Bauernfänger / Die Lotto-Company

  • Rangnick
  • Erschienen: Januar 2004
  • 9
  • Berlin: Ullstein, 2011, Seiten: 336, Originalsprache
  • Ravensburg: Rangnick, 2004, Titel: 'Die Lotto-Company', Seiten: 310, Originalsprache
Wertung wird geladen
Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2011

Intrigen, Killer und Lotto-Scheine als tödliche Melange

Robert Walcher ist Journalist aus Leidenschaft. Bei einer seiner privaten Foto-Touren am Bodensee stößt er auf eine scheinbar verlassene Jugendstilvilla. Berufsbedingte Neugier bringt ihn dazu, das Haus zu betreten – und er entdeckt darin eine Leiche. Einen Ordner nimmt er mit, ansonsten unternimmt der Journalist zunächst nichts. Walcher findet merkwürdige Listen, als er das Material zu Hause in Ruhe sichtet. Offensichtlich blüht da im Verborgenen ein echter Global Player. Als Journalist wittert er die große Story und beginnt mit weitergehenden Recherchen. Doch von der Leiche in der Villa kommt nichts in die Medien, aber schon bald beginnt eine Reihe von rätselhaften Morden und Anschlägen in Walchers Umgebung. Stur wie er nun mal ist, kommt der findige Journalist schließlich einem Komplott von gigantischen Ausmaßen auf die Spur. Dabei gerät er selbst in Gefahr, und das dramatische und turbulente Ende der Geschichte ist keineswegs nur glücklich.

Joachim Rangnick hat die ersten sechs seiner Romane im Selbstverlag herausgebracht. Nun werden die Manuskripte offenbar vom Verlag neu lektoriert und auf den Markt gebracht, da er sich als Auflagen-starker Autor etabliert hat. Die Erfahrungen mit dem Recyceln solcher Alt-Werke sind ja höchst unterschiedlich. Andreas Franz hat mir in einem Gespräch vor Jahren berichtet, er habe schon einige Bücher auf dem Markt gehabt, aber erst sein später veröffentlichtes Erstlingswerk habe ihm schließlich den großen Durchbruch zu hohen Auflagen gebracht. Bei Nele Neuhaus sieht es eher anders aus, ihr Erstling hat auf die Fans der späteren Bestseller offenbar eher ernüchternd gewirkt. Zu Joachim Rangnicks Erstlingswerk Bauernfänger gibt es sicher viele differenzierte Meinungen, aber ich oute mich mal: Der Roman hat mich köstlich unterhalten – trotz etlicher Schwächen.

Das Buch ist für die Neuveröffentlichung etwas in die Gegenwart gerückt worden. Was das Lektorat sonst bewirkt hat, ist schwer zu sagen, da ich die Ursprungsfassung nicht kenne. Auf jeden Fall glänzt Rangnick auch in diesem ersten Roman der Reihe mit einem Ermittler, wenn man seinen Journalisten Walcher denn so nennen will, der sympathisch rüberkommt. Kernig, zuweilen unbedarft oder auch nass-forsch, ganz nach Situation. Und dem Autor gelingt es auch – was nicht alle seiner Kollegen schaffen – das regionaltypische relativ geschickt und unaufdringlich zu vermitteln. Eine köstliche Sache ist dabei das Mini-Lexikon am Ende des Buches, in dem einige der Mundart-Begriffe übersetzt werden.

Robert Walcher wird stets von seiner Neugier getrieben, aber er ist keineswegs unvorsichtig oder draufgängerisch. Dennoch stolpert er häufiger als ihm lieb sein dürfte in Situationen, die gefährlich werden, oder das Potenzial haben, sein Leben völlig umzukrempeln. Der Autor hat hier zuweilen ziemlich dick aufgetragen, wie überhaupt die ganze Geschichte weit, ganz weit hergeholt ist. Vielleicht hat Rangnick geglaubt, wirklich gigantisch müsse sie sein, die Verschwörung und Verwicklung, in die sein Protagonist unfreiwillig hinein gerät. Etwas weniger hätte vielleicht auch ausgereicht, aber das war mir bei der Lektüre wirklich egal, denn ich fühlte mich ausgezeichnet unterhalten. Denn gut erzählen kann Joachim Rangnick, das wissen wir ja aus seinen reiferen Werken.

Mir ist allerdings eine Frage durch die Kopf geschossen, die sich bei den zuerst veröffentlichten Folgen der Reihe noch nicht gestellt haben. Wieviel Rangnick steckt eigentlich in Walcher drin? Da kommt mir doch einiges recht autobiographisch vor, vielleicht war auch zuweilen der Wunsch der Vater des Gedankens. Immerhin hat der Autor hier eine ambivalente Figur geschaffen, empfindsam und doch zuweilen wagemutig, nicht gerade ein Frauenheld, aber doch ein Charmeur der besonderen Art. Walcher kennt Land und Leute, kann gut zuhören, ist belesen und gebildet – eine rundum angenehme Erscheinung. Wie unwahrscheinlich die ganze Geschichte um die "Company" auch sein mag, Bauernfänger ist allemal ein lesenswertes Buch mit hohem Unterhaltungsfaktor.

Bauernfänger / Die Lotto-Company

Joachim Rangnick, Rangnick

Bauernfänger / Die Lotto-Company

Deine Meinung zu »Bauernfänger / Die Lotto-Company«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren