Film:
„Psycho II“ – 1983

Krimi-Couch Spezial von Marcel Scharrenbroich

„Ich bin wohl nur etwas nervös…“ - Norman Bates

Ach was… kein Grund zur Unruhe, Norman. Auch wenn Du über 20 Jahre nicht zuhause warst, wirst Du bald sehen, dass sich NICHTS verändert hat. Das Motel ist immer noch heruntergekommen und (fast) menschenleer, die Bruchbude auf dem Hügel „erstrahlt“ in gewohnt-modrigem Glanz – und diesmal sogar in Farbe! – und Mamis Schaukelstühlchen ist auch noch warm. Also, hereinspaziert…

Ganze 22 Jahre verbrachte Norman Bates (erneut: Anthony Perkins) in der Psychiatrie. 22 Jahre, um seinen gespaltenen Geist zu heilen und vom großen, mütterlichen Schatten, der einst vollends die Kontrolle über sein Handeln übernahm, zu befreien. Das Gericht sieht Norman als geheilt an und auch sein behandelnder Arzt, Dr. Bill Raymond (Robert Loggia), ist von seiner vollständigen Genesung überzeugt. Ganz und gar nicht überzeugt ist hingegen Lila Loomis (Vera Miles), deren Schwester Marion der Motel-Betreiber in jener verhängnisvollen Nacht, hinter den Türen des Zimmers Nr. 1, brutal mit einem Fleischermesser massakrierte. Lila selbst entkam den Vorkommnissen im alten Herrenhaus nur knapp mit dem Leben. Sie entdeckte die mumifizierte Leiche von Norma Bates im alten Kohlenkeller und es ist nur dem beherzten Eingreifen von Sam Loomis, Marions damaligem Liebhaber, zu verdanken, dass der besessene Bates sich nicht auch mit gezücktem Messer auf sie stürzte. Lila konnte den Wahnsinn in seinen Augen sehen und protestiert deshalb aufs Schärfste gegen die Freilassung von Norman Bates. Vergeblich…

Entgegen des Rates von Dr. Raymond beschließt Norman, wieder zum Ort des Grauens zurückzukehren. Er will wieder das alte Anwesen bewohnen und das Motel erneut betreiben. Dieses ist mittlerweile unter der Leitung des schmierigen Warren Toomey (Dennis Franz), welcher „Bates Motel“ während Normans unfreiwilliger Abwesenheit zum schäbigen Stundenhotel heruntergewirtschaftet hat. Dies gefällt dem Eigentümer natürlich gar nicht und er setzt den großmäuligen Toomey kurzerhand an die frische Luft. Doch der Rubel muss rollen, um so ein großes Anwesen am Laufen zu halten. Da trifft es sich gut, dass Norman zur Resozialisierung einen Job im örtlichen Schnellrestaurant vermittelt bekommt. Dort wissen die Mitarbeiter über seine bewegte Vergangenheit bescheid und auch Norman macht keinen großen Hehl aus seinen früheren Taten, ist er doch sichtlich bemüht, wieder ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu werden und sein damaliges Leben endgültig zu begraben.

Im Diner lernt Bates die junge Kellnerin Mary (Meg Tilly) kennen, die ebenfalls noch neu in der Belegschaft ist und augenscheinlich auch mit ein paar Problemchen zu kämpfen hat. Nach Feierabend belauscht Norman unfreiwillig ein Telefonat von Mary und die verzweifelte junge Frau offenbart ihm, dass ihr Freund sie gerade per Telefon vor die Tür gesetzt hat. Charmant und hilfsbereit, wie der gute Norman nun mal ist, bietet er Mary Unterschlupf in seinem Motel an. Platz gibt es dort schließlich genug und sympathisch ist man sich auch direkt auf Anhieb. Klingt doch wirklich, als würde es in Normies Leben endlich mal bergauf gehen, oder?

*hier bitte ein Buzzer-Geräusch vorstellen* - FALSCH!!! Denn plötzlich schleicht sich Mami wieder in den Alltag des vermeintlich Geheilten. Auf der Arbeit tauchen Zettel mit mysteriösen Botschaften auf, Mutters Zimmer ist urplötzlich wieder hergerichtet wie vor 22 Jahren, Telefonanrufe senden Grüße aus der Hölle und hinter der Schlafzimmergardine lässt sich eine altbekannte Silhouette erkennen. Dann fließt erneut Blut in „Bates Motel“…

Hinter verschlossenen Türen II

Der Sequel-Wahn, der uns seit Jahren im Kino und Heimkino heimsucht, ist keine neuzeitliche Erfindung. Auch früher schon waren die gewinnorientierten Studios nicht untätig und produzierten von bald jedem Film, der sein Budget wieder einspielte und ein wenig Gewinn abwarf, reihenweise Fortsetzungen. Die wenigsten dieser Sequels waren dabei für eine Kinoauswertung vorgesehen, sondern erschienen – kostengünstig produziert – direkt für den Videothekenmarkt und überfluteten die Regale. Einige Reihen entpuppten sich aber als wahre Kino-Dauerbrenner. Speziell Horrorfilme wie „Halloween“, „A Nightmare on Elm Street“, „Freitag der 13.“, „Chucky“ oder auch „Amityville“ wurden UND werden schier endlos fortgeführt, bis auch der letzte Tropfen Seele aus dem jeweiligen Franchise herausgemolken ist… DANN kommt irgendwann mal das (meist unnötige) Remake.

Zum Teil ist es sogar so, dass mit billigsten Mitteln Ableger produziert werden, nur damit das Studio die Rechte behält. Wenn ein Vertrag nämlich vorsieht, dass beispielsweise alle fünf Jahre ein neuer Teil veröffentlicht werden MUSS, damit die Rechte nicht an den ursprünglichen Inhaber zurück fallen, kommt nicht selten übelster Trash dabei heraus, der für Fans beinahe regelmäßig ein Schlag ins Gesicht ist… siehe „Hellraiser“ oder „Leprechaun“.

Natürlich gibt es auch positive Beispiele für Film-Fortsetzungen. „Der weiße Hai 2“ ist seinem bahnbrechendem Vorgänger beinahe ebenbürtig, „Terminator 2“ eine Action-Offenbarung, die den Ur-„Terminator gekonnt und gut durchdacht fortführt und John Frankenheimers knallharter Cop-Thriller „French Connection 2“ ließ Gene Hackman als Drogenfahnder „Popeye“ Doyle durch selbige Hölle gehen, die perfekt an William Friedkins „Brennpunkt Brooklyn“ von 1971 anschließt. Nur in den seltensten Fällen überragt eine Fortsetzung aber das Original. Dieses Kunststück gelang (meiner persönlichen Meinung nach) „Der Pate II“, „Aliens: Die Rückkehr“, „Predator II“, Christopher Nolans „The Dark Knight“, „The Conjuring 2“ und natürlich „Das Imperium schlägt zurück“… ja, ich weiß, dass Letzterer der Mittelteil einer Trilogie ist… dennoch ist es eine chronologische Fortsetzung, aber DAS steht alles auf einem ganz anderen Zettel.

Der hier besprochene „Psycho II“ fällt - damit wir mal wieder zum Thema zurückkommen – eindeutig in die Kategorie der gelungenen Fortsetzungen. Es wäre wohl auch sehr vermessen, sich mit Hitchcocks Meisterwerk auf eine Stufe zu stellen, aber erfreulicherweise versucht der Film aus dem Jahr 1983 dies auch nicht. Vielmehr war man sich des Stellenwertes von „Psycho“ beim Drehen bewusst und imitierte diesen nicht nur plump, sondern stellte eine glaubwürdige Weiterführung der Geschehnisse auf die Beine, die auch die inhaltliche Lücke von mehr als 20 Jahren sinnvoll schließen konnte. „Psycho II“ ist dabei auch keine Verfilmung des gleichnamigen Romans, den Original-Autor Robert Bloch 1981 veröffentlichte, sondern basierte auf dem Drehbuch von Tom Holland, welcher sich auch für die Skripte von „Fright Night – Die rabenschwarze Nacht“ und „Chucky – Die Mörderpuppe“ verantwortlich zeichnet und bei beiden kultigen Horror-Streifen ebenfalls Regie führte. Bloch legte seinen Roman zwar den Universal-Studios vor, allerdings entschied man sich gegen seine Version, in der Norman Bates aus der Klapse ausbrach und es ihn nach Hollywood zog, wo die vorangegangenen Ereignisse in „Bates Motel“ verfilmt werden sollten… was sich ein wenig danach anhört, als hätte die „Scream“-Reihe – im speziellen „Scream 3“ – ein wenig in Blochs Gefilden gewildert.

Regisseur Richard Franklin machte zuvor einzig mit dem australischen Sci-Fi-Horror „Patrick“ auf sich aufmerksam und drehte nach „Psycho II“ nur noch die erwähnenswerten Produktionen „Link – Der Butler“ und „F/X 2 – Die tödliche Illusion“, was eigentlich verwunderlich ist, da er mit der Hitchcock-Fortsetzung eine mehr als solide Visitenkarte hinterlassen hat, die gleich mehrere Türen hätte öffnen sollen. Franklin übernahm subtil einige von Hitchcocks filmischen Elementen und hat sie dezent in seine Fortsetzung eingeflochten, ohne den Großmeister zu kopieren. Bis auf das Intro, dass sich beim Original-„Psycho“ bediente, ging das Sequel gänzlich eigene Wege und funktioniert somit auch hervorragend eigenständig. Diese Eigenständigkeit macht sich auch im Soundtrack bemerkbar. Hier hielt Allround-Talent Jerry Goldsmith (1929 – 2004; „Planet der Affen“, „Das Omen“, „Star Trek“, „Alien“, „Gremlins“, „Poltergeist“, „Rambo“, „Quatermain“, „Meine teuflischen Nachbarn“, ich könnte den ganzen Tag so weitermachen…) die Zügel in der Hand und markierte sein Revier mit eindringlichen Stücken. Nur einleitend ist Bernard Herrmanns Original-Score kurz zu vernehmen.

Hier und da mal ein Zitat, hier eine altbekannte Kameraeinstellung, da ein kleines Detail in der Kulisse, fertig war die Hommage an den Klassiker. Ansonsten stand „Psycho II“ auf dem starken Fundament, das Hollands Drehbuch lieferte und nahm sich auch nicht zurück, wenn es um grafische Gewaltdarstellungen ging. Geschah der Horror in „Psycho“ noch weitestgehend abseits der Kamera und brannte sich nur durch die schnellen Schnitte und Kamerawinkel in die Köpfe der Zuschauer, die auch fast allesamt dachten, dass sie mehr gesehen hätten als tatsächlich gezeigt wurde, scheute sich „Psycho II“ nicht, die Slasher-Szenen onscreen zu zeigen. Da waren die 80er-Jahre den 60ern schon einen Schritt voraus, was Gewaltspitzen in Filmen anging… und wo Schokosirup, der einen Abfluss hinunterlief, damals noch für panische Schreie im Kinosaal sorgte, durften es rund zwanzig Jahre später auch mal ein Klingenhieb quer durch die Visage und der missglückte Versuch ein Messer zu schlucken sein. Weniger subtil, dafür aber drastisch und effektiv…

Selbstverständlich ist der unvergleichliche Anthony Perkins auch hier wieder Dreh- und Angelpunkt des Geschehens und man merkt ihm sichtlich die Spielfreude an, mit der er zu Werke ging. Jederzeit nimmt man ihm als Zuschauer den geheilten Psychopathen ab, der mit aller Kraft versuchte, ein wenig „Normalität“ in sein turbulentes Leben zu bringen. Ja, man empfindet sogar Sympathie für seinen Norman Bates und drückt ihm die Daumen, dass sich alles zum Besseren für ihn wenden möge. Reife Leistung!

Perkins‘ Leistung steht die der damals 23-jährigen Newcomerin Meg Tilly - Schwester der Schauspielerin Jennifer Tilly, bekannt aus „Chucky und seine Braut“ - in nichts nach. Nach Alan Parkers Tanzfilm „Fame - Der Weg zum Ruhm“ markierte „Psycho II“ einen wichtigen Punkt im Leben der aufstrebenden Schauspielerin, denn schon zwei Jahre später wurde sie für ihre Rolle in „Agnes - Engel im Feuer“ mit dem Golden Globe ausgezeichnet und anschließend für den Academy Award nominiert. Die Beziehung zum gestandenen Schauspieler Perkins am Set soll anfangs hervorragend gewesen sein, was sich mit zunehmender Dauer der Dreharbeiten jedoch änderte. Man munkelt, dass der Norman Bates-Mime sich von Tillys Professionalität und gutem Schauspiel bedroht fühlte und sie dies auch deutlich spüren ließ. Er verlangte sogar, dass ihre Rolle umbesetzt werden sollte. Tilly war sowieso nur „zweite Wahl“, da man von Anfang an Jamie Lee Curtis für die Rolle wollte, die kurz zuvor erst mit „Halloween“ zur Scream-Queen avancierte, damit in die Fußstapfen ihrer berühmten Mutter Janet Leigh trat und diese auch mit einem „Psycho“-Auftritt beerben sollte. Meg Tilly überraschte jedoch alle Anwesenden durch ihr Talent, obwohl sie noch neu im Business war. Vielleicht war ihr frisches und engagiertes Auftreten gerade der Schlüssel zum Erfolg… was von Regisseur und Hauptdarsteller schnell als Ignoranz ausgelegt wurde.

Vera Miles, die bereits in Alfred Hitchcocks „Psycho“ die Rolle der Lila Crane bekleidete, kehrte als Lila Loomis zurück. Und das, obwohl sie laut eigener Aussage keine Freundin von Fortsetzungen war. Allein das gelungene Drehbuch hatte sie dazu bewegt, obwohl sie befürchtete, dass der erst wenige Jahre zuvor verstorbene Hitch im Grabe rotieren könnte. Zweifel, die rückblickend betrachtet unberechtigt waren.

Abgerundet wurde das muntere Ensemble von Dennis Franz und Robert Loggia. Franz, der bereits unter Regisseur Brian De Palma Thriller-Erfahrung sammeln konnte und in dessen Filmen „Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren“, „Dressed to Kill“ und „Der Tod kommt zweimal“ mitspielte, wurde für seine Hauptrolle in der Crime-Serie „NYPD Blue“ regelmäßig für Fernseh-Preise nominiert. Robert Loggia hingegen dürfte in so gut wie jeder Produktion mitgespielt haben, die jemals das Licht der Welt erblickte. Seit den frühen 50er-Jahren wirkte der umtriebige Schauspieler in unzähligen TV-Serien mit, spielte an der Seite von Bud Spencer in „Zwei Missionare“ und „Plattfuß am Nil“ und war in „Ein Offizier und Gentleman“, „Scarface“, „Over the Top“, „Big“, „Independence Day“, David Lynchs „Lost Highway“ und der Roman-Adaption „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ zu sehen. „Independence Day: Wiederkehr“ war seine letzte Filmrolle… Robert Loggia verstarb im Dezember 2015, im Alter von 85 Jahren.

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Cover und Fotos: © TURBINE Medien
Foto "Alfred Hitchcock": © istock.com/PictureLake

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