Eisnattern

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
  • 4
  • München: Droemer Knaur, 2012, Seiten: 224, Originalsprache
  • München: Knaur, 2015, Seiten: 224, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2012

Prügel-Orgien auf St. Pauli

Staatsanwältin Chas Riley kämpft mit ihrer gewohnten Jahresend-Depression. Mit den Weihnachtsfeiertagen kann sie nichts anfangen, sie ist nun mal kein Familientyp. Nun hat die Personalabteilung sie kurz vor dem Fest auch noch in Urlaub geschickt, und Chas streift ruhelos durch ihren geliebten Stadtteil. Dabei fallen ihr im Karolinenviertel mehrfach Obdachlose auf, die offensichtlich brutal zusammengeschlagen wurden. Chas macht sich so ihre Gedanken, wird aber empfindlich dabei gestört, als ihre verschollene Mutter aus den USA in Hamburg aufschlägt. Da es jedoch weitere Obdachlose gibt, die zum Opfer der unbekannten Schläger werden, intensiviert Chas Riley ihre Nachforschungen sie kann und will es nicht ertragen, dass sich jemand an den Schwächsten der Schwachen vergreift.

Simone Buchholz ist ja inzwischen für ihre Krimis der leisen Töne bekannt. Und auch in Eisnattern gibt es vor allem wieder "Szene pur" der Hamburger Stadtteil St. Pauli spielt zwar keine Haupt-, aber eine der wichtigsten Nebenrollen. Doch auch das Innenleben der sympathischen jungen Staatsanwältin Chas Riley wird ein weiteres Mal nach außen gekrempelt und auch noch ziemlich durcheinander gebracht. Das liegt zum einen am Auftauchen ihrer Mutter, zu der Chas so gar kein Verhältnis mehr hat. Aber auch an ihrem Liebesleben, das rund um die Weihnachtstage etwas in Unordnung gerät. Mehr soll hier allerdings nicht verraten werden.

Die Geschichte aus dem verschneiten Hamburg, die Simone Buchholz in ihrem neuen Roman erzählt, ist anrührend und fesselnd zugleich. Es geht um Verlierer, die sich ihre Würde bewahren wollen. Es geht um verwöhnte Kinder, die noch ihren richtigen Platz im Leben suchen. Die Milieu-Studie, die Buchholz ihren Lesern hier bietet, nutzt den Kriminalroman als Hülle. Und das macht die Autorin überaus gekonnt. Denn es gelingt ihr einmal mehr, authentische Figuren zu zeichnen, die in ihren Romanen immer wieder auftauchen. Aber sie hat auch wieder neue Protagonisten dabei, zeigt neue Facetten des Lebens in diesem Hamburger Kult-Stadtteil. Wer in Hamburg gelebt hat, wird ihre Romane lieben. Wer die Hansestadt an der Elbe bislang nicht kennt, dürfte neugierig auf diese ungewöhnliche Metropole und vor allem auf dieses spezielle Viertel werden. St. Pauli ist nicht einfach nur ein Wohnviertel, oder gar die bekannte Amüsiermeile. St. Pauli ist auch eine Art Lebenseinstellung, und das bringt Simone Buchholz in ihren Romanen einzigartig zum Ausdruck. Ihre Werke sind auch eine Art Hommage an den Stadtteil und seine Bewohner.

Und es ist schon faszinierend, wie die Protagonistin in diesen Tagen rund um Weihnachten, die für viele Menschen mit Problemen behaftet sind, gewissermaßen durch ihr Leben und ihr Umfeld stolpert. Denn trotz aller Rationalität, trotz ihrer Universitätsausbildung und trotz ihres exponierten Berufs hat sie mit diesen besinnlichen Tagen enorme emotionale Probleme. Chas Riley schwankt dabei immer wieder zwischen Rührseligkeit und Entschlossenheit.

Simone Buchholz baut in Eisnattern durchaus auch einen guten Spannungsbogen auf, denn das Rätsel, dem ihre Protagonistin auf der Spur ist, bewegt den Leser und lässt ihn mitfiebern. Es ist ein erfrischend anderer Kriminalroman, bei dem es nicht um perfide Mörder oder brutale Gangster geht. Die Staatsanwältin und ihre "Schäfchen" halten sich in einer Art eigenen Welt auf, die rund um das bekannte Heiligengeistfeld viele Facetten zu bieten hat. Exotisches und Gewöhnliches begegnen sich hier, die Autorin hat genau hingesehen, und vermag es authentisch zu beschreiben. Dennoch dürfte auch dieser Roman von Simone Buchholz die Leser und Kritiker wieder einmal spalten. Den einen wird der kriminalistische Anteil zu gering sein. Ich gehöre zu den anderen, die ihre Bücher einfach für höchst unterhaltsame Literatur halten.

 

Eisnattern

Simone Buchholz, Droemer Knaur

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