Verwesung

  • Argon
  • Erschienen: Januar 2011
  • 63
  • New York: Bantam Press, 2010, Titel: 'The calling of the grave', Originalsprache
  • Berlin: Argon, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Johannes Steck
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Wolfgang Franßen
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2010

Von den Wurzeln des Todes

Nachdem David Hunter in Leichenblässe sein Mordgeschehen von London auf die Body Farm nach Knoxville, Tennesse, verlagert hatte, um uns mit Exhumierungen von Leichen, thantophilen Mördern, Larven von Sumpflibellen zu schockieren, erfahren wir zu Anfang von Verwesung mehr über den Verlust seiner Frau Kara und seiner Tochter Alice.

Beckett verlässt sich auf das, was Die Chemie des Todes neben der schockierenden Beschreibung von Leichen ausgezeichnet hat: auf das Psychogramm eines von einem Schicksalsschlag gezeichneten Forensikers, der sich selbst zu entfliehen versucht, weil er glaubt, am Tod seiner Familie Schuld zu sein.

Aus Eifersucht hat er vor acht Jahren eine Ausrede erfunden, um seine Tochter nicht abholen zu müssen. An seiner Stelle kam seine Frau Kara und wurde auf dem Heimweg in einen todbringenden Unfall verstrickt. Seitdem plagt sich Hunter mit der Frage herum: Was wäre gewesen, wenn er statt Kara Alice abgeholt hätte? Wäre der Unfall dann auch geschehen?

Gegenstand seiner Eifersucht war damals Terry Connors. Ein DI, der im Verlauf von Verwesung noch eine entscheidende Rolle spielen wird. Der Mann trinkt, spielt sich als Frauenheld auf und war bis zu jenem schicksalhaften Tag vor acht Jahren, mit Hunters Familie befreundet. Ausgerechnet Connors fühlte sich zu einem alkoholisierten Mobbing zu Kara hingerissen, während Hunter mit dem Entsetzen der Massengräber in Bosnien zu kämpfen hatte. Bei Hunters Rückkehr ist Kara auf Grund von Terrys ungehobelten Verhalten verstört, was ihren Mann umtreibt, bis es zum verhängnisvollen Unfall kommt.

Simon Becketts Romanserie um David Hunter heftet man allzu gern das Etikett düster an. Er wird für ihren detailverliebten Schrecken gelobt. Den Suspense bezieht der Autor vor allem daraus, dass David Hunter in auswegslose Situationen gerät, die er nie unbeschadet übersteht. In Kalte Asche wird gar auf ihn eingestochen werden und die Täterin spurlos verschwinden.

In Verwesung verlässt sich der Autor leider mehr auf das schaurige Ambiente eines sumpfigen Moors, der klaustrophobischen Angst unterirdischer Gänge und rührenden Szenen in verlassenen Minen, in denen Todgeweihte, festgeklemmt in einer Bergspalte im letzten Moment gerettet werden.

Das eigentliche Verbrechen um das Hunters Vergangenheit gestrickt ist, dreht sich um Jerome Monk, einem Serienmörder und Vergewaltiger, der die Morde an drei jungen Mädchen gestanden hat. Das erste Mal trifft Hunter ihn, als er gebeten wird, sich an der Identifizierung der Leiche von Tina Williams in Dartmoor zu beteiligen. Monk bietet sich an, bei der Suche zu helfen, weil er sich angeblich nicht mehr erinnert kann, insgeheim jedoch die Gelegenheit zu einem Fluchtversuch zu nutzen plant. Dies alles geschieht acht Jahre vor Monks Ausbruch aus dem Gefängnis.

Wie immer herrschen bei Beckett Uneinigkeit und Arroganz im Ermittlungsteam. War es in Leichenblässe der Professor und Profiler Irving, der für seine Arroganz abgestraft wurde, ist in Verwesung Leonard Wainwright gleichfalls Professor und forensischer Archäologe, derjenige der nicht nur Hunters Erkenntnisse als seine ausgibt, sich auch höhnisch über Monk auslässt. Auch er wird abgestraft werden.

Jerome Monk wird zum Knotenpunkt all jener, deren Schicksal viele Jahre später erneut zusammen geführt werden. Auch das von Sophie Keller, einer Beraterin, die anhand von psychologischen Erkenntnissen eines Täters, Strategien für Verhöre erstellt und mögliche Grabstellen mittels Orientierungspunkten in der Landschaft ausfindig macht.

Dass bei genauem Lesen, sich der eigentliche Schuldige wegen seiner Überzeichnung ziemlich schnell zu erkennen gibt, fängt Beckett durch glänzend formulierte Momente auf, die Menschen in ihrem persönlichen Abgleiten zeigen. Selbst seine Antihelden wie Wainwright oder Terry Conners versprühen dabei eher die Hilflosigkeit eigener Schwächen, als dass sie mutwillig agieren.

Wenn Beckett seine Figuren auf diesem Weg folgt, ergibt sich ein faszinierendes Tableau von Ermittlern, Verdächtigen und einem Mörder, die alle auf ihre Weise nur eines tun: Im Wasser um sich schlagen, um bloß nicht unterzugehen.

Vielleicht Becketts ehrgeizigster Thriller, weil er beinah ganz auf das wohldosierte Abseitige und den krassen Schrecken verzichtet, um seine Figuren in einem unausweichlichen Netz zu verspinnen.

Verwesung

Simon Beckett, Argon

Verwesung

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