Die Medwedew-Variante

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2005
  • 1
  • Dortmund: Grafit, 2005, Seiten: 167, Originalsprache
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Jörg Kijanski
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2007

Ein hervorragendes Verwirrspiel

Ein Mann erwacht in einem ihm völlig fremden Zimmer, doch nicht nur die Frage, wo er sich befindet verwirrt ihn. Er kann sich auch an seinen Namen nicht erinnern. So inspiziert er die Wohnung als es plötzlich an der Tür klingelt. Ein junger Mann gibt sich als Gabriel Wagner aus und behauptet, Marc Hagens bester Freund zu sein. Dieser leide seit einem Wohnungsbrand an einer besonderen Form der Amnesie mit der Folge, dass er neue Informationen nur für einige Stunden behalten kann, diese über Nacht dann aber wieder verliert. Um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, führt Marc seit geraumer Zeit ein Tagebuch.

Gabriel drängt Marc dazu, sich bei einer Auktion der Lufthansa einen Koffer zu ersteigern, da er mit ihm in die Toskana, seinem bevorzugten Urlaubsort fahren möchte. Vielleicht kommt dort ja die Erinnerung zurück. In dem ersteigerten Koffer findet sich nicht nur ein Hinweis auf den Eigentümer, sondern ferner ein Video auf dem ein Mann zu sehen ist, der Kokain konsumiert. Marc hinterlässt bei dem Eigentümer des Koffers, Ruprecht Walter, eine Telefonnachricht, um den Inhalt des Koffers zurück geben zu können.

Wenig später klingelt ein Mann an der Tür, der sich als Journalist Robert Wendrowski ausgibt. Dieser erklärt Marc eine ganz andere Geschichte und warnt ihn zudem vor Gabriel, da dieser nicht der sei, für den er sich ausgibt. Nach Wendrowskis Erzählung war Marc hoch verschuldet und hat daher seinen Tod vorgetäuscht, woraufhin seine Freundin Jana 1,3 Mio. Versicherungsprämie erhalten habe. Beide hätten sich dann eine schöne Zeit auf der Karibikinsel Antigua gemacht bis Jana bei einem schweren Verkehrsunfall starb. Seine Amnesie stamme von dem Verkehrsunfall und er selber sei kurz darauf nach Deutschland ausgeliefert worden. Die Versicherung habe noch nichts gegen ihn unternommen, da sie hofft, dass er zunächst sein Gedächtnis wieder findet und sie zu dem Geld führt.

Am nächsten Tag steht Sonja Walter vor Marcs Tür und möchte den Koffer ihres Mannes abholen. Dieser ist seit drei Monaten spurlos verschwunden. Auf dem Video erkennt Sonja den Kölner Oberbürgermeister Jürgen Reinhard als Kokainkonsument. Ruprecht war dessen persönlicher Referent.

Während Marc mit Hilfe von Tagebuchaufzeichnungen versucht, sich täglich immer mehr in seine Situation herein zu finden, werden die Ereignisse um ihn herum immer verwirrender. Wem kann er trauen, wer sagt die Wahrheit? Und wer ist eigentlich die junge Frau, die am vierten Tag morgens tot in seinem Bett liegt?

Und täglich grüßt das Murmeltier mit einigen Toten.

Jeden Tag die gleichen Fragen. Wo bin ich? Wer bin ich? Und dann klingeln sie alle wieder nacheinander an der Tür: Gabriel Wagner, Robert Wendrowski, Sonja Walter. Doch warum? Ein Kammerspiel auf engstem Raum wird aufgezogen und schlägt den Leser von Anfang an in seinen Bann. Aber welche Geschichte ist wahr, wer treibt welches Spiel? Wie passen Marcs Millionenbetrug und der Kokainkonsum des Kölner Oberbürgermeisters zusammen? Sechs Tage dauert die Geschichte in der gleich mehrere Menschen eines nicht natürlichen Todes sterben.

Obwohl sich die Ereignisse täglich zu wiederholen scheinen, gibt Andreas Hoppert von Anfang an Vollgas, um die Spannungskurve, pardon, die Verwirrung kontinuierlich zu steigern. Es passiert mitunter ein bisschen zu viel des Guten und man stellt sich partout die Frage, wie der Autor aus der Nummer wieder heraus kommen möchte. Die einzelnen Charaktere werden dabei recht oberflächlich dargestellt, das Erzähltempo ist dem Autor wichtiger. Einen guten "Short-Cut" wollte er mit Die Medwedew-Variante vorlegen und das ist ihm ganz ausgezeichnet gelungen. Lediglich sein Protagonist, der völlig hilf- und orientierungslose Marc Hagen, der bereits in den Vorgängerromanen Der Fall Helms und Erbfall ebenfalls die Hauptrolle spielte, wird exzellent gezeichnet. Zu Beginn eines Tages kann der Leser die Mitleid erregenden Auswirkungen seiner Amnesie verfolgen, danach ihn bewundern, wie er anhand seiner handschriftlichen Aufzeichnungen versucht, die widersprüchlichen Informationen aufzuarbeiten.

Anfangs wirkt die Story sehr stark konstruiert, immer noch ein Haken und noch ein Schlenker, bis hin zu einer Lösung, die dann (fast) alles überraschend sauber aufklärt. Oder etwa doch nicht?

Die Medwedew-Variante

Andreas Hoppert, Grafit

Die Medwedew-Variante

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