Knastpralinen

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • München: Droemer Knaur, 2010, Seiten: 246, Originalsprache
  • München: Knaur, 2012, Seiten: 251, Originalsprache
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Andreas Kurth
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2010

Selbstjustiz nicht frühstückskompatibel

Leichenteile in Plastiksäcken

In Chastity Rileys zweitem Fall knüpft Simone Buchholz nahtlos da an, wo sie in ihrem ersten Buch über die toughe Hamburger Staatsanwältin aufgehört hat. In Ich-Form erzählt Chas von ihrem Leben, Leiden und Arbeiten in der Elb-Metropole. Es ist Sommer in Hamburg, Sankt Pauli leuchtet warm bis unerträglich heiß. Rileys neuer Chef-Ermittler Calabretta ist im Urlaub in Italien, der früh-pensionierte Vorgänger Faller sitzt im Hafen und angelt. Und ausgerechnet jetzt werden in der Billwerder Bucht beim Ausbaggern der Fahrrinne sorgfältig in Plastiksäcken verpackte Leichenteile von zwei Männern gefunden. Es sind immer nur die Hände, Füße und Köpfe der Leichen in dem jeweiligen Sack der Rest fehlt.

Carla wird vergewaltigt

Die Laune der engagierten Staatsanwältin geht richtig in den Keller, als ihre beste Freundin Carla im Keller ihrer Kneipe von zwei zwielichtigen Typen eine Nacht lang vergewaltigt wird. Carla schläft zwei Tage lang, aufmerksam bewacht von Klatsche, Chastitys Nachbar und Teilzeit-Lover, der in letzter Zeit auch Carla näher gekommen war. Chas begleitet ihre Freundin ins Polizei-Präsidium, Phantom-Bilder werden angefertigt aber Priorität haben die Leichenteile aus der Billwerder Bucht. Calabretta ist endlich aus dem Urlaub zurück, zumindest in dieser Hinsicht fällt Chas ein Stein vom Herzen. Und die neu gebildete Sonderkommission bekommt einen knackigen Namen: Soko Knochensäge. Denn die Köpfe der Toten wurden offenbar höchst professionell mit einer Knochensäge vom Rumpf getrennt.

Herrliches Erzählkino

"Knastpralinen" ist wunderbares Erzählkino. Durch die Ich-Form blickt der Leser nicht nur Chastity ständig über die Schulter, sondern bekommt auch ihren Blick auf die Stadt und deren Menschen vermittelt. Im Kino würde man sagen Chas spielt die anderen Figuren glatt an die Wand. Aber dennoch haben Faller, Carla und vor allem Klatsche ihre ganz eigene Funktion für die Geschichte. Der pensionierte Faller ist eine Art Rettungsanker für die junge Staatsanwältin, sie holt sich Tipps bei ihm, wenn sie nicht recht weiter weiß - auch gemeinsam mit Calabretta, als dieser wieder da ist. Carla kommt in ihrer Rolle als beste Freundin diesmal zu kurz, schließlich hat sie selbst genug eigene Probleme. Aber immerhin gelingt es Chastity am Ende doch, Carla vor einer großen Dummheit zu bewahren. Und Klatsche, ehemaliger Meistereinbrecher und jetzt Inhaber des besten Schlüsseldienstes der Stadt, ist immer dann zur Stelle, wenn Chas eine Schulter zum Anlehnen braucht.

Mittlerweile wird eine dritte, diesmal vollständige Leiche eines jungen Mannes gefunden. Dennoch finden die Ermittler trotz ihrer intensiven Suche keine Gemeinsamkeiten zwischen den Mordopfern.

Selbstjustiz gegen Vergewaltiger

Carla erholt sich erstaunlich schnell von der Vergewaltigung. Ihr bekommt offenbar die Rückkehr von Rocco Malutki. Der polnisch-italienische Unterweltler war ein Jahr in Berlin, und ist zurück in Hamburg. Die beiden sind viel zusammen, reden miteinander und gehen viel spazieren. Und als es Carla zu dumm wird, weil sie den Eindruck hat, die Polizei kümmere sich nicht genug um ihren Fall, hilft ihr Malutki. Innerhalb eines Tages treibt er die Vergewaltiger mit Hilfe seiner Kiez-Kontakte auf, und schon sitzen sie gefesselt in Carlas Kneipen-Keller. Chas kommt den beiden zufällig auf die Schliche, und muss sich eine unglaubliche Geschichte ausdenken, damit Carla nicht selbst in die Mühlen der Justiz gerät.

Leicht ekeliger Abschluss

Allerdings ist Carla nicht die einzige Frau, die angesichts von Anmache, Entwürdigung und Vergewaltigung auf Selbstjustiz setzt. Eher zufällig kommt Chas den Mördern schließlich auf die Spur. Das Finale ist ziemlich eklig, höchst ungewöhnlich und wird natürlich nicht verraten. Am Ende hat man als Leser das Gefühl, weiter umblättern zu wollen, um das Leben dieser sympathischen Menschen in dem Hamburger Kult-Stadtteil weiter zu begleiten. Chas, Klatsche und Carla sind ein Trio, das der Leser auch angesichts der witzigen Dialoge schnell schätzen lernt. Dass nebenbei noch brutale Morde und Vergewaltigungen aufgeklärt werden, macht die Story vollkommen man freut sich auf die Fortsetzung.

Knastpralinen

Simone Buchholz, Droemer Knaur

Knastpralinen

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