Film:
„Psycho III“ – 1986

Krimi-Couch Spezial von Marcel Scharrenbroich

„Hier bleibt NIEMAND lange.“ - Norman Bates

Ja klar, Typ! Frag‘ Dich mal WARUM? Wenn Deine Mutter wüsste, was Du da treibst… sie würde im GRABE ROTIEREN! Oder… auch nicht. Nein, wahrscheinlich würde sie das nicht. Eher applaudieren… grölend den Sohnemann anfeuern: „NOR-MAN! NOR-MAN! NOR-MAN! NOR…“ - Lassen wir das…

Erneut treibt es eine einsame, junge Frau in die Abgeschiedenheit des spärlich besuchten Motels, welches verlassen in der Pampa vor sich hinmodert und über permanente Überbelegung wahrlich nicht klagen kann. Die damals neugebaute Schnellstraße hat dafür gesorgt, dass sich äußerst selten Gäste in diese Gegend verirren und irgendwie scheint bisher jeder, der dieses schicksalshafte Örtchen auf der Landkarte tatsächlich gefunden hat, ein oder zwei Nächte in „Bates Motel“ auch verdient zu haben.

Die junge Maureen Coyle (Diana Scarwid) verlässt das Kloster, in dem sie einst als Novizin lebte, nachdem ein Selbstmordversuch gründlich danebenging. Als sie sich das Leben nehmen wollte, indem sie vom Glockenturm springt, eilten die anderen Nonnen herbei, um sie von ihrem drastischen Vorhaben abzubringen. Das daraus entstandene Handgemenge sorgte dafür, dass eine der älteren Ordensschwestern in die Tiefe fiel und zu Tode kam. Daraufhin macht sie sich mit Sack und Pack aus dem Staub und wird an einer Hauptstraße – kaum befahren und wahrscheinlich der einzige asphaltierte Weg weit und breit – vom Musiker und brotlosen Überlebenskünstler Duane Duke (Jeff Fahey) aufgelesen, der die junge Frau (natürlich MIT Hintergedanken) in seiner Karre mitnimmt. Nach einigen Meilen auf dem Tacho, kann der selbstverliebte Kerl, der sich für unwiderstehlich hält, seine Griffel nicht bei sich behalten und es kommt zur handfesten Auseinandersetzung mit der überrumpelten Maureen. Kurzerhand setzt er die unwillige Ex-Novizin des Nachts vor die Tür und nun steht sie wieder alleine da. Gedemütigt, innerlich verletzt und einsam.

Der gute Norman Bates (immer noch: Anthony Perkins) geht währenddessen weiterhin seinem Hauptberuf nach (NEIN… nicht dem Morden!) und führt das alte Familien-Motel… natürlich mehr schlecht als recht. Im örtlichen Diner trifft er auf die Journalistin Tracy Venable (Roberta Maxwell), die ganz heiß auf ein Interview mit Bates ist. Schließlich handelt es sich bei ihm um eine lokale Berühmtheit, wenn auch von zweifelhaftem Ruf. Das plötzliche Verschwinden von Emma Spool hat natürlich Staub aufgewirbelt und dass Tracy gerade eine Reportage über rehabilitierte Serienkiller schreibt, ist selbstverständlich auch kein Zufall (dazu sei gesagt, dass die Handlung von „Psycho III“ einen Monat nach den Geschehnissen von „Psycho II“ einsetzt). Vom Diner aus erblickt Norman erstmals die desillusionierte Maureen. Als sie das Lokal betritt, fällt sein Blick auf ihren Koffer und durch die Initialen M. C. blitzen die Erinnerungen an die durch ihn ermordete Marion Crane wieder vor seinem inneren Auge auf. Er ergreift die Flucht und lässt die neugierige Journalistin misstrauisch zurück.

Den schmierigen Duane Duke hat die einsame Straße mittlerweile zu „Bates Motel“ geführt, wo er von Norman auch direkt einen Job bekommt. Eigentlich auf Durchreise, möchte der erfolglose Musiker nur seine leeren Kassen auffüllen, um die weitere Reise durchs Land zu finanzieren. Ein Engagement auf Zeit also, bei dem Duke sich um die Rezeption und die Reinigung der Zimmer kümmern soll. Da ja bekanntlich alle Wege nach „Rom“ führen, dauert es auch nicht lange, bis die umherstreifende Maureen auf der Bildfläche erscheint. Durch die gemeinsame Autofahrt, die turbulent und für Maureen auf der menschenleeren Landstraße endete, weil der hormongesteuerte Fahrer seine Schmierfinger nicht am Lenkrad behalten konnte, ist der Neuankömmling natürlich wenig begeistert, dem Sittenstrolch erneut zu begegnen. Dennoch checkt sie ein… und bekommt das uns wohlbekannte Zimmer mit der Nummer 1.

Maureen und Norman fühlen sich sofort zueinander hingezogen, haben jedoch beide dunkle Flecken auf ihren Seelen. Mami ist immer noch nicht begeistert von Damenbesuch und wir wissen ja, wo es enden kann, wenn die „Dame“ des Hauses nicht zufrieden ist. Dass Duke zwischenzeitlich die Bekanntschaft der neugierigen Reporterin Tracy gemacht hat, die zwar nicht an seinen plumpen Anmachversuchen interessiert war, dafür aber sehr wohl daran, dass er im Motel von Norman Bates arbeitet, verkompliziert das unheilvolle Dreieck zwischen Norman, Maureen und Duke zusätzlich. Von nun an hat der neue Aushilfsmanager ein zusätzliches Auge auf alles, was im Motel vor sich geht… und dort passiert so einiges.

Hinter verschlossenen Türen III

„Psycho II“ hatte, wie bereits gesagt, so ziemlich alles richtig gemacht, um das große und unumstößliche Vorbild gebührend fortzusetzen. EINEN Fehler hatte Richard Franklins Sequel – beziehungsweise Tom Hollands Drehbuch - allerdings gemacht… bei einem nicht ganz unwichtigen Detail wollte man wohl einfach ZU viel. In dem Schnellrestaurant, in dem Norman nach seiner Zeit in der Psychiatrie jobbte, arbeitete auch eine ältere Dame namens Emma Spool (Claudia Bryar). Diese suchte Norman am Ende des Films in seinem Haus auf und machte dem labilen Burschen ein schockierendes Geständnis, welches selbst die Handlung von „Psycho“ auf Links drehte. Mrs. Spool erklärte Norman, dass SIE in Wahrheit seine Mutter sei und Norma Bates, in deren Namen er ja schließlich einige Leichen auf dem Kerbholz hatte, eigentlich nur seine Tante war. Für viele Leute grenzt dieser Story-Twist schon an Majestätsbeleidigung und ich schließe mich denen, die dies behaupten, vorbehaltlos an. Reminiszenzen ans Original? Gerne! Verweise und Zitate? Klar, warum nicht… aber den Motor, der die Taten des Hauptcharakters erst in Fahrt brachte, ausbauen und in einen Zweitwagen einsetzen… das geht überhaupt nicht. Wahrscheinlich wurde diese Wendung nur eingebaut, damit Norman Bates am Ende wieder „ganz der Alte“ werden konnte und den psychischen Knacks zurückbekam, der ihn schon in „Psycho“ zur Klinge greifen ließ… immerhin schlug er im Finale der alten Lady mit einer Schaufel den Kopf zwischen die Schultern. „Psycho III“ stellt diese abenteuerliche These jedoch wieder richtig und bringt Normans Familiengeschichte wieder auf Hitchcock-Kurs.

Auf die Frage, ob Anthony Perkins zum dritten Mal in die Rolle des mittlerweile ikonischen Norman Bates schlüpfen würde, antwortete er den Produzenten sinngemäß „Klar… aber nur, wenn ich Regie führen darf.“. Überraschenderweise stellte diese Forderung kein Problem da und so kam es, dass „Psycho III“ Perkins‘ erste von insgesamt zwei Regiearbeiten wurde. Heute fast undenkbar, einem Neuling ein gewichtiges Franchise in die unerfahrenen Hände zu legen. Doch wer kannte Norman Bates besser als Anthony Perkins? Eben…! Entgegen aller Erwartungen, sorgte der Debütant für überraschte Gesichter, weil er sich akribisch vorbereitete und seinen Job als Director extrem ernst nahm. Ebenso wie im Original, gibt es auch hier einige visuelle Kniffe, die eine höchst beachtliche Wirkung erzielen. So verlässt Norman Bates beispielsweise ein Zimmer im Krankenhaus durch eine Tür und befindet sich urplötzlich und ohne Schnitt im Schlafgemach seiner verstorbenen Mutter, mit der er nahtlos ein Schwätzchen hält. Im Grunde nur ein simpler Set-Wechsel, der im Film aber extrem atmosphärisch rüberkommt. Die Darsteller lobten zudem die positive Stimmung, die Perkins am Set verbreitete und seine Nahbarkeit und Kollegialität, während hinter der Kamera schnell allen klar wurde, dass er eine genaue Vision von dem hatte, was er dort auf die Beine stellen wollte. So sollte „Psycho III“ nicht ein erneuter, uninspirierter Aufguss von bereits Gesehenem werden und auch weder Original, noch dessen Fortsetzung von 1983 plump adaptieren.

Um seiner Crew die Stimmung zu vermitteln, die er in seinem Regiedebüt beabsichtigte zu erreichen, zeigte Perkins seinen Kollegen den Film „Blood Simple“. Der Thriller aus dem Jahr 1984 ist das Regie-Debüt der Brüder Joel und Ethan Cohen, welche unter anderem für die umjubelten Filme „Hudsucker – Der große Sprung“, „Fargo“, „The Big Lebowski“, „No Country for Old Men“ oder das Remake von „True Grit“ verantwortlich sind. Die Neo-Noir-Hommage „Blood Simple – Eine mörderische Nacht“ hatte bei Perkins einen bleibenden Eindruck hinterlassen und er wollte sich mehr an den Coen-Brüdern und deren Inszenierungs-Stil orientieren, statt Alfred Hitchcock und Richard Franklin mit dem Original und dessen direkter Fortsetzung nachzueifern. Dies gelang für einen Regie-Neuling überraschend gut, da sich „Psycho III“ tatsächlich nicht nahtlos einreiht, sondern eigenständige Wege geht. Dies allerdings ohne den roten Faden zu verlieren. Es geht immer noch vorrangig um Norman Bates und das desaströse Verhältnis zu seiner Mutter… Gott hab sie selig, wo immer sie gerade vor sich hin-mumifiziert.

Als Drehbuchautor trat hier ein weiterer Debütant in Erscheinung. Charles Edward Pogue hatte zuvor nur „Sherlock Holmes“-Adaptionen fürs amerikanische Fernsehen verfasst und schrieb mit „Psycho III“ sein erstes Script für die große Leinwand. Danach folgte sein Drehbuch zu David Cronenbergs Remake von „Die Fliege“, welches der Regisseur zwar noch nach eigenen Wünschen verfeinerte, dieses jedoch gänzlich Pogue zugeschrieben wird. Nach einem erneuten Remake - diesmal der Thriller „D.O.A. – Bei Ankunft Mord“ mit Dennis Quaid und Meg Ryan – widmete sich Pogue den Fantasy-Abenteuern „Dragonheart“ und „Kull, der Eroberer“, nach Motiven des „Conan“-Schöpfers Robert E. Howard. Beide Produktionen ließen ihn aber enttäuscht zurück, da die jeweiligen Studios ihre Wünsche durchgesetzt hatten und Pogues Screenplays nach Belieben veränderten. Leider keine Seltenheit im Hollywood-Business, wie das aktuelle „Hellboy“-Reboot „Call of Darkness“ und DCs/Warners „Suicide Squad“ und „Justice League“ schmerzlich gezeigt haben. Verständlich also, dass Charles Edward Pogue alles andere als begeistert war und seitdem den Großproduktionen den Rücken kehrte.

Ihm und Perkins ist es aber zu verdanken, dass die zweite „Psycho“-Fortsetzung mit teils parodistischen Untertönen unterlegt wurde und der eine oder andere, knackige One-Liner zum Schmunzeln einlädt. Für „Psycho“-Freunde gibt es also eine Menge Reminiszenzen und Fan-Service, was den eigentlich schüchternen und spröden Norman schon beinahe cool wirken lässt. Ungewohnt, aber durchaus passend, da „Psycho“ sich mittlerweile als feste Marke im Genre etabliert hatte. Auch auf technischer Seite machte man hier einen ehrfürchtigen Knicks vorm großen Sir Hitch. Schon in den ersten Minuten des Films, als die Nonne vom Glockenturm segelt, gibt es den sogenannten „Vertigo“-Effekt zu bewundern, den Hitchcock in seinem gleichnamigen Spielfilm von 1958 mit James Stewart und Kim Novak einführte. Bei diesem Verfahren bewegt sich die Kamera auf ein Objekt zu, zoomt dabei aber gleichzeitig raus, was dazu führt, dass die perspektivische Tiefe gestreckt wird und sich beim Zuschauer ein Schwindelgefühl (= Vertigo) einstellt. Eine Technik, die heutzutage zum Repertoire jedes Kameramannes gehört und dutzendfach Verwendung findet. Eine nette, dezente Hommage, von denen es, wie gesagt, mehrere in „Psycho III“ zu entdecken gibt. Der dritte Anlauf machte generell auch nicht viel falsch, erntete dennoch nur gemischte Kritiken, weswegen dies auch der letzte Ausflug von Norman Bates in die Lichtspielhäuser war… zumindest innerhalb der fortlaufenden Reihe.

Am Cast wird es nicht gelegen haben, denn alle Darsteller liefern aus aktueller Sicht eine sehr solide Vorstellung. Natürlich verblassen ihre Leistungen neben dem Schauspiel von Anthony Perkins, der Norman Bates mittlerweile aus dem Effeff kannte und mit der Rolle verschmolzen schien. Trotzdem - oder gerade deshalb - schienen alle Beteiligten dadurch angestachelt, mit dem Hauptdarsteller mithalten zu wollen. Love-Interest Maureen, gespielt von der bereits 1980 Oscar-nominierten Diana Scarwid, die anschließend noch in „Extremities“ und „Schatten der Wahrheit“ zu sehen war, steht ihren direkten Vorgängerinnen Janet Leigh und Meg Tilly bald in Nichts nach und liefert eine überzeugende Darstellung. Zumindest kam keine der genannten Damen dem mordenden Motel-Betreiber bisher näher… Scarwid spielte ferner in diversen TV-Filmen und war in mehreren Serien zu bewundern. Darunter Fernseh-Dauerbrenner, wie „Outer Limits“, „Prison Break“, Cold Case“, „Criminal Minds“ und „Lost“… was uns zum letzten Mitglied des Trio Infernale führt, welches „Bates Motel“ so kräftig auf Trab hält.

Der New Yorker Jeff Fahey, der im Mystery-Hit „Lost“ ab der vierten Staffel als Frank Lapidus zu sehen war, gibt überzogen-schmierig den herumreisenden Musiker Duane Duke, dem seine Gitarre wichtiger erscheint, als das leibliche Wohlergehen. Nach dem Spät-Western „Silverado“ von Lawrence Kasdan (Drehbuchautor von „Das Imperium schlägt zurück“, „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, „Das Erwachen der Macht“ und „Solo: A Star Wars Story“) verschlug es Fahey in Bates‘ unheilvolle Herberge und er überzeugte Perkins dadurch, dass er alle Texte seiner Rolle bereits auswendig kannte und so ohne große Vorbereitung direkt voll in die Textproben mit dem Regisseur und Star des Films einsteigen konnte. Der smarte Unsympath ist ihm hier wahrlich auf den Leib geschrieben und als Zuschauer hasst man den selbstverliebten Dreckskerl bereits nach wenigen Filmminuten. Es kommt wohl nur in den seltensten Fällen vor, dass man einem nachgewiesenen Serienmörder und Psychopathen mehr die Daumen drückt, als seinem Kontrahenten, der wohl weitaus weniger auf dem Kerbholz hat. Was das über uns aussagt? Keine Ahnung… weiter im Text: Nachdem Jeff Fahey 1992 den „Rasenmäher-Mann“ im gleichnamigen Film nach Stephen King-Vorlage verkörperte, arbeitete er zwei Jahre später für „Wyatt Earp – Das Leben einer Legende“ erneut mit Lawrence Kasdan zusammen. Nach unzähligen B-Movies - quer durch alle Genre - und zahlreichen TV-Serien, spielte er für Regisseur Robert Rodriguez in dessen Filmen „Planet Terror“ (einem Teil des „Grindhouse“-Double-Features, dessen enttäuschendes Gegenstück „Death Proof“ von Quentin Tarantino bildet) und „Machete“, entstanden durch einen Fake-Trailer, der vor „Planet Terror“ gezeigt wurde und zum feuchten Fan-Traum avancierte. Aktuell war Fahey in der Manga-Verfilmung „Alita: Battle Angel“ als McTeague zu sehen. Produziert von James Cameron, saß dessen Kumpel Rodriguez hier erneut auf dem Regiestuhl.

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Cover und Fotos: © TURBINE Medien
Foto "Alfred Hitchcock": © istock.com/PictureLake

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