Der Tote im Schnee

  • Gustav Kiepenheuer
  • Erschienen: Januar 2003
  • 6
  • Stockholm: Ordfront, 2002, Titel: 'Prinsessan av Burundi', Seiten: 332, Originalsprache
  • Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 2003, Seiten: 336, Übersetzt: Paul Berf
  • Berlin: Aufbau, 2005, Seiten: 336
Der Tote im Schnee
Der Tote im Schnee
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Wolfgang Weninger
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Ein Krimi, der nicht von großem Spektakel und Action lebt

Auf einer Schneekippe in Uppsala wird die Leiche von John Jonsson gefunden. Der Mann wurde gefoltert und verstümmelt, während zu Hause seine Frau Berit und der Sohn Justus auf ihn warteten.

Jonsson, ein arbeitsloser Schweißer, war begeisterter Aquarianer und ein Experte für die Zucht von afrikanischen Buntbarschen. Sein Bruder Lennart, seit jungen Jahren ein kleiner Ganove, kann die Untat nicht fassen und will versuchen, auf eigene Faust den Täter zu finden, während gleichzeitig die schwedische Polizei das Umfeld des Verstorbenen unter die Lupe nimmt, um den Mörder dingfest zu machen.

Kommissarin Ann Lindell ist im Erziehungsurlaub und mit ihrem neun Monate alten Sohn Erik beschäftigt, den sie alleine groß zieht. Deshalb müssen die Beamten um Kommissar Ola Haver sich kurz vor Weihnachten mit dem Mord beschäftigen, dessen Motiv weitgehend unklar ist. Auf jeden Fall hat der kleine John beim Pokerspiel eine Menge Geld gewonnen, von dem niemand weiß, wo es hingekommen ist und zur gleichen Zeit beginnt ein ehemaliger Schulfreund seine verrückten Ideen in die Tat umzusetzen. Er versucht eine gemeinsame Schulfreundin zu vergewaltigen, er tötet seine Schwägerin und vielleicht ist er auch der Mörder John Jonssons? Aber erst muss die Polizei seiner habhaft werden. Und Ann Lindell bekommt schnurstracks Lagerkoller und beginnt auf eigene Faust zu schnüffeln.

Kjell Eriksson hat sich mit seinem dritten auf deutsch erschienen Kriminalroman um die Kommissarin Ann Lindell Der Tote im Schnee würdig in die aktuelle Riege der schwedischen Kriminalautoren um Henning Mankell und Hakan Nesser eingereiht. Selbst die Stockholmer Polizei bescheinigt dem schreibenden Gärtner aus Uppsala, die Ermittlungsarbeit der Beamten mit höchster Authentizität beschrieben zu haben.

In der Übersetzung von Paul Berf erfährt man einen sehr leisen Krimi, der nicht von großem Spektakel und Action lebt, sondern die Menschen in ihren Situationen fast alltäglich beschreibt, dabei aber nie die düsterschwere Seelenpein eines Henning Mankell aufkommen lässt. Natürlich verzeichnen auch die Personen in Erikssons Geschichte Gefühle, aber diese machen nicht den Großteil der Erzählung aus und stören insbesondere in keiner Weise den Handlungsablauf. Einfühlsam zeichnet Eriksson die Menschen aus Uppsala, so dass man sich fast in jede Figur hinein versetzen kann, denn die Probleme sind so beschrieben, wie sie du und ich selbst erleben können.

Und obwohl dieses Buch nie in einen knallharten Thriller ausartet, beginnt die Spannung von Seite zu Seite zu steigen. Eriksson schlägt gekonnt einen Haken nach dem anderen und wer zu früh glaubt, den Täter zu kennen, der wird mehrmals eines Besseren belehrt. Zusätzlich zur Aufklärung des Verbrechens bereiten auch noch die zwischenmenschlichen Spannungen zwischen Ann Lindell und Ola Haver ein interessantes Beobachtungsfeld, bei dem man sich immer wieder fragt: kriegen sich die beiden nun, oder doch nicht? Ann Lindell ist in diesem Roman nicht die bestimmende Handlungsträgerin. Ihre Präsenz ist zwar folgerichtig integriert, doch der gesamte Ablauf dreht sich um mehrere Akteure.

Der Erzählstil Erikssons ist durchaus dazu angetan, den Leser bei der Stange zu halten. Seine Wortwahl und seine Sätze machen keine Schnörkel. Der Autor erzählt ungezwungen drauf los und die Dialoge sind genau so, wie unsereins zu sprechen pflegt. Auch die beschriebenen Familienzwistigkeiten sind Alltagssituationen, wie sie jeder erleben kann, so dass dem Leser eigentlich nichts fremd vorkommt, außer vielleicht die Situation um einen Mord und die Eigentümlichkeiten rund um den verdächtigen Schulkollegen.

Im Großen und Ganzen muss man diesem Krimi ein sehr positives Urteil aussprechen. Zum Einen weil er nicht in die mittlerweile übliche schwedische Pseudopsychologiekerbe schlägt, zum Anderen aber gekonnt das Lokalkolorit einer schwedischen Kleinstadt im Winter darstellt. Mit diesem Buch hat sich Eriksson eine hohe Bewertung in den oberen Krimi-Couch-Regionen sicherlich verdient und darf getrost allen Fans skandinavischer Literatur als Leseempfehlung ans Herz gelegt werden.

Der Tote im Schnee

Kjell Eriksson, Gustav Kiepenheuer

Der Tote im Schnee

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