Unterholz

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2013
  • 8
  • Berlin: Argon, 2013, Seiten: 6, Übersetzt: Jörg Maurer
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2012

Killer, Problemlöser und Knöcherlputzer

Die nach ihrem früheren Eigentümer benannte Wolzmüller-Alm ist schwer einsehbar, und deshalb ein idealer Ort für Seminare und Tagungen, deren Teilnehmer wenig Wert auf Publicity legen. Diesen Grundsatz beherzigt auch der Pächter Rainer Ganshagel. Er ist bestrebt, seinen Gästen bei hoher Diskretion einen perfekten Service zu bieten. Dieses Geschäftsprinzip sieht er in Gefahr, als bei einem Seminar, dessen Teilnehmer ganz besonders Wert auf Verschwiegenheit legen, eine Teilnehmerin tot unter einem Baum auf der Alm gefunden wird. Ein Fall für die rührigen Polizisten aus dem Kurort. Hubertus Jennerwein und sein Team rücken aus – und treffen keinen der Gäste mehr an. Die sind überstürzt abgereist, aber das ist nicht das einzige Rätsel, dem sich Jennerwein und seine Truppe gegenüber sehen. Bis zur Lösung des Falles im dynamischen Finale gibt es noch etliche weitere Fragezeichen – und es bleibt auch nicht bei einer Leiche.

Jörg Maurer zeigt sich bei seinem neuen Roman in Bestform. Er bietet dem Leser wie gewohnt keinen "trockenen" Kriminalroman, aber eine Kriminalkomödie würde ich das auch nicht nennen. Vielmehr gelingt es dem Autor, mit seiner Kriminalgeschichte ordentlich Spannung aufzubauen, ohne das humoristische Element zu vernachlässigen. Daneben bietet Maurer wieder einmal durchaus Lokalkolorit vom feinsten, ohne den Kurort jemals namentlich zu benennen. Dabei ist klar, dass Jennerwein und sein zuweilen folkloristisch anmutendes Team ihren Dienstsitz in Garmisch-Partenkirchen haben. Maurer profitiert beim Schreiben von seiner hervorragenden Kenntnis der Verhältnisse im Werdenfelser Land, und er versteht es bestens, den Leser damit zu unterhalten. Was bei anderen regional geprägten Krimis zuweilen auf die Nerven geht, gehört bei Maurer wie selbstverständlich dazu. Das ist zu einem gehörigen Teil seiner Erzählkunst zu verdanken. Nebenbei bemerkt: Wer die von ihm selbst gelesenen Hörbuchversionen seiner Romane noch nicht kennt, sollte sich das unbedingt mal gönnen. Ein köstliches Vergnügen.

Ein Klasse für sich sind bei Maurer stets die handelnden Personen. So in diesem Fall der Wirt der Wolzmüller-Alm. Der "Ganshagel Rainer" – im alpenländischen wird der Nachname zuerst genannt – hat mit Hilfe des Bürgermeisters ein völlig neues Konzept des innovativen Tourismus aufgezogen. So genannte "Manager-Seminare" sollen ihm mit Besuchern aus der ganzen Welt ordentlich Geld in die Kasse spülen. Der Leichenfund treibt ihn deshalb in die Verzweiflung, und er holt sich Hilfe, die das Problem eher zu verschlimmern droht. Ganshagel ist dem Mörder jedoch vor der Tat begegnet, was ihn dann nicht nur das Geschäft, sondern sogar das Leben verlieren lässt.

Eine "Hauptperson" der besonderen Sorte präsentiert der Autor in Form der kleinen Tierchen, die in wenigen Stunden an der Leiche ganze Arbeit geleistet haben. "Knöcherlputzer" heißen sie im Volksmund ebenso treffend wie drastisch. Als "rothalsige Silphe" sind die kleinen Käfer den Zoologen bekannt, und im Werdenfelser Land kommen sie eigentlich nicht vor. Und so liegt es nahe, dass die "Knöcherlputzer" bei den weiteren Ermittlungen noch eine wichtige Rolle spielen.

Neben dem sympathischen und rührigen Polizeiteam tauchen auch andere alte Bekannte wieder auf. Der Hallodri Swoboda aus Österreich, der "Problemlöser", ist ebenso mit von der Partie, wie Padrone Spalanzani als Stichwortgeber im fernen Italien. Und die alten und neuen Protagonisten hangeln sich durch eine Handlung, die zuweilen kräftig abseits des Realitätssinns vorangetrieben wird. Maurer bevorzugt dabei eine Abfolge von durchaus für sich stehenden Szenen, verliert nach meiner Meinung den roten Faden aber nicht aus den Augen. Da ist es auch kein Problem, dass er gerne Exkurse einbaut, wie etwa über den Wolzmüller Michl, der nur vermeintlich ein Depp ist, oder über das wandernde Mediziner-Pärchen und den im sächsischen Idiom vorgetragenen Erguss über einen Borreliose-Patienten.

Der bereits fünfte Alpenkrimi von Jörg Maurer zeigt den Autor in Höchstform. Er versteht es, seine Leser in der bewährten Art zu unterhalten, und mit seiner durchaus verworrenen Geschichte, die jedoch wirklich lesenswert erzählt wird, unterscheidet er sich wohltuend von vielen seiner Kollegen, die genau das versuchen, zuweilen aber in Ansätzen stecken bleiben. Nun mag man einwenden, dass viele seiner Seitenhiebe – so etwa auf den etablierten Kulturbetrieb – an der Oberfläche bleiben. Aber nach meiner Meinung nimmt das den vielen geistreichen Bemerkungen nicht ihre Würze. Der Kurort und das Jennerwein-Team bieten jedenfalls noch reichlich Potenzial für überaus unterhaltsamen und spannenden Lesestoff.

Unterholz

Jörg Maurer, Argon

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