Seven Days

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2024
  • 2
Seven Days
Seven Days
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Thomas Gisbertz
87°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2024

Wer die Nachtigall stört.

Sunville County, Alabama: Randal Korn hat mehr Menschen in die Todeszelle gebracht als jeder andere Bezirksstaatsanwalt in der Geschichte der USA. Jeder Zwanzigste der Todeskandidaten wird aktuell von ihm auf den elektrischen Stuhl befördert. Hundertfünfzehn Verurteilungen in siebzehn Jahren. Korn schert sich nicht um Schuld und Unschuld. Er ist besessen von der Todesstrafe und genießt es regelrecht, bei Hinrichtungen zuzusehen. Wenn andere qualvoll sterben, fühlt sich Korn erst richtig lebendig. Sein nächstes Opfer: Andy Dubois, ein junger Afroamerikaner, der wegen des Mordes an einem weißen Mädchen zum Tode verurteilt werden soll. Alexander Berlin, ein alter Bekannter Eddie Flynns, macht den New Yorker Anwalt auf den Fall aufmerksam. Flynn und sein Team bleiben sieben Tage, um Andy vor einer korrupten Justiz zu retten und den wahren Täter zu finden. Vor allem will Flynn aber alles tun, um Randal Korn zu Fall zu bringen. Ein für alle Mal.

Bestsellerautor

Über Autor Steve Cavanagh muss man längst nicht mehr viele Worte verlieren. Bevor der gebürtige Ire zum Vollzeitschriftsteller wurde, arbeitete er lange Zeit bei einer großen Anwaltskanzlei in Belfast. In seiner irischen Heimat machte sich Steve Cavanagh als erfolgreicher Bürgerrechtsanwalt einen Namen, was sich in seinem aktuellen Thriller widerspiegelt.

Seine Reihe um den New Yorker Anwalt Eddie Flynn umfasst mittlerweile insgesamt sieben Bände, von denen im Goldmann Verlag aktuell der sechste Band „Seven Days“ (OT: „The Devil‘s Advocate“) erscheint. Für alle, die nicht genug von Steve Cavanagh bekommen können: Der englische Orion Books-Verlag veröffentlichte 2022 bereits den siebten Band „The Accomplice“, bei dem es Flynn mit einem Serienmörder und dessen angeklagten Frau zu tun bekommt. Darüber hinaus brachte der Verlag 2023 auch Cavanaghs Standalone „Kill for me, kill for you“ heraus.

Mischung aus Neuem und Alten

Steve Cavanagh stellt mit seinem aktuellen Thriller „Seven Days“ erneut unter Beweis, dass er aktuell zu den weltweit besten Thrillerautoren gehört. Auf einem derart konstant hohen Niveau schreiben nur ganz wenige Autoren wie unter anderem der Australier Michael Robotham. Das Besondere bei beiden ist, dass sie den Leser bereits mit den ersten Seiten für sich gewinnen, mit ihren genialen Twists begeistern und es meisterhaft verstehen, die Spannung auf über 500 Seiten hoch zu halten. Langeweile kennen sie nicht. Cavanaghs Romane bieten eine perfekte Mischung aus Tempo, Spannung, Humor und Action. Darüber hinaus lernt der Leser stets viel Wissenswertes über das amerikanische Justizsystem. Wie immer ist die Verhandlung vor Gericht der Höhenpunkt des Romans, auch wenn man diesmal knapp 400 Seiten darauf warten muss. Hier bietet Cavanagh dafür etwas Neues an, was die Lesefreude während der Verhandlung noch erhöht. Tatsächlich scheint Eddie diesmal an seine Grenzen zu stoßen.

Insgesamt ist der sechste Band der Eddie-Flynn-Reihe in vielerlei Hinsicht etwas anders als die bisherigen Fälle. Bereits der Schluss des Vorgängerbandes „Fifty-Fifty“ deutete einige Veränderungen an. Nach dem schmerzvollen Verlust von Ex-FBI-Agentin Harper, die dem Anwalt nicht nur beruflich nahestand, stoßen nun die junge Anwältin Kate Brooks als neue Partnerin und deren Freundin Bloch, eine ehemalige Polizistin, NYPD-Ausbilderin und Privatermittlerin, zur Kanzlei. Zu dieser gehört als Berater auch Eddies Freund und pensionierte Richter Harry Ford. Zum ersten Mal steht Flynn in seinem aktuellen Fall nicht vor einem New Yorker Gericht, sondern es verschlägt ihn und sein Team nach Alabama, dem Bundesstaat, der aktuell weltweit mit der ersten Hinrichtung mittels Stickstoff für negative Schlagzeilen sorgt.

Gesellschaftskritik

Es gibt zwei Gründe, warum Cavanagh sich für den Handlungsort Alabama entschieden haben dürfte: Zum einen brauchte er einen Bundesstaat, in dem - im Gegensatz zu New York - die Todesstrafe möglich ist. Cavanagh übt nämlich mit seinem Roman scharfe Kritik an der Willkür realer Bundesstaatsanwälte, die bei jeder Gelegenheit die Todesstrafe fordern. Zum anderen ist der Roman eine Reminiszenz an den bekannten Roman „Wer die Nachtigall stört“ (1960) der US-amerikanischen Schriftstellerin Harper Lee, der Mitte der 30er-Jahre ebenfalls in Alabama spielt. Auch dort geht es um die Verteidigung eines jungen Afroamerikaners durch einen weißen Anwalt.

Damals wie heute zeigen sich tiefe Risse in der Gesellschaft: zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Arm und Reich. Sicherlich steht Harpers Klassiker über Rassismus und Heldentum in seiner literarischen Qualität deutlich über Cavanaghs neuesten Roman, dieser hat aber auch ein anderes Ziel. Dennoch steht diesmal mehr als üblich ein gesellschaftskritisches Thema bei Cavanagh im Vordergrund. Besonders deutlich wird dies an einem Geschworenen, dem Farmer Taylor Avery. Nicht nur, dass dieser Harpers Roman tatsächlich liest, er stellt sich auch die entscheidenden Fragen: Wann ist der Moment gekommen, in dem man sich auflehnt? Wann erhebt man seine Stimme gegen die Ungerechtigkeit und das Böse? Neben mutigen Figuren wie Avery gibt es viele Figuren im Roman, die vom Hass zerfressen sind, und andere, zumeist im Graubereich, die sich nicht auflehnen können oder wollen. Cavanagh gelingt es hier, die Finger nicht nur in eine amerikanische Wunde zu legen, die nicht zu verheilen vermag.

Fazit

Das neue Team um Eddie Flynn funktioniert nicht nur ausgezeichnet, sondern steigert den Unterhaltungswert der Reihe sogar noch. Zwar fehlt dem Roman diesmal etwas das Schelmische bzw.  Gaunerhafte sowie der Spagat zwischen Gut und Böse, dafür überzeugt er mit der Darstellung eines wichtigen gesellschaftskritischen Themas, bei dem der Autor auch leise Töne anschlägt. Auch das kann er. Steve Cavanagh ist einfach eine Klasse für sich.

Seven Days

Steve Cavanagh, Goldmann

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