Studio 6

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 2001
  • 12
  • Stockholm: Ordupplaget, 1999, Titel: 'Studio Sex', Seiten: 447, Originalsprache
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2001, Seiten: 4, Übersetzt: Judy Winter
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2002, Seiten: 415
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2003, Seiten: 415
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2004, Seiten: 5, Übersetzt: Judy Winter
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2005, Seiten: 415
Studio 6
Studio 6
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Sabine Reiß
81°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2003

Nicht genug Spannung (70°) ein wahres Meisterwerk (92°)

Es ist ungewöhnlich, dass eine Autorin eine Serie quasi in die Vergangenheit fortsetzt, aber genau diesen Weg wählt Liza Marklund in ihrem neuen Krimi mit dem Namen "Studio 6". Hauptfigur ist eine Journalistin mit dem Namen Annika Bengtzon, die am Anfang ihrer Karriere steht und als Sommervertretung bei einer Abendzeitung in Stockholm beschäftigt ist. Ihr Vertrag bei ihrer "Heimatzeitung" in einer Kleinstadt ruht. Natürlich hofft sie, nach diesem Sommer eine Festanstellung zu erhalten und strengt sich daher besonders an. Als eine Frauenleiche in einem Park gefunden wird, sieht sie in der Recherche ihre Chance. Sie lernt durch Zufall die Mitbewohnerin der Toten kennen: beide haben in einem Nachtclub mit dem Namen Studio 6 gearbeitet. Diese erzählt ihr, dass Josefine (so der Name der Toten) oft Streit mit ihrem Freund, dem Nachtclubbesitzer hatte. Gleichzeitig ist Studio 6 auch der Name eines politischen Radio-Nachrichtenmagazins, das in der Redaktion des Abendblattes eifrig verfolgt wird.

Annika hat zunächst Erfolg, teilweise durch ihre Herangehensweise, da sie nicht über Leichen geht, um an Informationen zu kommen, teilweise auch durch ihre Naivität. Auch eine Portion Zufall ist im Spiel, als sie am Tatort mit einer Frau spricht, deren zusammenhangloses Geschwätz Annika zumindest die richtigen Fragen gegenüber der Polizei stellen läßt. Damit ist sie den Konkurrenzblättern um einiges voraus. Als der Außenhandelsminister in den Zeitungen als Verdächtiger genannt wird, weiß sie, dass dieser nur verhört wurde, weil er eine Wohnung im Haus der Toten hatte, von der niemand wußte. Sie schreibt einen Artikel, in dem sie diese Information verarbeitet. Doch es stellt sich heraus, dass der Minister kein Alibi für die Tatzeit hat und sich die Verdachtsmomente gegen ihn verstärken - er soll am Mordabend Gast im Studio 6 gewesen sein, wofür Belege existieren. Als zudem noch einer ihrer Artikel über eine Gedenkfeier für die Tote im Radio in den Schmutz gezogen wird, stehen ihre Chancen äußerst schlecht, ihr Bild in der Redaktion und auch in der Öffentlichkeit wieder gerade zu rücken.

Sie recherchiert auf eigene Faust und entdeckt ein Netz von politischen Verwicklungen, die eigentlich nichts mit dem Mord an dem Mädchen zu tun haben. Wird Annika eine befriedigende Lösung finden?

Der Erstling von Liza Marklund mit dem Titel Olympisches Feuer hat mich schon begeistert, so daß ich auf die Fortsetzung der Reihe sehr gespannt war. Der Autorin ist der Schritt in die Vergangenheit jedoch nicht so gelungen, wie ich es mir erhofft habe. Herausgekommen ist bei der Anfängerin Annika eine einerseits naive Person, die dennoch schon Schritte unternimmt, die ihre Kollegen in Erstaunen versetzen und ihr beachtliche Erfolge einbringen. Liza Marklund versucht dies zum Teil durch Glück und auch durch Zufall zu untermauern, was meines Erachtens nicht ganz von Erfolg gekrönt ist. Die Reporterin zieht Schlüsse, die nicht zu einer kleinen Reporterin eines Provinzblattes passen, die sich zum ersten Mal mit einem Mord konfrontiert sieht. Alles in allem wirkt die Geschichte auf mich ein wenig unglaubwürdig.

Ansonsten ist die Heldin stark vom Schicksal gebeutelt: ihr Vater ist gestorben, die Beziehung zu ihrer Mutter ist nicht die beste, ihr Freund kann ihren Wunsch, in der Großstadt zu leben nicht verstehen und unterdrückt sie, nur ihre Großmutter gibt ihr Halt. Wie sie das alles meistert und "nebenbei" noch in dem Mordfall recherchiert, das ist schon stark. Liza Marklund mußte wohl als Journalistin am eigenen Leib erleben, wie schwer es Frauen im Beruf haben, auch in Schweden, das ja als recht emanzipiertes Land gilt. Aber zum Streß im Beruf bürdet sie Annika eben noch ihre Herkunft und ihr Familienleben auf.

Wie fast in jedem schwedischen Krimi tropft die Gesellschaftskritik aus allen Poren, aber das stört mich nicht. Daß jedoch Liza Marklund den Mordfall mit den politischen Skandalen Schwedens verbindet, das erscheint mir schon von Anfang an als zu offensichtlich - Spannung ist dennoch auf jeden Fall gegeben, aber nicht genug, so daß ich mich hin und wieder zwingen mußte, den Roman zur Hand zu nehmen. Am Ende bleibt ein kleiner bitterer Nachgeschmack, der bei mir auch nicht durch den Showdown zu vertreiben ist, denn uns die Autorin noch präsentiert, wenn keiner mehr damit rechnet. (bee)

Die Handlung von "Studio 6" spielt acht Jahre vor Olympisches Feuer, wo wir Annika Bengtzon als erfahrene Kriminalreporterin, aber auch als junge Mutter und Familienmenschen haben kennenlernen dürfen. Nun erleben wir sie als junge Reporterin, die noch ein wenig grün hinter den Ohren ist. 24 Jahre ist sie alt und sie hat ehrgeizige berufliche Pläne. Ein paar Jahre hat sie bei einem kleinen Provinzblättchen gearbeitet, nun will sie hoch hinaus und hat eine Sommervertretung beim Abendblatt, einer Stockholmer Tageszeitung, angenommen. Ihr erklärtes Ziel ist es, so gut zu sein, dass sie nach Ablauf ihrer Vertretung fest eingestellt wird. Eines Tages sieht sie ihre große Chance kommen.

Bei Studio 6 handelt es sich um eine populäre Radiosendung, die wochentäglich im schwedischen Rundfunk läuft. Ein Reportagemagazin mit Berichten zum aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehen in Schweden. Aber ein findiger "Geschäftsmann" hat sich vom Titel dieser Sendung inspirieren lassen und seinen exklusiven Nachtclub mit dem gleichen Namen bedacht. Der schwedische Originaltitel "Studio Sex" bringt den Wortwitz besser rüber, denn das Wort "Sex" steht im schwedischen sowohl für die Zahl als auch für die sinnliche Betätigung...

In der Redaktion des Abendblatts geht ein Anruf ein, dass im Kronobergspark die Leiche eines jungen Mädchens gefunden worden sei. Da alle anderen Reporter gerade im Einsatz sind, entscheidet Spiken, der Nachrichtenchef, dass Annika und eine Kollegin, Berit Hamrin, diesen Fall übernehmen. Zusammen mit einem Fotografen brechen sie auf. Es gelingt ihnen, gute Fotos zu schiessen und Annika findet schnell heraus, um wen es sich bei der Leiche handelt. Sie schreibt einige gute Artikel für die nächste Ausgabe und kann sehr stolz auf ihre Recherchen sein.

Da die Leiche des jungen Mädchens deutliche Würgemale aufweist, ist es für die Polizei und auch für Annika sofort klar, dass es sich um einen Mord handeln muss. Außerdem fielen Annika, die noch einen kurzen Blick auf die Leiche werfen konnte, die üppigen Silikonbrüste auf. Sie fragte sich, wieso solch ein junges Mädchen sich so was machen lässt und forscht nach. Josefine Lilljeborg, so der Name der ermordeten 19-jährigen, war Abiturientin an einem Stockholmer Gymnasium und wollte nun wohl Reporterin werden. Schließlich findet sie heraus, wo Josefine gewohnt und gearbeitet hat und lernt ihre Mitbewohnerin kennen. Patricia, eine dunkelhäutige Schönheit aus Südamerika, arbeitet als Stripperin im Studio 6, wo auch Josefine ihr Geld verdient hat.

Annika ist den Kollegen der anderen Zeitungen in ihrem Wissen meilenweit voraus. Sie findet inzwischen heraus, dass Josefine mit dem Betreiber des Nachtclubs eine Beziehung hatte, sich aber nun von ihm trennen und auch nicht mehr im Studio arbeiten wollte. In ihrer Unerfahrenheit weiß sie aber nicht, wie sie mit ihrem Wissen über die Nebentätigkeit der Abiturientin umgehen soll und baut es nicht in ihre Artikel ein. Sie scheut auch davor, die Eltern des toten Mädchens noch einmal zu belästigen. Nach einigen Tagen Recherche glaubt sie zu wissen, wen die Polizei des Mordes verdächtigt. In einem ihrer Artikel macht sie ziemlich unverbindliche Andeutungen. Sie fährt daraufhin über das Wochenende zu ihrer Familie, ihrem Freund und ihrer Oma aufs Land. Sie sieht dort zufällig den Premierminister, da ihre Großmutter in der Nähe eines Gästehauses der Regierung wohnt. Als sie wieder nach Stockholm kommt versteht sie die Welt nicht mehr.

Der Außenminister, von dem zwischendurch in einem anderen Handlungsstrang immer wieder berichtet wurde, wie er mit seiner Familie und dem Premierminister telefoniert hat, wird von der Radiosendung Studio 6 als Hauptverdächtiger in dem Fall geliefert. Außerdem wird eine junge Reporterin vom Abendblatt, ihr Name ist Annika Bengtzon, beschuldigt, in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von der "kleinen toten Nutte" aufgebaut zu haben. Es wird bekannt, dass Josefine im Nachtclub Studio 6 gearbeitet hat und dass der Minister in der Mordnacht mit gewesen sein soll.

Annika kann dies alles gar nicht glauben. Ihr Ansehen beim Nachrichtenchef und in der Redaktion ist auf dem Nullpunkt. Ihre Übernahme nach der Vertretungszeit scheint gefährdet. Von ihrer erfahrenen Kollegin Berit aus der Kriminalredaktion muss sie sich Vorwürfe gefallen lassen, aber sie hält weiter zu ihr. Auch der neue Chefredakteur Schyman, ein Neuling in der Zeitungsbranche, findet, dass Annika bislang gute Arbeit geleistet hat. Sie darf an dem Fall weiterarbeiten. Und während alle anderen Zeitungen und Nachrichtenmagazine glücklich sind, dass das Sommerloch gefüllt werden kann, ist Annika die einzige, die noch ernsthaft an dem Fall recherchiert.

Durch Zufall findet sie heraus, dass der Außenminister eine geheime Stadtwohnung in unmittelbarer Nähe des Tatorts hat. Sie recherchiert Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung der Nachtclubrechnung und kann schlussfolgern, dass der Politiker in der betreffenden Nacht überhaupt nicht in dem Sexclub war. Wohl aber hat ihn eine Nachbarin erst am frühen morgen abgekämpft nach hause kommen sehen. Dennoch tritt der Minister in Folge der Affäre von seinem Amt zurück. Was hat dieser Mann in der betreffenden Nacht gemacht, dass er lieber des Mordes verdächtigt wird, als die Wahrheit zu verraten?

Was zunächst wie ein ganz normaler Mord aussah weitet sich zu einem handfesten Politskandal aus. Annikas Recherchen bringen noch einige Überraschungen ans Tageslicht und - soviel sei verraten - schließlich kann sie den wahren Mörder nennen. Wie sie dort hinkommt, ob sie ihn ausliefern kann, was das ganze mit einer kaukasischen Republik und Waffenexporten zu tun hat, das alles steht im Buch von Liza Marklund.

Toll, und das war’s etwa? Nein! Das Buch kann noch einiges mehr. Jeweils ein Tag bildet in der Erzählung ein Kapitel. Unterteilt sind die Kapitel von den Tagebucheinträgen eines jungen Mädchens, das von ihrer ersten großen Liebe erzählt, davon, wie diese Liebe in ihr nachlässt, sie von ihrem Freund misshandelt und regelrecht vergewaltigt wird. Sie beschreibt den Druck, dem sie sich ausgesetzt fühlt und beschwört dennoch am Ende eines jeden Eintrags, dass sie sich niemals trennen werden. Bis sie endlich den Trennungsgedanken ausspricht. Josefine, so scheint es, hat sich diesem Druck gebeugt und ist für ihren Freund strippen gegangen. Erst ganz am Ende des Buches wird klar, was es mit den Tagebucheinträgen wirklich auf sich hat.

Hier wird das Buch von einem gefälligen Thriller zu einem wahren Meisterwerk. Marklund schafft es, einen spannenden Krimi zu erzählen, der sicherlich fesselnd geschrieben ist und den man flüssig lesen kann. Indem sie einen historischen Hintergrund aus der jüngeren schwedischen Politikgeschichte, nämlich die IB-Affäre aus den frühen 70er Jahren, aufgreift und ihr ein eigenes, fiktives Ende gibt, baut sie quasi in der Nebenhandlung auch noch einen kleinen Politthriller auf. Der wird jedoch im Vergleich zur restlichen Handlung nur recht zögerlich aufgebaut und erhält vielleicht zu wenig Dimension, denn von der Brisanz des Themas erhält der Leser nur wenig Eindruck.

Würde Studio 6 jedoch an der Stelle enden, an der Annika den wahren Mörder kennt und weiß, was der Minister in der Tatnacht getan hat, wäre er ein Krimi wie viele andere auch. Nein, das Ende bringt noch einmal eine große Überraschung, durch die viele kleine Details in der Handlung einen neuen oder überhaupt erst einen Sinn bekommen. Ich war von dem Ende derart begeistert, dass ich zunächst das gesamte Buch direkt noch einmal lesen wollte. Raffiniert und absolut begeisternd vermittelt Marklund den Eindruck, dass kein Element ihres Kriminalromans zufällig platziert wurde.

Marklund erzählt den Gang der Handlung aus der Perspektive verschiedener Personen. Hauptsächlich begleitet sie dabei Annika Bengtzon, aber kurze Abschnitte schildert sie zwischendurch in diversen Nebenerzählsträngen das, was gerade um andere Personen herum geschieht. Dabei wechselt sie häufiger zum Außenminister und zu Patricia, aber dort wo es nötig ist auch zu Anders Schyman, den Chefredakteur und zu Annikas Freund Sven. Alles, was der Leser mitkriegen muss, wird ihm von Marklund serviert. Die Charaktere der Hauptpersonen werden dabei klar und gründlich umrissen. So bleibt eigentlich nur ein kleiner Kritikpunkt, der mit der Übersetzung zusammenhängt. Die Übersetzung aus dem Schwedischen besorgte Susanne Dahmann und im großen und ganzen ist sie flüssig lesbar. Einzig störend sind die an vielen Stellen vorkommenden Ortsbezeichnungen und Straßennamen, die für mich nur sehr schwer aussprechbar waren. Aber hieran lässt sich halt auch bei einer Übersetzung nichts ändern und deshalb werde ich diesen einen Nachteil nicht überbewerten wollen.

Ein Buch, das fesselnd und spannend geschrieben ist und bei dem sich die Zusammenhänge nur nach und nach ergeben. Insgesamt ein fesselndes Lesevergnügen mit einem Ende, das selbst Experten in Sachen Kriminalliteratur komplett überraschen wird. (kue)

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