Der Sohn des Teufels

  • Atria Books
  • Erschienen: Januar 2010
  • 7
  • New York: Atria Books, 2010, Titel: 'The boys from Santa Cruz', Seiten: 306, Originalsprache
Der Sohn des Teufels
Der Sohn des Teufels
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Jürgen Priester
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2010

Neustart nicht geglückt!

Bis in die erste Garde der Thriller-Autoren hat es der Kalifornier Jonathan Nasaw nie geschafft. In Deutschland debütierte er Ende der 1990er Jahre mit zwei Vampirromanen (Blutdurst und Reich der Schatten), die leider eher schlecht als recht waren. Zumindest konnte man über Blutdurst wegen seines unfreiwilligen Humors und seines unverwüstlichen Charmes der Hippie-Generation trefflich schmunzeln. 2003 gelang ihm mit Die Geduld der Spinne (The Girls He Adored, 2001) ein Achtungserfolg im Thrillersektor. Drei Fortsetzungen mit seinem Serienhelden E. L. Pender führten Band um Band ins schriftstellerische Aus. Ein Aufguss vom Aufguss vom Aufguss; was dabei herauskommt, wissen wir: Eine ungenießbare Plörre. Einen unbeholfenen, peinlichen Serienhelden kann man zur Not gerade eben tolerieren, aber viermal mit demselben Täter konfrontiert zu werden, ist unerträglich.

Nun war mit Der Sohn des Teufels der fünfte Thriller um Nasaws Top-Ermittler Ed Pender angekündigt. Das Schlimmste stand zu befürchten. Um so erstaunter ist man, wenn man mit der Lektüre von Der Sohn des Teufels beginnt, einen ganz anderen Nasaw zu erleben. Während die Pender-Reihe zuletzt nur noch ein szenisches Nebeneinander im Stile eines Richard Laymon war, erzählt er hier eine richtige Geschichte mit Sinn und Verstand, ja phasenweise sogar mit emotionaler Tiefe. Es sieht alles nach einem Neubeginn aus. Selbst der Heyne-Verlag drückt dies mit einem ansprechenden Cover aus, welches sogar einen Bezug zum Inhalt hat.

Luke Sweet lebt nach dem Tod seiner leiblichen Mutter in einem Wohnwagen im selben Trailer-Park, in dem sein Vater und seine neue Stiefmutter nicht nur hausen, sondern auch ihren verbrecherischen Geschäften nachgehen der Herstellung und dem Vertrieb von Hardcore-Pornos. Zu Anfang der Geschichte ist eine Sondereinheit des FBI unter Mitwirkung von Special Agent Ed Pender den beiden schon dicht auf den Fersen. Als Lukes Vater nach einer Observierung gestellt wird, kann er seine Frau Teddy gerade noch warnen, bevor er sich erschießt. Teddy gerät in Panik, weiß sie doch, dass es nicht allein um Pornos geht, sondern um Mord, denn sie haben auch Snuff-Videos gedreht. Luke, von allem nichts ahnend, beobachtet wie seine Stiefmutter die kompromittierenden Videos verbrennen will. Als aus der Ferne die ersten Polizeisirenen zu hören sind, erschießt sich auch Teddy. Luke ergreift die Flucht und beschließt erst mal bei seinen Großeltern unterzutauchen. Während Luke noch unterwegs ist, sichten die Cops das gefundene Material. Auf einem der Snuff-Videos glauben sie Luke als Kameramann identifizieren zu können. Sie kontaktieren auch die Großeltern. Diese geben Luke preis. Er wird verhaftet und einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Aufgrund eines Ermittlungsfehlers wird die Anklage zunächst fallengelassen, aber anstatt in Freiheit zu gelangen, wird Luke in ein obskures Resozialisierungsprojekt für auffällige Jugendliche gesteckt. Auch von dort flieht er. Seine Flucht geht noch über mehrere Stationen bis er in der geschlossenen Psychiatrie landet.

Dies sind die Ereignisse aus dem Jahre 1985 d.h. sie spielen 10 Jahre vor der aktuellen Handlung und werden rückschauend aus der Ich-Perspektive von Luke erzählt. Agent Pender hat da so ein Heftchen in die Hand bekommen, in dem Luke seine Leidensgeschichte festgehalten hat.

Wir erleben wie ein unschuldiger 15-Jähriger nach und nach kriminalisiert wird Taten beschuldigt wird, die er nicht - oder nicht so - begangen hat, der Opfer anwaltlicher und gerichtlicher Machenschaften wird, der am Ende aufgrund falscher Fürsorglichkeit in einer Irrenanstalt landet. Wer will es ihm verübeln, dass er auf Rache sinnt. Zehn Jahre Aufenthalt in einer Geschlossenen unter Dauermedikation mit Sedativa und Psychopharmaka haben Luke verändert.

An diesem Punkt macht Jonathan Nasaw in seiner Geschichte eine deutliche Zäsur. Die Ich-Erzählung ist beendet. Ein Mensch betritt die Bühne, der sich Asmador nennt, der mit den gefallenen Engeln Samael und Azrael Zwiesprache hält und der nach dem Plan eines dämonischen Rates, des Concilium Infernalis, genau die Personen verfolgt, die Luke Leid angetan haben. Auch wenn diese Dämonenerscheinungen sich nur im Kopf einer Person abspielen, die ansonsten in der realen Welt agiert, nimmt dieser Ausflug ins Phantastische einen viel zu breiten Raum ein, so dass auch ein toleranter Thrillerleser verständnislos den Kopf schütteln wird. Auch der Grundton der Geschichte ändert sich. Es wird mehr herumgeflachst. Humoristische, hippieske Sketcheinlagen rauben die letzte Ernsthaftigkeit. Pender summt und singt seine Oldiehits aus den 60er Jahren. Mit dem Privatdetektiv Skip Epstein hat Pender eine ideale Ergänzung gefunden. Gemeinsam folgen sie der Spur ihres dämonischen Widersachers, bis es in einem spiritistischen Zentrum zum Showdown kommt. Das Ganze endet in einem kollektiven LSD-Rausch.

Schade eigentlich! Man hätte Nasaw ein wenig mehr Konstanz gewünscht. Er fing so gut an und alles sah nach einem gelungenen Neubeginn aus. Durch die zeitliche Rückversetzung in die 80/90er Jahre hat er seinem abgehalfterten Serienhelden quasi eine zweite Chance eingeräumt. Special Agent E.L. Pender in seinem schreiend bunten Outfit, nicht jung, aber dynamisch, zelebriert eine Art Wiedergeburt.

Nur sein Autor gerät in alte Fahrwässer und sinkt auf das niedrige Niveau seiner beiden Vampirromane.

Gibt es für den neuen Pender eine Zielgruppe? Nicht wirklich! Denjenigen, die die vier Vorgängerromane verfolgt haben, wird der fünfte Pender-Band nicht abartig genug sein und Neueinsteiger werden wegen der Inhomogenität der Geschichte wenig Freude haben. Doch der überdimensionierte Titel, das ansprechende Cover und reichlich Werbung werden etliche zum Kauf verführen. Die meisten werden sich ärgern.

Der Sohn des Teufels

Jonathan Nasaw, Atria Books

Der Sohn des Teufels

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