Muskatbraun

  • be.bra
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
  • Berlin: be.bra, 2007, Seiten: 267, Originalsprache
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Wolfgang Weninger
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2006

Ein weiteres gelungenes Farbenspiel

Wir befinden uns im Winter des Jahre 1746. Charles Edward Stuart, genannt Bonnie Prince Charlie, rechtmäßiger Kronprinz von England, Schottland und Irland, verliert mit den Resten seines schottischen Heeres in der Schlacht bei Culloden gegen Wilhelm August, Herzog von Cumberland, das letzte Anrecht der Stuarts auf den englischen Thron.

Zur gleichen Zeit sucht der Kunstexperte und Altertumskundler Anselm Baron von Meerkatz auf der Insel Remus im Rheinsberger See nach Überresten der römischen Siedlungen und einem eventuellen Schatz. Weil der See um diese Jahreszeit zugefroren ist, kann man vom Festland das Inselufer zu Fuß erreichen. Während der Baron mit einem Stock am Eis kratzt, um die Tragfähigkeit zu prüfen, und dabei die Schneeschicht beiseite schiebt, schaut ihn plötzlich ein Gesicht mit offenen Augen flehend aus dem Eis an.

Der Polizeichef von Ruppin ist in dieser Angelegenheit hilflos und so landet die Leiche auf dem Obduktionstisch von Johann Theodor Eller, dem Leibchirurgen von König Friedrich II, der gemeinsam mit dem Zweiten Hofküchenmeister Sr. Majestät Honoré Langustier der Untersuchung beiwohnt, denn der Küchenchef hat schon in sieben vorangegangenen Fällen seine kriminalistische Ader unter Beweis gestellt. Der Tote wurde bewusstlos geschlagen und noch lebend durch ein Eisloch in den See entsorgt. Langustier bekommt ein königliches Permiss-Schreiben und muss sich in die Provinz begeben, wobei er auch gleich die örtlichen Nahversorger auskundschaften soll, denn Friedrich II. will auf der Insel ein Sommerfest feiern, wie es noch keines gab.

Bei der Befragung der örtlichen Granden stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten um einen gewissen Mr. Moore handeln muss, der angeblich den bibliophilen Baronen ein wertvolles Buch verkaufen wollte, das sich nunmehr unrechtmäßig im Besitz des Papiermüllers Boromil Tristwitz befindet, weshalb dieser Trunkenbold mitsamt seinem ebenso trinkfesten Diener in Gewahrsam genommen wird.

Langustier findet heraus, dass Mr. Moore in Wirklichkeit Sir James Harris, 23. Earl of Malmesbury, war und im Auftrag von Bonnie Prince Charles zu Friedrich II. unterwegs war. War das der Grund für seinen Tod? ...

Tom Wolf hat im berlin.krimi.Verlag den achten Band seiner Preussen-Krimis rund um den vifen, kochenden Ermittler Honoré Langustier veröffentlicht. Dabei bleibt "Muskatbraun" auf seinen 267 Seiten allerdings nicht in der chronologischen Reihenfolge, denn im Vorgängerband "Goldblond" war der Zweite Hofküchenmeister bereits 76 Jahre alt und in Ruhestand, während er in "Muskatbraun" noch in Amt und Würden ist und im Laufe der Handlung auch eine sehr körperbetonte Beziehung mit einer Hofdame der Königinmutter Sophie Dorothea pflegt.

Vom Leser werden bei dieser Art geschichtlicher Morduntersuchung einige geistige Anstrengungen verlangt. Nicht nur, dass die Handlung über weite Strecken undurchschaubar bleibt, verquicken sich die politischen Verhältnisse rund um die Geschehnisse in Schottland, Russland und im Habsburgerreich, so dass man zum besseren Verständnis nicht ganz ohne geschichtliche Vorkenntnis sein sollte, oder wenigstens einen Teil des Anhangs vorab liest.

Der Autor pflegt über weite Strecken auch seine Sprache dem damaligen Jargon anzupassen und besonders Friedrich II. legt er eine Aussprache in den Mund, bei der Dativ und Akkusativ zur Nebensächlichkeit werden. Der Gebrauch eines älteren Fremdwörterlexikons wird darüber hinaus den meisten Lesern nicht erspart bleiben. Auch die Speisefolgen, die Langustier im Regelfall für die höfische Gesellschaft zusammen stellt, dürften nicht jedem geläufig sein, so er sich nicht für die Entwicklung der Kochkunst interessiert. Aber dies sind nur kleine Details, die den Lesefluss keinesfalls stören, sondern die Lektüre erst interessant und stimmungsvoll machen.

Natürlich löst der kochende Detektiv den Fall mit Bravour, wobei man das Ende sicherlich als spannenden Showdown nach einem ansonsten über weite Strecken langatmigen Elaborat bezeichnen kann. Wer nicht wirklich großes Interesse an geschichtlichen Hintergründen und den detailreichen Beschreibungen des damaligen Lebens auf Landgütern und am Hof hat, der soll von diesem Buch die Finger lassen. Wer aber gerade an diesem Ambiente seinen Gefallen findet und eventuell schon eines der anderen Bücher genossen hat, der darf auch in "Muskatbraun" ein weiteres gelungenes Farbenspiel des Autors genießen.

Muskatbraun

Tom Wolf, be.bra

Muskatbraun

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