Colin Cotterill

»Wo in Afrika liegt Laos?«

09.2008 Das wird Colin Cotterill, Autor des Überraschungs­erfolg Dr. Siri und seine Toten, oft gefragt. Was ihn auf die Idee zu seiner Krimi-Serie brachte, was Laos-typische Verbrechen sind und warum er sich selbst für altmodisch hält, erzählte er Lars Schafft.

Krimi-Couch: Mr. Cotteril, Dr. Siri und seine Toten ist – für mich ein wenig überraschend – zuerst in den Staaten und nicht in ihrer Heimat England erschienen. Wie kam es dazu?

Colin Cotterill: Ich war lange nicht mehr in England, ich habe in Thailand gelebt, als ich das Buch schrieb. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits drei Bücher in Thailand veröffentlicht, auf Englisch. Allerdings ist der Markt dafür sehr klein, jedes hat sich jeweils 11 mal verkauft. Bei meinem vierten, dem Dr. Siri-Roman, habe ich mir dann Zeit genommen, und mich dazu entschieden, dieses Mal mehr Leser zu finden.

Ich wusste da nicht viel über Krimis, habe auch selbst keine gelesen. Für mich war es dann einfach der logischste Weg, es in Amerika auf den Markt zu bringen. Ich habe praktisch jeden Agenten in Nordamerika mit einer Kurzzusammenfassung zugebombt – und einen habe ich damit getroffen. Er bat mich, im das Manuskript per E-Mail zuzuschicken, was für mich undenkbar war. England hatte ich nicht in Betracht gezogen, weil ich da so lange nicht mehr war. Und alle Kriminalromane, die ich kannte, kamen aus Nordamerika.

Krimi-Couch: Wann haben Sie England verlassen?

Colin Cotterill: Nach dem College, 1976, praktisch direkt danach. Ich wollte die weite Welt sehen, ich war einfach zu lange in England.

Krimi-Couch: Wohin hat es Sie dann verschlagen?

Colin Cotterill: Ich wollte unbedingt so weit weg wie möglich. Mein Ziel war damals Australien. Auf dem Weg dahin machte ich einen Zwischenstop für fünf Monate in Israel, danach dann kurz in Thailand – und habe mich in Südostasien verliebt. Darauf dann nach Australien und eigentlich wollte ich mich nach England zurückarbeiten, das hatte ich auf jeden Fall vor. Aber das ist nicht passiert, ich bin nie zurückgekehrt.

Krimi-Couch: Der Dr.-Siri-Roman spielt in Laos – haben Sie da auch gelebt?

Colin Cotterill: Insgesamt habe ich vier Jahre dort gelebt. Ich wohnte damals in Thailand und von dort ist es sehr einfach, nach Laos zu kommen. Vier Jahre war ich in Laos, zwei in Vientiane und zwei im Süden. Ich kehre aber immer wieder für kürzere Trips zurück.

Krimi-Couch: Beruht das, was wir in Dr. Siri lesen, also vor allem auf Ihren eigenen Erfahrungen vor Ort?

»Unterm Strich beruht das Buch sehr wenig auf meinen eigenen Erfahrungen.«

Colin Cotterill: Nein, eigentlich nur sehr wenig. Ich kam erst nach Laos, als sich die Lage dort geändert und beruhigt hatte. Sie war nicht mehr so spannungsgeladen wie in früheren Zeiten. Das Buch basiert zum einen auf den Erlebnissen von Laoten, mit denen ich in Australien gearbeitet hatte. Ich habe dort Flüchtlinge unterrichtet, welche aus Osteuropa, aber auch aus Südostasien, die im wahrsten Sinne nach Australien geflohen sind. Ich habe viele laotische Familien kennengelernt, mit ihnen Freundschaft geschlossen, und viel darüber erfahren, wie es in Laos war, bevor die Kommunisten die Macht übernahmen. 1990 hatte ich dann selbst die Möglichkeit, nach Laos zu reisen und dort unter der Herrschaft der Kommunisten zu arbeiten. Ich kannte dann also beide Seiten der Lage in Laos. Ich habe alleine über 200 Stunden Interviews mit Laoten im Land selbst auf Kassette aufgenommen. Unterm Strich beruht das Buch also sehr wenig auf meinen eigenen Erfahrungen.

Krimi-Couch: Hat sich Laos nach den Kommunisten positiv entwickelt? Ich meine: Die Situation in Ihrem Buch unter den Kommunisten ist ja nicht so schlimm, wie man erwarten hätte können.

Colin Cotterill: Alles, was nicht Krieg ist, ist eine Verbesserung. Bis 1973 stand das Land im Krieg, mit den Franzosen, untereinander, mit den Kommunisten und dann war es das erste Mal, dass Laos den Frieden kennengelernt hatte. In diesem Sinne war das Mismanagement der kommunistischen Führung nicht das allerschlechteste. Die Laoten, die Ärger mit den Kommunisten befürchteten, flohen aus dem Land, es war einfach, aus Laos herauszukommen. Diejenigen, die im Land blieben, wollten der neuen Regierung dann eine Chance geben. Die Situation war ungemütlich, aber nicht unangenehm. Nicht wie in Kambodscha unter Pol Pot. Die Menschen wurden nicht schikaniert, nur weil sie Lehrer, Akademiker oder Beamte waren. Wenn man freiwillig in Laos bleiben wollte, wurde man nicht von der Regierung verfolgt.Aber: Viele Royalisten, insbesondere Polizisten und Soldaten, fanden sich nach der Machtübernahme für bis zu zehn Jahre in Umerziehungslagern wieder. Allerdings wohl nur, wenn die Regierung einen Verdacht gegen sie hegte.

Krimi-Couch: Was war Ihre ursprüngliche Idee, über Laos zu schreiben? Und nicht zum Beispiel über Thailand?

Colin Cotterill: Es gab ja schon einige Autoren, die über Thailand geschrieben haben. Alles, was ich aber über Laos und die Laoten gelesen hatte, versetzte die Einwohner in die Rolle der Opfer, feindlicher Soldaten oder allgemein in die von Menschen im Hintergrund. Der Fokus lag da immer auf westlichen Charakteren, auf dem amerikanischen Soldaten mit Maschinengewehr, wie er durch die Landschaft streift. Ich hatte also noch keine Literatur gelesen, die die Laoten wirklich als laotische Menschen darstellte, als solche mit Persönlichkeit, Charakter und Humor. Ich wollte also über Laos schreiben, weil es so noch keiner gemacht hatte.

»Ich wollte über Laos schreiben, weil es so noch keiner gemacht hatte.«

Krimi-Couch: A propos Humor: meiner Ansicht nach das wichtigste Schlagwort für Ihren Roman. Wie passen Humor und die Lage unter einem kommunistischen Regime zusammen?

Colin Cotterill: Humor und Kommunismus passen natürlich eigentlich nicht allzu gut zusammen. Aber was ich in Laos und ganz Südostasien festgestellt habe: Die Menschen dort überspielen ihre Unannehmlichkeiten durch Humor. Wenn ein Ausländer einen Laoten oder einen Thai mit etwas negativem konfrontiert, ist dessen erste Reaktion zu lächeln oder zu lachen. Viele Leute schaffen es mit dem Terror und dem Horror des täglichen Lebens umzugehen, in dem sie es leicht nehmen, Witze darüber machen. Überhaupt haben die Laoten eine sehr lockere, humorvolle Beziehung untereinander. Die Laoten sind immer aufrichtig, das Lächeln ist insofern ihre ganz natürliche Art, mit Peinlichkeiten umzugehen.

Krimi-Couch: Kennen Sie Christopher G. Moore?

Colin Cotterill: Ja! Ich habe noch kurz mit ihm gesprochen, bevor ich abgereist bin.

Krimi-Couch: Er hat ja The Language of the Heart (»Die Sprache des Herzens«) geschrieben, ein Buch über die Probleme von Westlern, die Thai zu verstehen. Hatten Sie mit der Kommunikation anfangs auch Probleme? Oder woher wussten Sie, wann die Leute das, was sie sagten, tatsächlich auch ernst meinen?

Colin Cotterill: Zuerst muss man natürlich die Sprache beherrschen, zumindest zu einem zufriedenstellenden Level. Als ich damals nach Laos kam, konnte ich Thai. Es ist dort nicht wie in Amerika, wo man schnell neue Freundschaften schließt, jemanden am Flughafen trifft, der einem sofort seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Es ist eher englisch: Es dauert eine ganze Zeit, bis man weiß, woher jemand kommt, was er denkt. Du bist schließlich ein Fremder. Freundschaften in Laos oder Thailand zu schließen ist ziemlich genau so wie in England, es dauert, bis Du weißt, ob er aufrichtigt ist und ob er das sagt, was er denkt. Dafür muss man im Land leben und in der Sprache bewandert sein.

Krimi-Couch: Haben Laoten Ihr Buch auch gelesen?

Colin Cotterill: Ich habe zwei Freunde in Laos, denen ich die Manuskripte zuschicke und die sie durchlesen, wenn sie Zeit dazu haben. Es gibt aber nicht so etwas wie eine Lesekultur dort. Ein normal langes Buch zu lesen, ist für den Laoten schwer, auch für Akademiker an den Universitäten. Dazu fehlt ihnen der Hintergrund. Deswegen bekommen meine Freunde dort auch nur Auszüge meiner Bücher um Fakten und Charaktere zu überprüfen. Es gibt aber drei Leute, die meine Manuskripte regelmäßig bekommen und die sie aus reinem Vergnügen lesen. Zwei davon leben in Nordamerika, einer, dessen Familie in den 70ern geflohen ist und eine weitere, die Laos erst kürzlich verließ, da sie einen Amerikaner geheiratet hat. Der dritte lebt in Laos, wurde allerdings im Ausland ausgebildet. Die drei geben mir Feedback, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin. Dazu bekomme ich welches von Auswanderern, die jetzt in Laos leben. Sie finden das gut, weil ich immer sehr gewissenhaft mit Laos und seiner Kultur umgehe.

Krimi-Couch: Sagen die auch, dass es eine gute Idee ist, Laos zurück in den Fokus zu bringen?

»Laos war eigentlich nie wirklich im Fokus, es war immer ein Nebenschauplatz von Vietnam.«

Colin Cotterill: Laos war eigentlich nie wirklich im Fokus, es war immer ein Nebenschauplatz von Vietnam. Und als der verschwand, vergaß man Laos auch schnell wieder. Es kommt oft vor, dass mich die Leute fragen, wo in Afrika Laos liegt.Von Laos haben die Menschen eigentlich nie richtig Kenntnis genommen. Aber ich kenne einige, die gerade aufgrund meiner Bücher dort hin gefahren und den Handlungssträngen hintergereist sind. Ich glaube, das ist ein neuer Trend, Krimis zu lesen und dann an die Schauplätze zu fahren, da immer mehr Krimis an exotischen Orten angesiedelt sind.

Krimi-Couch: Sind Krimis mit exotischen Schauplätzen nicht eh ein Trend, vielleicht sogar noch mehr in Europa denn in den Staaten?

Colin Cotterill: Man kann sich ja praktisch das Land aussuchen, es gibt überall irgendjemanden, der darüber schreibt. Es sind praktisch keine Orte mehr übrig, an denen man noch einen Krimi ansiedeln kann [lacht].

Krimi-Couch: Sie haben eingangs gesagt, dass Sie eigentlich gar nicht so Krimi-bewandert sind. Warum dann dieses Genre für Ihre Bücher?

Colin Cotterill: Vom Schauplatz und den Charakteren her hätte ich sicherlich jedes Genre auswählen können. Was ich ja eigentlich vorhatte, war, die Bücher zu verkaufen, Geld damit zu verdienen.Und der Krimi war das einzige Genre von dem ich wusste, dass damit Geld zu verdienen ist. Als ich dann einmal den Krimi als sehr eigenständiges Genre gesehen hatte, musste ich feststellen, dass man auf Krimiautoren herab schaut. Das war mir vorher gar nicht so bewusst geworden.

Krimi-Couch: Schaut man auch auf Sie persönlich herab?

Colin Cotterill: Nicht auf mich direkt, dafür mische ich mich zuwenig unters Volk, lebe ja in Thailand. Das ich mich mit anderen Autoren treffe, ist eher selten. Ich war mal beim Hongkong Writing Festival, vier Krimiautoren hatte man eingeladen und die auf den Veranstaltungen immer beieinander gehalten.Ging man dann zu einer anderen und hörte, wie die »ernsthaften« Schriftsteller über Krimiautoren redeten, wusste man: Will man lernen, wie man ein Buchschreibt, geht man zu denen. Die Krimiautoren sind irgendwo da hinten.

Wenn man nicht gerade zu einer Konferenz von Krimiautoren sondern einer allgemeinen geht und sagt »Ich bin Krimiautor«, heißt es dann ganz schnell »Ah, okay ...«

Krimi-Couch: Sie sagten, dass bei Ihnen die Charaktere ganz am Anfang standen. Gab es für die Vorbilder, insbesondere für Dr. Siri?

»Ich wollte eine Hauptfigur, die die Über-70-Jährigen repräsentiert.«

Colin Cotterill: Dr. Siri ist eine Mischung aus zwei, drei Menschen, die ich kenne. Einer davon ist ein Familienvater einer Flüchtlingsfamilie, die ich in Australien traf. Er hatte in Frankreich studiert, ist danach nach Laos zurückgekehrt und stand auf der Seite der Royalisten, wohingegen Dr. Siri nach seiner Rückkehr ja auf der Seite der Kommunisten steht. Dieser Mann ist einer der Vollbilder, er lebt im Süden von Laos. Aber es gibt eben noch weitere.

Das Alter hatte ich aber eigentlich vor den Charakteren geplant. Ich wollte eine Hauptfigur, die die Über-70-Jährigen repräsentiert.

Krimi-Couch: Warum?

Colin Cotterill: Ich komme nicht oft nach England, doch wenn, treffe ich mit mit meiner Mutter und meinem Vater, die aber nicht mehr zusammen sind. Mein Vater ist 84, klettert die Dächer hoch und repariert den Schornstein, wechselt Autoreifen. Er ist fitter und gesünder als ich jemals sein werde! Meine Mutter ist 82, geht am Wochenende Tanzen und ist aktiver als irgendwer in meinem Alter. Bei einem meiner Besuche dachte ich dann: Diese Altersgruppe ist absolut unterrepräsentiert in der Belletristik. Wenn eine Oma in einem Buch vorkommt, dann meistens im Rohlstuhl oder mit Krückstock und als Nebencharakter. Eine über 70 Jahre alte, aktive und intelligente Hauptfigur, kommt äußerst selten vor. Das Alter stand also schon vor dem Buch fest.

Krimi-Couch: Kommen wir auf Dr. Siris Träume zu sprechen …

Colin Cotterill: Das war ein weiterer Punkt, weswegen ich dachte, nicht wirklich ins Krimigenre zu passen, weil ich damit Regeln breche. Ich war überrascht, als dann das erste Buch, Dr. Siri und seine Toten, für den Dagger nominiert wurde. Das war sehr mutig von der Jury, weil sie damit zugab, dass es erlaubt ist, das Übernatürliche im Krimi zu verwenden, um Verbrechen aufzuklären. Davor war das alles sehr reglementiert: Geister durften nicht vorkommen, keine übersinnliche Wahrnehmung – nur die Ermittlungsarbeit. Mit dieser Entscheidung haben die Juroren das Genre ein wenig geöffnet.

Ich breche allerdings auch keine Regeln im engeren Sinne, die Verbrechen werden bei mir nicht durch einen Austausch mit den Toten aufgeklärt.Wenn man in Südostasien lebt, ist es aber unmöglich, um das Übernatürliche herumzukommen. Bevor die Menschen hier ein Haus bauen, fragen sie bei den Landgeistern um Erlaubnis. Bevor man eine wichtige Entscheidung trifft, schaut man, ob dazu ein geeigneter Tag sei. Geister gehören in Südostasien zum Alltag, besonders in Laos und noch mehr, je weiter man die Städte verlässt und aufs Land geht. Es gibt in den Dörfern Schamanen, die als Ärzte, Seelenheiler und als Problemlöser tätig sind. Es wäre unglaubwürdig gewesen, hätte ich ein in Laos angesiedeltes Buch geschrieben, dass nichts mit Sprituellem zu tun gehabt hätte.

Krimi-Couch: Ich bin in Ihrem Buch über einige Zeilen gestolpert, die für mich voller Weisheit klangen …

Colin Cotterill: Das mache ich manchmal [lacht]

Krimi-Couch: Ich meine eine Art komische Weisheit, z.B. »Männer sind zweidimensionale Wesen mit spezifischen dreidimensionalen Vorlieben«. Stammt das von Ihnen?

»Nach einer Weile hat Dr. Siri selbst das Buch geschrieben.«

Colin Cotterill: Nach einer Weile hat Dr. Siri selbst das Buch geschrieben, ich habe nur den Stift gehalten. Die Philosophie ist seine Aufgabe. Ich habe erst nach der Hälfte des Buches festgestellt, dass Siri meine Arbeit übernommen hatte …

Krimi-Couch: Das macht die Sache einfach …

Colin Cotterill: Ja! [lacht]

Krimi-Couch: Es gibt derzeit vier Siri-Romane …

Colin Cotterill: Sechs schon. Der fünfte erscheint im nächsten Monat in Nordamerika, den sechsten habe ich bereits geschrieben und wird nächstes Jahr erscheinen.

Krimi-Couch: Können Sie ein bisschen etwas davon verraten, wie es weitergeht? Ganz allgemein?

Colin Cotterill: Nun, wie allgemein kann ich bleiben? Zwischen dem ersten und dem sechsten Buch stirbt nur eine der Hauptfiguren, aber ich verrate natürlich nicht, wer das sein wird. Dr. Siri wird mehr Kontrolle über sein Verhältnis mit der sprituellen Welt gewinnen, ihn schreckt das, was mit ihm passiert, nicht mehr so. Dazu wird Dr. Siri ein paar romantische Erfahrungen sammeln.

Krimi-Couch: Das war in den klassischen Krimis auch eigentlich verboten …

Colin Cotterill: Das ist auch jetzt verboten, insbesondere bei Über-70-Jährigen[lacht]. Wahrscheinlich darf man überhaupt keine Gefühle mehr haben, wenn man älter als 50 ist. Dr. Siri wird auf jeden Fall heiraten, aber dazu kann ich wirklich noch nicht mehr erzählen. Er muss nicht unbedingt lebendig sein, um weiterhin in der Reihe eine Rolle zu spielen. Die Idee ist mir erst kürzlich gekommen – es wäre doch interessant, einen toten Protagonisten zu haben …Das wäre mit Sicherheit das allererste Mal [lacht]

Krimi-Couch: Wie werden Dr. Siris weitere Fälle aussehen?

Colin Cotterill: Es wird einen interessanten Fall mit einem Serienmörder geben, der Frauen heiratet und die daraufhin umbringt. Im Westen funktioniert das Polizeisystem ja so, dass sich die einzelnen Dienststellen untereinander austauschen – in Laos haben die Städte untereinander überhaupt keinen Kontakt. Alles wird auf Papier festgehalten, es gibt keine zentrale Informationsstelle. Wenn wir ein Verbrechen aus dem heutigen Nordamerika ins Laos der 70er-Jahre versetzen, ist das fünfzigmal so schwer aufzuklären. Man kann da nicht einfach zum Hörer greifen und fragen: Haben Sie Informationen über xyz? Oder gibt es einen Fingerabdruck zu xyz in der Datenbank? Man muss da wirklich vor Ort arbeiten,Informationen sammeln. Das macht es für mich zu einem sehr spannenden Schauplatz für meine Krimis, weil ein eigentlich simples Verbrechen im Laos der 70er zu einem sehr komplizierten wird.

Krimi-Couch: Sind das Ihre üblichen Methoden? Sie suchen nach einem Verbrechen und siedeln es in Laos an und schauen, wie es dort gelöst werden würde?

Colin Cotterill: Nicht immer. Es gibt sicherlich einige Verbrechen, die ganz typisch für Südostasien sind, die man in den USA so nicht vorfindet.

Krimi-Couch: Zum Beispiel?

Colin Cotterill: Ein ausgebrochener Bär. Ein wildes Tier, dass die Bewohner einer Stadt anfällt. Dr. Siri und XXX glauben nicht, dass es wirklich um einen Bär handelt – sie können keinen finden, es gibt also keine Beweise. Wahrscheinlich eine Situation, die es so in Downtown Los Angeles nicht gibt [lacht]. Es gibt also ein, zwei Verbrechen, die sehr Laos-typisch sind. Und die Aufklärung entsprechend auch.

Krimi-Couch: Sherlock Holmes haben Sie vorhin erwähnt – an den musste ich bei Ihrem Roman auch denken. Kann man sagen, dass Ihre Krimis ein wenig »old-school« sind?

Colin Cotterill: Ja, kann man. Deswegen habe ich sie in der Vergangenheit spielen lassen. Ich selbst bin auch ein old-school Mensch [lacht]. Ich habe den Westen vor langer Zeit verlassen, ich weiß gar nicht, was sich dort abspielt. Meine Verbindung zu England und Australien liegt zwanzig, dreißig Jahre zurück. Ich könnte gar keinen zeitgenössischen Krimi schreiben, der im Westen spielt. Wie gesagt: Ich bin kein großer Krimileser und müsste meine Kindheitserinnerungen einfließen lassen. Das, was ich damals aufregend fand, vor allem Fernsehserien. Es gab in meiner Kindheit eine Serie von Maigret, ich glaube, die hat mich ziemlich beeinflusst. Ich las nicht viel, liebte aber das Kino und das Fernsehen. Ich mag es, dass man damals nicht die ganze Technik hatte, um Verbrechen aufzuklären. Das ist bei mir hängengeblieben.

Krimi-Couch: Wie erleben Sie England jetzt, wenn Sie so lange nicht in Ihrer Heimat waren?

Colin Cotterill: Ich fühle mich sehr stark als Außenseiter. Aber ich sehe nun Dinge, die ich nie sah, als ich hier noch gelebt hatte. Ich bemerke andere Sachen, nehme Gerüche wahr. Als ich noch in England lebte, hatte ich den Eindruck, dass nichts riechen würde. Jetzt die Bäume, das Gras, die Blumen …die Geräusche …aber auch die Feindlichkeit insbesondere unter den Jüngeren. Ich fühle dies alles nun im Gegensatz zu der Zeit, als ich hier wohnte. Da war das alles nur ein Teil im Hintergrund. Es ist praktisch so, wie wenn Sie nach Laos gingen und Dinge bemerkten, die ich wahrscheinlich nicht mehr beachte.

Ich verbringe jetzt zwei, drei Wochen in England und das ist für mich wirklich ein Lernprozess. Es ist wahrscheinlich in Deutschland ähnlich. England war mal nur für Engländer, jetzt ist es sehr kosmopolitisch. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, die verschiedenen Kulturen, die Mixturen daraus, die Sprachen, zu verstehen. Als ich vom Flughafen mit dem Bus zu meiner Mutter gefahren bin, habe ich innerhalb einer Stunde dreißig verschiedene Sprachen gehört – und das ist England! Das erstaunt mich absolut, weil die Engländer immer so landestreu und stolz waren. Und plötzlich sind sie die Minderheit in ihrem eigenen Land.

Krimi-Couch: Meine letzte Frage: Sie sagte, Sie haben das Buch geschrieben, um Geld zu verdienen. Absolut legitim. Ich glaube aber, da steckt auch eine Botschaft dahinter: Zum einen, dass englischsprachige Leser sich mehr mit Südostasien beschäftigen sollen und zum anderen das Politische. Mir schien es, dass es gar nicht mal schlecht wäre, im Kommunismus zu leben.

Colin Cotterill: Wenn ich die Wahl hätte, würde ich es nicht wollen. Irgendwo im Buch sage ich – sagt Dr. Siri – : »Kommunismus ist das beste System, in dem man leben kann.« Aber weil Menschen eben Menschen sind, ist Kommunismus umöglich. Menschen sind eigennützig. Die Regierenden müssen an das System glauben, wie auch die Bevölkerung daran glauben muss. Sobald Korruption auftritt, fängt man an, die Regeln für sich selbst zu interpretieren und das System bricht sehr schnell auseinander. Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die den Kommunismus am Laufen halten können.
Kommunismus ist ein brillantes Konzept, aber ich glaube nicht eine Sekunde daran, dass es funktionieren könnte.

Das Interview führte Lars Schafft im Juni 2011.

Dr. Drewnioks
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