Lämmerweid

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Berlin: Ullstein, 2013, Seiten: 368, Originalsprache
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2012

Robert Walcher und der Untergang der Menschheit

Auf der Lämmerweid des Ökobauern Georg Schonauer wird der Pressesprecher der Firma Eufoodic, Julian Koenig, ermordet aufgefunden. Eufoodic ist eine Lobbyorganisation der Lebensmittel- und Agrarchemiebranche, die weltweit operiert. Der Journalist Robert Walcher recherchiert aktuell für einen Artikel zum Thema "Chemie in Lebensmitteln" und war mit Koenig zum Zeitpunkt seiner Ermordung verabredet. In Koenigs Geldbörse befindet sich Walchers Visitenkarte und an dessen Kleidung Haare von Walchers Hund.

 

"Ich gehe mal davon aus, dass Sie Koenig nicht erschlagen und ihm wohl auch nicht Ihren Ausweis zugesteckt haben."

 

Walcher nimmt Kontakt zu Schonauer auf, der wenig später ebenfalls ermordet wird. Weitere Morde geschehen und für Walcher wird die Situation immer bedrohlicher. Offenbar geht Eufoodic über Leichen und selbst enge Freunde von Walcher wollen ihm nicht helfen. Doch Walcher ist fest entschlossen ...

Glyphosat, Unfruchtbarkeit, Parkinson, Glutamat, Alzheimer, Aspartam, ADHS, Adipositas, Allergien, Antibiotika ...

Joachim Rangnick nimmt sich im neuesten Fall für den Journalisten Robert Walcher die Agrar-, Lebensmittel- und Chemiebranche derart zur Brust, dass jeder Ernährungsfanatiker ins Schwärmen geraten dürfte.

 

"Es ist ruhig auf den Wiesen geworden. Die Kühe stehen in Produktionsställen an Melkautomaten, und Bienen summen auch nicht mehr, die haben wir weggespritzt. Müssen halt Selbstbefruchter her, gibt ein lukratives neues Marktsegment. Ein Biologe hat mal gesagt, wenn die Bienen sterben, stirbt auch der Mensch. Das macht doch Hoffnung!"

 

Die Megariesen der genannten Branchen beherrschen nicht nur die Weltmärkte, sondern vernichten zudem gezielt fruchtbare Böden, um die Menschen weltweit von ihren Produkten abhängig zu machen. Die wenigen unabhängigen Wissenschaftler und Institute, die dagegen mit entsprechenden Untersuchungen und Analysen aufbegehren, werden mundtot gemacht – mit allen Mitteln. Gefahr droht ihnen nicht, denn Politiker und Co. sind ja ohnehin durchweg gekauft und stehen auf deren Gehaltslisten.

 

"Ich bin von der Mordkommission, bleiben Sie mir mit Politik vom Hals. Heute gehören Wirtschaftsverbrechen, Bestechung oder Vorteilsnahme im Amt, wie das ja inzwischen sehr wohlwollend bezeichnet wird, zum Selbstverständnis unserer Führungsschicht."

 

Seit langem ist bekannt, wie in den oben erwähnten Branchen getrickst und manipuliert wird. Einige der zu diesem Thema erschienen Bücher werden vom Autor im Anhang genannt. Und in Zeiten, in denen gesunde Ernährung und "Bio" über allem stehen, kommt Lämmerweid genau richtig. Im vorliegenden Fall gibt es gleich mehrere Morde, die auf Kosten der dubiosen Eufoodic gehen. Bei allem guten Willen sind dabei aber dem Autor leider einige Pferde durchgegangen.

 

"Pflanzenschutzmittel, auch so eine geniale Wortschöpfung für Chemikalien, die unsere DNA, die Trägerin der Erbinformation, verändern können. Und da in Deutschland die Länder für Einfuhrkontrollen bei Futtermitteln zuständig sind, fühlt sich eigentlich keiner so richtig zuständig."

 

Dass beispielsweise Robert Walcher (und Julian Koenig und Georg Schonauer) durchgehend mit erhobenen Zeigefinger über die skrupellosen Machenschaften der kriminellen Firmen daherkommt, wirkt auf Dauer ebenso oberlehrerhaft wie ermüdend. Es erinnert an eine politische Diskussion, in der eine Partei hierzulande den Menschen vorschreiben wollte, dass sie mittwochs in der Kantine gefälligst auf Fleischverzehr verzichten sollten. Natürlich ist es richtig, auf die weltweiten Skandale in der Ernährungsbranche hinzuweisen und dafür das Genre des Krimis zu nutzen erweitert den Kreis der Adressaten. Man kann es aber eben auch übertreiben und zudem begeht der Autor im Eifer des Gefechts einige "technische Fouls" an seinen Lesern.

Wie gesagt geschehen einige Morde, bei denen nicht in allen Fällen klar wird, warum sie eigentlich geschehen. Zudem wird nicht klar, warum die ach so skrupellosen Mörder ausgerechnet den Protagonisten nicht im Visier haben. Klar, dann wäre der Roman – und damit die Serie – abrupt zu Ende, aber warum wird beispielsweise die Ex-Freundin Walchers angefahren? Um Walcher unter Druck zu setzen, damit dieser eine belastende CD herausgibt? Zu diesem Zeitpunkt müsste selbst dem dümmsten Mörder klar sein, dass Walcher schon Kopien angefertigt und an Dritte verteilt hat.

Wer sich für die Lügen in der Ernährungs- und Agrarbranche interessiert, findet hier reichliche Informationen, die der Autor ausgiebig recherchiert hat. Durchaus lesenswert, wenngleich die Geschichte bis zum Schluss arg konstruiert wirkt (freundlich formuliert).

Lämmerweid

Joachim Rangnick, Ullstein

Lämmerweid

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