Schwedenbitter

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2011
  • 3
  • München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 250, Originalsprache
  • München: Knaur, 2013, Seiten: 218, Originalsprache
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Andreas Kurth
86°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Leben und Sterben an der Elbe

Im Hamburger Problem-Stadtteil Wilhelmsburg wird ein amerikanisches Ehepaar tot in seiner Wohnung gefunden. Halb erschlagen, und dann zur Sicherheit auch noch mit dem eigenen Revolver erschossen. Staatsanwältin Chastity Riley und ihr Ermittlungsteam tappen zunächst völlig im Dunklen. Zu allem Überfluss und wie gewohnt hat Chas auch privat wieder einiges an Problemen zu wälzen. Ihre beste Freundin Carla ist schwanger. Und ihr Freund Klatsche will mit seinem besten Kumpel Rocco eine Szene-Bar im Rotlichtbezirk übernehmen, und rückt für ihren Geschmack dadurch wieder viel zu dicht an das kriminelle Milieu heran. Und dann ist da noch ein neuer, echt gut aussehender Kollege bei der Kripo, der Chas verdammt zu schaffen macht. Die Spuren in der Mordsache führen in das Immobiliengewerbe und zur schier allmächtigen Baubehörde und prompt gibt es Ärger von ganz oben. Bis zum überraschenden und ungewöhnlichen Finale haben Leser und Ermittler einiges durchzustehen.

Es gibt nur wenige unter den zahlreichen Regional- oder Lokal-Krimis, die so authentisch sind wie die Chas-Riley-Reihe von Simone Buchholz. Man merkt an ihrer Art zu schreiben, dass sie mit ihrer Familie mitten in Hamburg lebt und dadurch sind ihre Figuren und deren Sprache so echt, wie man es als Auswärtiger kaum hinbekommen würde. Für manchen Leser oder Kritiker dümpelt sie wohl auch zu viel in Sozialromantik herum, aber wer das Hamburger Viertel St. Pauli kennt, weiß ganz genau, dass man einen dort spielenden Roman gar nicht anders schreiben kann. Die Typen passen einfach in den Kiez, und der Kiez gehört zu Hamburg wie die Elbe.

Und dann ist da Chas selbst amerikanischer Vater, Juristin, kann auch mal ein Auge zukneifen. Liebt ihr Viertel, die Stadt und vor allem den kultigen FC St. Pauli. Deshalb sind ihr die Kollegen am liebsten, die eine Totenkopf-Flagge auf dem Schreibtisch haben. Altona 93 wird irgendwie geduldet, HSV geht gar nicht. Aber sowas von. Und irgendwie nimmt man ihr als Leser alles ab, die ganze Haltung, die schnodderige Denke und Sprache - und das als Staatsanwältin. Und das eben untrennbar verknüpft mit immer wieder anklingender Gesellschaftskritik und persönlicher Sozialromantik.

Die derbe und klare Sprache ist dabei immer wieder von amerikanischem Slang durchsetzt was diese Figur noch überzeugender macht. So sind die zwei toten Amerikaner für Chas einfach Rednecks. Und auch ihre persönlichen Probleme und die in ihrem Umfeld spricht sie stets klar und direkt an. Ihre Meinung über den Stadtteil Wilhelmsburg und die dazu gehörende Elbinsel Veddel zeigt der jungen Staatsanwältin unbewusst den Weg zur Lösung des Falles. Wilhelmsburg, südlich der Elbe gelegen, ist ein absoluter Problembezirk. Es gab sogar schon Überlegungen in der Hamburger Politik, das Wohnen auf der Veddel aufzugeben. Und nun ist auch im Hamburger Süden die so genannte Gentrifizierung in vollem Gange wie überall auf der Welt in den großen Städten.

Simone Buchholz greift in ihrem Roman außerordentlich geschickt ein hochbrisantes gesellschaftspolitisches Thema auf, und verknüpft es mit ihrer spannenden Romanhandlung. Die Zusammenhänge sind im Behördenmief und angesichts der falschen Fährten, die von der Autorin gelegt werden, nicht einfach zu erkennen und ich werde hier sicher nicht mehr verraten. Aber inhaltlich hat es dieser rotzig und frech Krimi daher kommenden Roman wirklich kräftig "auf den Rippen". Dazu noch mit Chastity Riley eine Protagonistin, die in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fällt. Und so ist das ganze Buch wie die komplette Reihe - ein höchst spezielles Lesevergnügen. Abseits der eingetretenen Krimi-Pfade, nonkonformistisch im besten Sinne. Diese Art zu schreiben mag Leser und Kritiker durchaus in zwei Lager spalten mir gefällt der Stil von Simone Buchholz jedenfalls ausnehmend gut.

Schwedenbitter

Simone Buchholz, Droemer Knaur

Schwedenbitter

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