Schwarze Trüffel

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1999
  • 6
  • London: Faber, 1998, Titel: 'A long finish', Seiten: 249, Originalsprache
  • München: Goldmann, 1999, Seiten: 347, Übersetzt: Martin Hielscher
  • München: Goldmann, 2001, Seiten: 347
Schwarze Trüffel
Schwarze Trüffel
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Peter Kümmel
83°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Angehmer Schreibstil und ungewöhnlicher Protagonist

Aurelio Zens sechster Fall ist für mich die erste Begegnung mit Michael Dibdins Protagonisten, und selten hat mich ein Serienermittler auf Anhieb mehr überzeugt als der Kommissar aus Rom, der aufgrund eines ungewöhnlichen Spiezialauftrags im Piemont ermittelt. Gerade die Unberechenbarkeit von Zen ist es, die den Charakter so faszinierend macht. Bei ihm muß man immer mit einer Überraschung rechnen. Sei es ein cholerischer Ausbruch, wo überhaupt kein Grund dazu besteht, Einfühlsamkeit, wo jeder andere ausgerastet wäre oder die eine oder andere Lüge, wenn sie denn zur Aufklärung des Verbrechens beiträgt.

Aurelio Zen schwankt oftmals zwischen Held und Antiheld. Dadurch, dass Zens Äußeres kaum beschrieben wird, bleibt genügend Spielraum für die eigene Phantasie, sich selbst ein Bild des Kommissars zu entwerfen.

Endlich mal nicht der verbreitete 08/15-Stil

Durch seine unaufgeregte Schreib- und präzise Ausdrucksweise ist der britische Autor für mich überaus angenehm zu lesen, was nicht unbedingt voraussetzt, dass es keine Leser gibt, die mit seiner Schreibe nicht so zurechtkommen. Zumindest kriegt man hier nicht diesen mittlerweile ziemlich verbreiteten 08/15-Stil vorgesetzt.

 

"Ihr Schweigen hielt an, als sie wieder im Weinkeller waren. Es war nicht jenes leere Schweigen, das bleibt, wenn alles gesagt ist, es war aber auch nicht jene entspannte Stille, die Intimität und Vertrautheit voraussetzt und jedes Wort überflüssig macht. Ihr Schweigen war angespannt, voll unausgesprochener Gedanken, Tatsachen und Meinungen, auf die nicht angespielt wurde, eine gegenseitige Zurückhaltung gegenüber Dingen, die besser ungesagt blieben."

 

Schwarzer Trüffel bietet einen Plot, der sich trotz seiner Einfachheit keinem vertrauten Schema anpasst. Obwohl sehr distanziert geschrieben gelingt es Dibdin, Landschaft und Charaktere treffend darzustellen. Das ein oder andere Bonmot wird dazwischen passend plaziert.

 

"Für den Sammler zählen einzig und allein die Auswahl und die Vollständigkeit. Es ist eine fast ausschließlich männliche Obsession, ein Ausdruck unseres Drangs, die Welt zu beherrschen."

 

Darüber hinaus beweist er einen Sinn für subtilen Humor, der seiner Story die richtige Würze gibt. Sehr amüsant, wie Zen im unfreiwilligen Haschischrausch ein Mordopfer vor der Einäscherung bewahrt. Nicht nachvollziehen kann ich jedoch, wieso "der Strunk eines Knoblauchs entfernt an die menschliche Schambehaarung erinnert".

Ein Regisseur sorgt für Aurelio Zens Versetzung

Die Story soll natürlich nicht unerwähnt bleiben: Das Mordopfer ist der reiche Weinbauer Aldo Vicenzo, der mitten in seinen Weinbergen getötet wurde. Und einen Verdächtigen gibt es auch bereits: sein Sohn Manlio, der am Abend vor dem Verbrechen einen heftigen Streit mit seinem Vater hatte, wird in Untersuchungshaft genommen.

Sehr verquer sind die Wege, über die nun Aurelio Zen als Spielball einflußreicher Persönlichkeiten in den Fall involviert wird. Ein bekannter Regisseur und Weinliebhaber spekuliert nun ausgerechnet auf Vincenzos Jahrgangswein, der ein ganz besonderer hätte werden sollen. Doch wer produziert diesen nun, wo Vincenzo tot ist und sein Sohn im Gefängnis sitzt. Dieser einflußreiche Regisseur sorgt nun dafür, dass Zen unter Androhnung einer Versetzung nach Sizilien statt dessen im Piemont ermitteln muß, um den Verdächtigen aus dem Gefängnis frei zu bekommen.

Zens Ankunft in dem Weinbaugebiet steht unter keinem günstigen Stern. Von Krankheit gezeichnet quält er sich in seinem schlechten Hotel und leidet unter Alpträumen. Mysteriöse Hinweise bringen ihn schließlich zu einer geheimnisvollen Fremden.

Drei geheimnisvolle alte Weinbauern

Häufige Perspektivwechsel sorgen dafür, dass man als Leser, nachdem Verwirrungen zu Beginn durch erste gezogene Verbindungen beseitigt wurden, Einblicke bekommt, die Dibdins Protagonisten zunächst verborgen bleiben. Nur über drei alte Herren scheint die Lösung des Falles zu führen: die Brüder Gianni und Maurizio Faigano sowie deren Freund Minot. Alte Weinbauern, die es mit den Gesetzen nicht ganz so genau nehmen. Wirken allgemein die Charaktere gut herausgearbeitet und lebendig, so ist die Beschreibung dieser alten Herren dem Autor ganz besonders gut gelungen.

Obwohl man als Leser von Anfang an einen Wissensvorsprung vor dem Ermittler hat, bleiben doch noch genügend Fragen offen. Außerdem hat man Vergnügen daran, zu beobachten, wie Zen offensichtlich die falschen Schlüsse zieht. Oder ist man sich vielleicht doch zu sicher, selber die richtigen Schlußfolgerungen getroffen zu haben?

Nun, der Fall wird schließlich aufgeklärt. Doch ganz zu Ende ist er damit nicht.

Schwarze Trüffel

Michael Dibdin, Goldmann

Schwarze Trüffel

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