Cinnamon Kiss

  • Fischer Taschenbuch Verlag
  • Erschienen: Januar 2009
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  • New York: Little, Brown, 2005, Titel: 'Cinnamon Kiss', Seiten: 312, Originalsprache
  • Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 2009, Seiten: 319, Übersetzt: Uda Strätling
Cinnamon Kiss
Cinnamon Kiss
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Jochen König
81°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2009

Stimmungsvoller Detektiv-Roman mit Widerhaken

Easy Rawlins braucht dringend Geld. Seine (Stief)tochter Feather ist todkrank und benötigt eine teure Spezialbehandlung in der Schweiz, die ihr Leben retten soll. Erste Alternative: ein Überfall auf einen Geldtransporter mit Kumpel Mouse. Eine Option, die dem rechtschaffenen Easy gar nicht behagt, die er aber wahrnehmen würde, um Feather die notwendige Behandlung bezahlen zu können. Doch dann bieten ihm Robert Lee, der kleinwüchsige Namensvetter des berühmten Südstaaten-Generals, und sein attraktives Sprachrohr Maya Adamant einen Job an, der zum einen gut dotiert ist und zum anderen Easy in seiner Eigenschaft als Privatdetektiv fordert. Trotz eines mulmigen Gefühls nimmt er den Auftrag, die verschwundene Philomena "Cinnamon" Cargill zu finden, an. Die junge Frau ist die Assistentin des Bürgerrechts-Anwalts Axel Bowers, der neben seiner Betätigung als Streiter für die Rechte der Entrechteten, in der dunklen Vergangenheit seines verstorbenen Vaters herumwühlt. Das er dabei Geister los lässt, die Tod und Verderben mit sich bringen, nimmt er in Kauf. Und so sieht sich Easy plötzlich gefangen zwischen der aufkeimenden Flower-Power-Bewegung, Schuldverschreibungen, Nazi-Insignien und schuldbeladenen Relikten, die das Zeitalter des Wassermanns mit Nachdruck konterkarieren und wenn möglich verhindern wollen.

Easy lernt eine ihm fremde Welt kennen, in der er sich wohler fühlt als erwartet, denn Rassismus scheint unter gleich berechtigten Blumenkindern aller Hautfarben tatsächlich seine Überwindung zu finden. Doch Easy ist viel zu realistisch, um nicht zu spüren, dass unter der Oberfläche des freiheitlichen Miteinanders die gleichen Obsessionen, Verlockungen und Verfehlungen lauern wie in der verhassten Kleinbürgerwelt. Spätestens als die erste, brutal beiseite geschaffte, Leiche auftaucht, ist Easy klar, dass das Schlagwort vom "Summer Of Love" nicht heißt, dass Konflikte immerzu friedlich ausgetragen werden. Manchmal stechen die Wespen, deren Nest man ausräuchern möchte.

Während die Politik immer größeren Einfluss auf das Alltagsleben der amerikanischen Bevölkerung nimmt - und damit auf die ganze Welt -, verdunkeln private Katastrophen und Konflikte das Leben des privaten Ermittlers Ezekiel "Easy" Rawlins. In der Außenpolitik nimmt der Vietnamkrieg 1966 bereits breiten Raum ein, im Landesinneren bilden Hippies und Bürgerrechtsbewegung Stützpfeiler einer Gegenkultur, die teilweise aus unbedarfter Überzeugung, aber auch aus bewusster Reflektion und Ablehnung der bestehenden Verhältnisse zum relevanten Politikum wird.

Doch Rawlins plagen andere Sorgen. Seine Stieftochter Feather leidet an einer seltenen Form der Blutvergiftung, die in Amerika anscheinend niemand zu heilen in der Lage ist. Aussicht auf Erfolg verspricht eine Spezialbehandlung in der Schweiz. Die kostet allerdings 35 000 Dollar. Geld, das Easy nicht besitzt. So ist er fast bereit mit seinem kaltblütigen Kumpel Mouse einen Geldtransporter zu überfallen. Doch bevor er mit schlechtem Gewissen zur anderen Seite des Gesetzes konvertiert, bekommt Easy einen Auftrag als Detektiv angeboten, der ihm bei Gelingen einen Gutteil der Klinikkosten einbringen würde. Mosley lässt die Gratwanderung seines Protagonisten jederzeit glaub würdig erscheinen. Easy wäre bereit, seine moralischen Befindlichkeiten über Bord zu werfen, um das Leben seiner Liebsten zu retten. Der Ermittlungsauftrag bewahrt ihn davor, diese Grenze zu überschreiten. Doch wie sollte es anders sein, erweist sich der Auftrag als einer mit Fallstricken. Leider gehorcht Cinnamon Kiss in diesem Fall etwas zu sehr den Regeln des Genres. Denn die Jagd nach belastenden Papieren und Fotos gewinnt ihren Reiz hauptsächlich aus dem Umstand, dass sie ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte schlaglichtartig beleuchtet: die Kollaboration amerikanischer Unternehmer mit dem deutschen Nazi-Regime, das Easy als Soldat aktiv bekämpfte. Leider bleiben diese Bezüge, ebenso wie Easys Begegnungen mit der Flower Power-Kultur, etwas blass. Zwar gelingen Mosley einige amüsante Szenen, die Easy als Fremdkörper einer ihm unbekannten Lebenshaltung zeigen. Zum vermutlich ersten Mal in seinem Leben basiert diese "Fremdheit" nicht auf den Ressentiments vor einer anderen Hautfarbe, sondern in dem Umstand, dass er tatsächlich ihm unbekanntes Terrain betritt. Ein Terrain, von dem er aber bald spürt, dass dort Rassismus tatsächlich aussterben könnte. Eine naive Utopie, wie der reale Geschichtsverlauf zeigen wird. Doch 1966 darf noch vom "Summer Of Love" und dem Sieg der Rebellion über das Establishment geträumt werden.

Während in den früheren Easy Rawlins-Romanen zeitgeschichtliche Bezüge einen wesentlichen Anteil an den jeweiligen Geschichten hatten, treten sie in Cinnamon Kiss hinter Easys persönliche Befindlichkeiten zurück. Oder anders gesagt: Easys biographischer Umbruch wird mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen konterkariert. Während Rawlins sich zwischen Angstträumen, einem verzwickten Fall und fragilen Beziehungen beinahe verliert, steht auch die (amerikanische) Gesellschaft auf der Kippe. Die Sünden der Vergangenheit drängen an die Oberfläche, die Verfehlungen der Gegenwart werden sich ihren Weg frei schlagen. Interessanterweise gibt es Hoffnung dort, wo man es kaum erwartet. Betrogene sind in der Lage ihren Betrügern zu verzeihen, während Liebende sich eingestehen müssen, dass wahrhaft zu lieben manchmal heißt, loslassen zu können. Lektionen, die die Täter nicht begriffen haben, weshalb sie fast zwangsläufig ihrem Untergang entgegen taumeln. Easy bringt zwar Steine ins Rollen, doch die ausgleichende Gerechtigkeit stellt sich diesmal fast von selbst ein. Was auch dazu führt, dass der hartgesottene Mouse eine eher kleine Rolle spielt. Aber Easy findet neue Verbündete, Menschen, die für ihn da sind, wenn er sie braucht. Und sei es nur für Augenblicke. Allerdings solche, die zählen.

Cinnamon Kiss ist nicht Walter Mosleys bestes Buch. Manches wird zu knapp ausgeführt, anderes läuft zu schematisch ab; für einen stimmungsvollen, spannenden Detektiv-Roman mit Widerhaken reicht es allemal.

Cinnamon Kiss

Walter Mosley, Fischer Taschenbuch Verlag

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