Bußestunde

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2013
  • 6
  • Stockholm: Bonnier, 2007, Titel: 'Himmelsöga', Seiten: 408, Originalsprache
  • München: Piper, 2013, Seiten: 464, Übersetzt: Wolfgang Butt
Bußestunde
Bußestunde
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2013

Fatburner als Todesfalle

Bei einem virtuellen Rundflug über die schwedische Hauptstadt werden dem Leser die Freizeitaktivitäten der Mitglieder der A-Gruppe gezeigt. Ein Mitglied des Polizei-Teams gerät eher zufällig in ein Video-Geschäft, in dem es gerade einen Überfall gab. Aufgrund eines Bauchgefühls zieht sie die Ermittlungen an sich, und als am Tag darauf eine Zeugin des Vorfalls nicht zur Befragung erscheint, kommt die A-Gruppe bei ihren Recherchen einem Mörder auf die Spur. Der Killer lockt seine überwiegend magersüchtigen Opfer mit einem angeblich bahnbrechenden Medikament zur Fettverbrennung an. Die verschwundene Zeugin gehört zu seinen Opfern. Parallel zur Suche der A-Gruppe nach dem brutalen Serienmörder ist Paul Hjelm, der mittlerweile zur Abteilung für interne Ermittlungen gehört, bei der Sicherheitspolizei aktiv. Er erhält die ebenso schwierige wie delikate Aufgabe, einen Auslandsagenten aufzuspüren, der verschwunden ist. Der erfahrene Geheimdienstler war einem Mann auf der Spur, der in illegalen Geschäften im internationalen Maßstab tätig ist. Es tauchen in beiden Fällen viele Rätsel auf, die erst im packenden Finale aufgelöst werden.

Bußestunde ist der nominelle Abschluss der auf zehn Bände angelegten Reihe um die A-Gruppe der Stockholmer Polizei. Der Autor hat später einen elften Roman nachgeschoben, ob der jemals in Deutschland erscheinen wird, ist wohl eher fraglich. Wieder einmal geht es um Verbrechen, die nicht spurlos an den Ermittlern vorbei gehen. Der Leser lernt viel über Anorexie und andere Formen der krankhaften Magersucht. An dieser Krankheit leidende junge Frauen stehen im Zentrum der Mordserie, und der Killer nutzt ihre zwanghafte Sucht zum Gewichtsverlust aus, um sie in die tödliche Falle zu locken. Über das Internet wird ein angeblich revolutionärer Fettverbrenner angeboten, mit dem die Frauen weiteres Gewicht verlieren sollen. Es interessiert die Magersüchtigen offensichtlich überhaupt nicht, dass das neue Medikament in Schweden noch nicht zugelassen ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie nahe an der Realität dieser Plot sein könnte – zumindest was das Angebot eines illegalen Medikaments zum Abnehmen angeht.

Die grauenhafte Folter und die schweren Verstümmelungen der Mordopfer handelt Dahl wie gewohnt eher am Rande ab. Ihm geht es nicht um spektakulär wirkende Brutalität, sondern um die psychologischen Hintergründe von Opfern und Täter. Insbesondere das Motiv des Serienkillers bleibt lange im Dunkeln, die A-Gruppe muss einmal mehr akribische Polizeiarbeit leisten. Wobei eben auch die Ermittler wieder in unterschiedlicher Weise im Vordergrund stehen. In einem Interview hat mir Jan Arnald – so der bürgerliche Name des Autors – im Frühjahr 2013 geschildert, warum er in seinen Romanen die Protagonisten abwechselnd in den Vordergrund stellt. Damit könne er die jeweiligen Stärken der Personen betonen, so seine Aussage. In Bußestunde sind es vor allem Lena Lindberg und Sara Svenhagen, die an vorderster Front ermitteln. Aber wie üblich tragen auch die Recherchen der übrigen Gruppen-Mitglieder schließlich zur Lösung des Falles bei – oder der Fälle, denn es kommen noch andere Dinge hinzu. Der Roman ist dennoch inhaltlich keineswegs zerfasert, weil Arne Dahl es durchaus versteht, die vielen losen Enden am Ende geschickt zusammen zu führen.

Es ist im Grunde müßig, zu erwähnen, dass sich der Autor – wie so viele skandinavische Schriftsteller – bei seiner zehnbändigen Reihe an Maj Sjöwall und Per Wahlöö orientiert hat. Das Duo veröffentlichte zwischen 1965 und 1975 einen zehnteiligen "Roman über ein Verbrechen", in dem sie harte Gesellschaftskritik übten. Und so sind auch Arne Dahls Bücher in dieser Hinsicht aktuell, er greift gesellschaftlich relevante Themen wie Menschenhandel, Terrorismus oder jetzt eben krankhafte Magersucht auf. Zuweilen handelt er – wie in Bußestunde – verschiedene Themen in einem Roman ab. Das Buch ist in meinen Augen ein wirklich gelungener Abschluss für die Reihe um die A-Gruppe, und deshalb kommen hier wohl auch alle Protagonisten noch einmal ins Bild, trotz der geschilderten Schwerpunktsetzung.

Die Polizeieinheit wird zwar zum Ende hin aufgelöst, aber für den Autor bedeutet das keineswegs einen Abschied von seinen Figuren. Er habe kurzzeitig darüber nachgedacht, Arne Dahl als Autor sterben zu lassen, sagte mir Jan Arnald im Interview im Frühjahr 2013. Dann sei ihm jedoch bewusst geworden, dass er nicht ohne Spannungsliteratur leben könne. Und so habe er die auf vier Bände angelegte Reihe um die Opcop-Gruppe begonnen. Mit diesem Sprung auf die internationale Ebene hat er sich bei Rezensenten und Lesern nicht nur Freunde gemacht, wie auch auf der Krimi-Couch zu lesen ist. Davon unberührt ist Bußestunde für mich ein würdiger Abschluss seiner Serie um die A-Gruppe. Zu Beginn muss der Leser etwas Geduld aufbringen, aber dann wird der Spannungsbogen kontinuierlich aufgebaut und bis zum spektakulären Finale gehalten. Zwei Bände aus der Opcop-Reihe wird es jetzt noch geben, und dann darf man gespannt sein, womit Jan Arnald seine Leser anschließend überraschen wird.

Bußestunde

Arne Dahl, Piper

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