Das letzte Mahl

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2003
  • 4
  • Oslo: Cappelen, 2000, Titel: 'Uten ekko', Seiten: 437, Originalsprache
  • München; Zürich: Piper, 2003, Seiten: 448, Übersetzt: Gabriele Haefs
  • München; Zürich: Piper, 2004, Seiten: 426
  • München; Zürich: Piper, 2006, Seiten: 426
Das letzte Mahl
Das letzte Mahl
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Thomas Kürten
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Nicht zum letzten mal...

Persönlich kenne ich keinen Koch. Aber diese Starköche, die im Fernsehen herumhampeln, ob allein oder mit Promi-Gästen, egal, ob sie Lafer, Witzigmann, Biolek oder Jamie Oliver heißen, ihre Selbstherrlichkeit, Akribie, ihre besserwisserische Art und teilweise Arroganz bringen mich regelmäßig zur Weißglut. Wenn ich Krimi-Autor wäre, hätte ich wohl schon längst mal einen umgebracht hätte. Rein literarisch, versteht sich. Anne Holt ging es vielleicht genauso, sie hat es dann einfach gemacht.

Brede Ziegler liegt in einer Dezembernacht auf einer Treppe hinter einer Polizeiwache, in seinem Rücken ein edles japanisches Küchenmesser. Er ist der Starkoch Norwegens und in seinem Restaurant Entré geht die Prominenz des Landes ein und aus. Waren Neid und Habsucht die Motive seines Mörders? Ziegler hatte mit seinem Kompagnon eine Vereinbarung, dass in seinem Todesfalle das Restaurant in dessen Besitz übergehen solle. Er war aber auch mit einer sehr jungen Frau frisch verheiratet, die er einem seiner Köche ausgespannt hatte. Die Ehe erscheint aber bei näherem Hinsehen merkwürdig, so wohnten die beiden getrennt und traten nur selten zusammen auf. Aber sie lebten in Gütergemeinschaft, weshalb die junge, hübsche Frau nun Alleinerbin wird. Nicht ganz ins Bild passen jedoch die Drohbriefe, die Ziegler zu Lebzeiten erhielt, und die Tatsache, dass er sich vor der Ehe sterilisieren ließ.

Katzenmord, alte Bücher und geheime Rezepte

Aber Anne Holt wäre nicht Anne Holt, wenn sie sich auf die beiden Verdächtigen beschränken würde. Drei Nebenhandlungen baut sie ein. Da ist ein junger Mann, der sich nicht von seiner dominanten Mutter, einer Schauspielerin, abnabeln kann, der Geld braucht und vielleicht die antiquarischen Bücher seines Großvaters verkaufen möchte. Dann ist da ein kleiner Junge, dessen Katze von einer bösen, alten Nachbarin vergiftet wird. Und es gibt eine Verlagslektorin, die zusammen mit dem Ermordeten eine Biografie mit Kochrezepten herausbringen wollte und sich gegenüber der Polizei vehement auf Quellenschutz beruft. Könnte jemand Angst vor der Veröffentlichung von gewissen Geschichten gehabt haben oder sind seine Rezepte top secret?

Hanne Wilhelmsen kehrt ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Lebensgefährtin wieder zurück nach Oslo und beginnt wieder die Arbeit in ihrem alten Team. Ihre Orientierungs- und Haltlosigkeit beschreibt die Autorin in der ersten Hälfte des Buches sehr authentisch. Sie nimmt die Arbeit an dem Fall auf, als das Team um Billy T. schon mitten in den Ermittlungen steckt. Von ihren alten Freunden und Bekannten erfährt sie durchweg Ablehnung, ihr Verhalten und Umgang mit dem Tod ihrer Lebensgefährtin muss viele Menschen verletzt haben. Anne Holt lässt an dieser Stelle ihre Leser, besonders die Quereinsteiger in ihre Serie um Kommissarin Hanne Wilhelmsen, im Regen stehen. Man kann nur raten, wie ihr Verhältnis zu den so gekränkten Menschen einmal war und warum sie ihr nun so begegnen, wie im Roman beschrieben.

Anne Holt schreibt sehr lebendig und Gespräche wirken authentisch. Ihre Figuren selber und deren Handlungen wirken jedoch mitunter ein wenig zu sehr konstruiert. Besonderen Argwohn weckt immer wieder das agieren eines Billy T., einem Kommissar, der selbst in Vernehmungsprotokollen nicht seinen Nachnamen preisgibt. Fraglich, wie jemand mit solcher Vehemenz gegen Dienstvorschriften verstoßen kann und dennoch halbwegs Karriere machen konnte. Die neue Beziehung von Hanne Wilhelmsen und ihr Verhalten gegenüber Mitmenschen offenbaren ebenso immer wieder Überraschungen und Verwunderung.

Zu teuer!

Vor einem Fazit sei noch ein kurzer Kommentar an den Verlag erlaubt. Der Roman ist bei Piper in einer "Premium-Taschenbuch" Ausgabe erschienen und kostet 14,- Euro. Wo die Rechtfertigung für diesen Preis liegt, bleibt Geheimnis des Verlages. Zwar ist der Einband aus etwas mehr Material als bei einem normalen Taschenbuch (die Pappe ist eingefaltet), aber es ist und bleibt ein Paperback. Die unverhältnismäßig hohe Investition sei deshalb nur für absolute Holt-Fans empfohlen.

"Das letzte Mahl" überzeugt in seiner Konzipierung. Der Fall an sich ist intelligent aufgebaut, mitunter ein wenig konstruiert, aber - was am wichtigsten ist - mit einer schlüssigen Lösung versehen. Da die Beziehungen der einzelnen Personen sehr stark von den Ereignissen der Vorgängerromane geprägt sind, ist es für den Leser ratsam, zumindest "Das achte Gebot" zu kennen. Auf stand-alone Basis wirft ansonsten die Rahmenhandlung zu viele Fragezeichen auf. Desweiteren wird das Lesevergnügen durch den zu hohen Preis getrübt. Zwar handelt es sich um einen ausdrücklich guten Roman, aber er ruft nicht solche Begeisterungsstürme hervor, als dass er den Kauf eines überteuerten Taschenbuchs rechtfertigen könnte. Somit dürfte der Roman den eingefleischten Holt-Lesern vorbehalten bleiben und keine neuen Leser anlocken .

Das letzte Mahl

Anne Holt, Piper

Das letzte Mahl

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