenken. Eine ungewohnte und überraschende Ader des coolen Gangster-Jägers, die ihn noch sympathischer macht.

Und dann ist da noch Katrine Bratt, mittlerweile freiwillige Patientin in einer psychatrischen Klinik. Gleichzeitig die beste Internet-Rechercheurin, die Harry Hole kennt und der er vertrauen kann. Der Ermittler besucht die Kollegin, die im Schneemann-Fall eine besondere Rolle spielte, und überredet sie zur Mithilfe. Mehrfach hilft sie ihm entscheidend weiter. Auch diese Kooperation ist so eine Spezialität von Hole, die man bei anderen Ermittlern nicht erwarten würde.

Wer sich beim Lesen (oder hören) zu lange Zeit lässt, kann schon mal Probleme mit den Personen und der verwirrenden Handlung bekommen. Provinz-Polizisten, neue Verdächtige, es geht recht rasant zu, und dann gibt es wieder ruhigere Phasen. Dieser stets überraschende Wechsel macht unter anderem den Reiz des Buches aus.

Verwirrend für den Leser bleibt während der gesamten Story die Suche nach dem Motiv des Mörders. Auch routinierte Krimi-Leser dürfte ihre Probleme und damit wohl auch ihren spaß beim Nachdenken über dieses Thema haben. Als Harry endlich alle losen Enden richtig verknüpft hat, kommt es in Ruanda zu überraschenden Showdown. Harry muss innerhalb von Sekunden eine folgenschwere Entscheidung treffen. Das dramatische Finale ist nichts für schwache Nerven, sorgt aber für Gänsehaut an einem lange Lese-Abend.

Ein packendes Buch, mit einem Autor in Höchstform. Charaktere, Schauplätze und Dialoge sorgen dafür, dass beim Lesen keine Langeweile aufkommt. Dabei geht es nicht nur um einen brutalen Serien-Mörder, sondern auch um die Spätfolgen einer psychischen Demütigung, um Macht und Ehrgeiz, um menschliche Abgründe. Ein Genuss für Fans des skandinavischen Krimis, aber auch ein Schmankerl für Neueinsteiger.

Der Leopard

Jo Nesbø, Hörbuch Hamburg

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