Dr. Siri und das sitzende Skelett

  • Goldmann
  • Erschienen: Mai 2023
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Dr. Siri und das sitzende Skelett
Dr. Siri und das sitzende Skelett
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Sabine Bongenberg
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2023

Mordermittlungen und ein sarkastischer Blick auf den Sozialismus

Der ehrenwerte und unbestechliche Kriminalinspektor Phosy steht vor einem Rätsel. Am frühen Morgen wird am Fuße eines Triumphbogens eine junge Frau entdeckt. Natürlich könnte man sich jetzt fragen, warum das ein besonderes Rätsel darstellt, aber in diesem Fall handelt es sich um das reine aber noch sehr frische Skelett einer jungen Frau.

Offensichtlich wollte der Urheber dieser Tat auch, dass der Körper gefunden wird, platzierte er ihn doch unter der einzigen am Ort vorhandenen Glühbirne. Natürlich wäre das ein - pardon - gefundenes Fressen für den pensionierten Pathologen Dr. Siri, doch verfolgt dieser im wohlverdienten Ruhestand erst einmal eigene Pläne. Über verschlungene Wege ist er in den Besitz einer Profi-Kamera gelangt, die früher tatsächlich einmal in Hollywood zuhause war. So muss sich erst einmal Phosys Ehefrau, die mit vielen Talenten gesegnete Dtui, mit dem Fall beschäftigen. Natürlich wäre aber Dr. Siri nicht Dr. Siri, wenn er sich aus diesem Fall heraushalten könnte. So entwickelt sich zwischen den dramaturgischen Ambitionen des Pathologen, seiner Freunde und der laotischen Polizei, die alle zusammen den oft komplizierten Vorgaben des sozialistischen Experiments der Volksrepublik Laos unterworfen sind, ein verworrener Fall, der noch unvorhersehbare Dramen mit sich bringt.

Der kommunistische Dampfer ist leck geschlagen und sinkt rapide

Früher war das nicht einmal ungewöhnlich: In vielen Biologieräumen stand ein sauberes, weißes, menschliches Skelett und je nachdem, welche Knochen besprochen wurden, wurde es vor die Klasse gerollt und diente hier als Anschauungsmaterial. Das in meiner Schule trug dann den Namen "Egon" und wenn ich richtig informiert bin, wurde es irgendwann bestattet und durch ein künstliches Skelett ersetzt. Ungewöhnlich war der Einsatz eines echten Skeletts aber lange Zeit nicht. Heutzutage hat man selbst bei dieser Erinnerung ein eigenartiges Gefühl und natürlich macht es noch zusätzlich einen gewaltigen Unterschied, ob eine junge Frau offensichtlich Opfer eines Verbrechens wurde und ihr armer, misshandelter Körper von jedem Fleisch befreit und zur Schau gestellt wird.

In ihrem Fall macht sich das bewährte Team, das sich aus Inspektor Phosy, seiner Frau Dtui, Dr. Siri, Herrn Geung und seiner Freundin Tuktu und natürlich der Inhaberin der landesweit besten Nudelküche Madame Daeng zusammensetzt, an die Ermittlungen. Sie haben dabei allerdings nicht nur das Rätsel um das sitzende Skelett zu lösen, sondern noch weitere, die sich hier in diversen Strängen vermischen.  So sind massive Verstöße gegen den Natur- und Artenschutz zu untersuchen, da ist das Filmvorhaben, das Dr. Siri und sein Freund Civilai vorantreiben wollen. Dieses wird durch viele Vorgaben der sozialistischen Ministerien gehemmt. Die Liebesgeschichte zwischen Herrn Geung und seiner Freundin Tukta, die eine neue Ebene erreicht. Und nicht zuletzt ein Drama, das sich um Kriminalinspektor Phosy entspinnt und droht, die ganze Mannschaft in Umerziehungslager zu bringen und das auch nur, wenn sie Glück haben. Insgesamt sind das sehr viele Aktionen und Stränge, die eine große Aufmerksamkeit der Leser/innen beanspruchen und zwischen denen der eigentliche Mordfall fast unterzugehen droht. Vieles wirkt in seiner Fülle sicherlich unterhaltsam - aber dennoch gelegentlich verwirrend und anstrengend. 

Tut mir leid, dass ich Sie zu dieser unbuddhistischen Zeit aus dem Bett holen muss...

Mittlerweile hat Colin Cotterill seinen eigenwilligen Pathologen Dr. Siri in 13 Fällen ermitteln lassen und natürlich hat er im Lauf dieser Zeit einen festen Freundeskreis um sich geschart. Aus diesem Grund dreht sich aber auch vieles um das Leben der eigenwilligen Protagonisten. Besonders witzig sind daher die Erzählungen um Siris und Civilais dramaturgische Ambitionen. Da haben sie es tatsächlich geschafft, sich eine Profi-Kamera zu beschaffen, haben irgendwie ein Drehbuch fabriziert und schon kommen die großen Träume von einer Filmpremiere in Cannes. Hier kann sich der/die Leser/in schmunzelnd über den real existierenden Sozialismus amüsieren - über Ministerien, die am Drehbuch so lange herumschustern, bis vom ursprünglichen Werk nichts - aber gar nichts mehr - übrig bleibt, über Schauspieler, von denen sogar einer wie der laotische Marlon Brando wirkt - aber aus praktischen Gründen leider seinen Text nicht lernen konnte und mit der alles bestimmenden und elementaren Frage: Wie bringt man die Kamera ans Laufen? Abseits von der Krimihandlung schafft hier Cotterills trockener Humor witzige Momente und seine Leser/innen rutschen hier tief in die warme, gute alte "Cosy-Decke" und erfreuen sich aus sicherer Entfernung an dem - immerhin fröhlichen - politischen Chaos.

Fazit

Dr. Siri und seine Freunde ermitteln in einem neuen Fall und wenn auch sicher nicht alle Köche den Brei verderben, so ist doch viel zu erzählen, nicht alles wirkt klar und einiges sogar verworren. Dennoch - neben Mord und Totschlag folgt man hier einem bunten Reigen an verrückten Ideen und amüsiert sich an den laotischen Besonderheiten, bei denen wir sicherlich auch manchmal die Mördersuche vergessen.

Dr. Siri und das sitzende Skelett

Colin Cotterill, Goldmann

Dr. Siri und das sitzende Skelett

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