Samariter ohne Herz

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2005
  • 6
  • Barcelona: Planeta, 2004, Titel: 'Un barco cargado de arroz', Seiten: 361, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Lübbe, 2005, Seiten: 411, Übersetzt: Sybille Martin
  • Bergisch Gladbach: BLT, 2007, Seiten: 413
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Sabine Reiß
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2005

Wortwitz mit Herz

Mit manchen Krimiserien ist es wie mit dem Wein. Manche sind nicht lange genießbar und bauen mit der Zeit immer mehr ab und manche werden immer besser, je älter sie werden. Alicia Giménez-Bartletts Serie um die spanische Inspectora Petra Delicado ist wie guter Wein, sie hat mit der Zeit an Reife gewonnen und die Trinkreife bestimmt noch nicht überschritten.

Nachdem in einem Park die Leiche eines Obdachlosen gefunden wurde und sich sogar ein Zeuge gemeldet hat, der Skinheads gesehen haben will, die den alten Mann verprügelt haben, scheinen große Ermittlungen nicht mehr vonnöten zu sein. Es hapert nur noch an der Identifizierung des Opfers und um die soll sich Inspectora Petra Delicado mit ihrem Assistenten Subinspector Fermín Garzón kümmern. Aber Petra glaubt nicht an die Skinheadtheorie und ihr Respekt vor dem Opfer stärkt sie in ihrem Vorhaben, die Ermittlungen sehr gründlich durchzuführen. So machen sich die beiden auf und besuchen zahlreiche Wohlfahrtsorganisationen und Plätze, an denen sich die Wohnsitzlosen aufhalten, um den Namen des Toten in Erfahrung zu bringen. Hilfe bekommen sie von der jungen Polizistin Yolanda Santos von der Policía Municipal. Endlich treffen sie den Stadtstreicher Anselmo, der zwar zugegebenermaßen etwas wirr spricht, aber in dem Toten jemanden erkennt, der als Tomás der Weise bekannt ist. Er schien ein gelehrter und geachteter Mann zu sein. Als Anselmo kurz darauf ebenfalls tot aufgefunden wird, wissen die beiden Polizisten, dass sie auf der richtigen Spur sind.

Mit scharfem Blick

Alicia Giménez-Bartlett hat die Figuren ihrer Krimis stetig weiterentwickelt. Fermín hat mehr an Kontur gewonnen. Er ist ein Mann der alten Schule, der sich nur langsam an die Methoden seiner emanzipierten Chefin gewöhnen konnte. Inzwischen sind die beiden ein eingespieltes Team und kommen sehr gut miteinander aus, fechten jedoch immer noch  - Freude des Lesers - manchen verbalen Kampf miteinander aus. Fermín muss zum Beispiel im vorliegenden Buch mit der Tatsache zurecht kommen, dass sein Sohn homosexuell ist. Petra dagegen kämpft ihren eigenen Kampf, sie lernt einen Mann kennen, der ihr Leben auf den Kopf stellt. Sie ist recht zynisch, ist beleidigt, wenn man sie als originell charakterisiert, will aber dennoch anders sein als die anderen und wird dieses Mal sogar handgreiflich gegenüber einem Verdächtigen. Auf andere Weise schlagfertig ist sie ebenfalls:

 

"Meine liebe Yolanda, ich will aufrichtig sein. Ich verstehe, dass Sie sich langweilen. Das Leben einer Polizistin in welcher Körperschaft auch immer ist nicht so spannend, wie viele glauben. In meinem Fall auch nicht. Wie auch immer, wenn Sie ein wenig Abenteuer haben möchten, empfehle ich Ihnen, es in Ihrem Privatleben zu suchen. Viel Vögeln führt zum Beispiel zu ausgezeichneten Ergebnissen, verstehen Sie?" (S.20)

 

Mit scharfem Blick und auch scharfzüngig legt die Autorin den Finger in die Wunde des spanischen Wohlfahrtstaates. Die Dialoge machen einfach Spaß und die intelligenten Wortgefechte der beiden Protagonisten amüsierten mich in hohem Maße. Der Unterhaltungswert von "Samariter ohne Herz" ist mindestens genau so hoch anzusiedeln wie der des Vorgängerromans. Dass der Kriminalfall dadurch fast ein wenig in den Hintergrund tritt, ist verkraftbar. Einigermaßen spannend ist die Geschichte dennoch. Zudem ist Spanien als Schauplatz attraktiv, weil nicht schon dreißig andere Polizisten um die Gunst des Lesers ringen. Da kann man nur sagen: Zum Wohl!

Samariter ohne Herz

Alicia Giménez-Bartlett, Lübbe

Samariter ohne Herz

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