Wallanders erster Fall und andere Erzählungen

  • Zsolnay
  • Erschienen: Januar 2002
  • 41
  • Stockholm: Ordfront, 1999, Titel: 'Pyramiden', Originalsprache
  • Wien: Zsolnay, 2002, Seiten: 477, Übersetzt: Wolfgang Butt
  • München: dtv, 2004, Seiten: 425
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2005, Seiten: 3, Übersetzt: Ulrich Pleitgen, Bemerkung: gekürzt
  • München: dtv, 2010, Seiten: 425
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2007, Seiten: 3, Übersetzt: Ulrich Pleitgen, Bemerkung: gekürzt
Wallanders erster Fall und andere Erzählungen
Wallanders erster Fall und andere Erzählungen
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Lars Schafft
43°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Gut, dass jetzt Schluss ist!

Acht Fälle musste Kurt Wallander bewältigen, kämpfte gegen Axt-schwingende Heranwachsende, brutalst-möglich mordende Frauen und hackende Turbo-Anti-Kapitalisten, bis ihn Autor Henning Mankell in den verdienten literarischen Ruhestand schicken wollte. Für alle, die wissen möchten, wie der schwedische Kommissar der wurde, der er nach all den aufgeklärten und nichtgelösten Verbechen ist, hat Mankell "Wallanders erster Fall und andere Erzählungen" geschrieben. Eine Sammlung von Kurzgeschichten, angefangen mit Wallanders wirklich erstem Fall im zarten Alter von 21 Jahren bis hin zum Einstieg in den ersten Wallander-Krimi Mörder ohne Gesicht gute zwangig Jahre später. Ein Rückblick auf das Davor, der Versuch einer Erklärung: Wallander Episode I - und wie bei Star Wars ist die kritische Frage angemessen, ob dieses Buch seine Berechtigung hat.

Nachdem ich den Kommissar aus Ystad von den dänischen Stränden bis in die baltischen Staaten gefolgt bin, mit ihm gelitten, mit ihm gefiebert und ihn manchmal auch verteufelt habe, darf ich jetzt den Werdegang des Kurt W. verfolgen.

Tölpelhaft und unbeirrbar

Ich darf ihn begleiten in seinem ersten Fall - noch als Streifenpolizist - und zusehen, wie er sich zwar töpelhaft aber unbeirrbar, der Erklärung seines ermordeten Nachbarn nähert, und sich so für den Dienst bei der Kripo empfiehlt, aber auch fast erstochen wird.

Ich darf ihn auch am Heiligabend auf eine Routine-Streife folgen, wo er von einem Schwarzafrikaner zusammengeschlagen und Zeuge dessen verzweifelten Selbstmordes wird. Ich stürze mich mit Wallander in die Abgründe der schwedischen Gesellschaft, in der jeder noch so anonym, unscheinbar und klein wirkende Bürger wenn nicht eine Leiche im Keller, dann zumindest dunkelste Flecken in seiner Vergangenheit aufweist.

Nebenbei zofft sich Wallander fortwährend mit Freundin Mona und seinem immer eigenartiger werden "Alten Herrn", macht Karriere, wird schwermütiger, heiratet, wird Vater, trennt sich von Mona und scheitert an einfachsten Aufgaben, wie seine Wäsche gewaschen zu bekommen. Er löst seinen Vater aus einem ägyptischen Gefängnis frei, nachdem dieser auf die Cheops-Pyramide geklettert ist. Und er klärt auf, dass Heroin und Garn gar nicht so weit voneinander entfernt liegen, wenn es um ökonomische Aspekte geht.

Mankell bleibt der Antwort auf zahlreiche Fragen schuldig

Dies schildert Mankell alles im Zeitraffer und bleibt der Antwort auf zahlreiche Fragen somit schuldig. Alles, wirklich alles, ist genau so wie im ersten Wallander-Krimi Mörder ohne Gesicht wie im letzten Die Brandmauer. Wallander macht zwar seine Erfahrungen, doch entwickelt er sich vom Charakter her nicht weiter. Es ist alles einfach so und war es auch schon immer.

Woher sein Hang zum Schwermut kommt? Warum trennte sich Mona wirklich von ihm? Wie begründen sich Wallanders Sympathien für seinen Kollegen und Lehrmeister Rydberg? Wieso werden gerade die einschneidenden Momente in Wallanders Leben nicht beschrieben? Seine Heirat? Nebenbei erwähnt. Die Geburt seiner Tochter? Ist irgendwann passiert. Die Scheidung? War schlimm, aber vorbei. Und gerade das Verhältnis zwischen Wallander und dessen Vater schildert Autor Mankell sogar widersprüchlich, aber ohne Erklärungsversuche.

Mankell schreibt, wie Wallander ist. Schwierige Dinge schiebt er auf die lange Bank - oder noch schlimmer - übergeht sie wegen ihrer Komplexität.

Das Buch bietet in dieser Hinsicht also nur Ansätze, gibt Fingerzeige, wo es einen klaren Blick schaffen sollte. Wer Mankell mag, wird mit "Wallanders erster Fall" krimi-technisch wie gewohnt bedient, obwohl manche Fälle doch arg bekannt vorkommen. Es fehlt oft der Aha-Moment, die Antwort auf die Frage nach dem "warum", zu trivial scheinen die Motive.

Ganz schlimm: Der Autor ist berechenbar geworden

All diese Punkte machen "Wallanders erster Fall" noch nicht zu einer schlechten Sammlung an Kurz-Krimis. Aber: Mankell ist hier etwas passiert, was man keinem Autor wünscht - er ist berechenbar geworden. Nach acht Wallander-Romanen überrascht einen im Grunde nichts mehr und gerade das symbolhafte an Mankells andauernden Wetterbeschreibungen, erzielt beileibe nicht mehr die gleiche Wirkung wie in den anderen Romanen des Schweden.

 

"Zehn Minuten nach fünf. Nieselregen. Böiger Wind aus Südwest."
- Wieder eine Leiche.
"Es nieselte. Das Thermometer zeigte vier Grad über Null. Noch war der Frühling in weiter Ferne."
- Wallander ermittelt.
"Es war windig und regnete. Die Straßenlaterne schwankte im Wind."
- Wallanders schlechte Laune hält an.

 

Es ist gut, dass jetzt Schluss ist mit Wallander. Dieses Buch war genau eins zuviel und verfehlt seine Intention nahezu komplett. Bleibt nur zu hoffen, dass es Mankell in seiner neuen Serie um Wallanders Tochter Linda gelingt, wieder Überraschungsmomente zu präsentieren und von eingetretenen Pfaden abzuweichen.

 

"´Das ist alles´, sagte er. ´Das ist alles was wir getan haben´. Dann drehte sich Wallander um und ging hinunter zum Strand. Nach kurzer Zeit hatte der Nebel ihn verschluckt."

 

Wallanders erster Fall und andere Erzählungen

Henning Mankell, Zsolnay

Wallanders erster Fall und andere Erzählungen

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