Die alte Dame am Meer

  • Edition M
  • Erschienen: November 2018
  • 2
  • Luxembourg: Edition M, 2018, Seiten: 352, Originalsprache
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Carola Krauße-Reim
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2019

Geld verdirbt den Charakter

„Die alte Dame am Meer“ ist der dritte Kriminalroman rund um Hauptkommissarin Lena Lorenzen. Dieses Mal muss sie in einem Mordfall auf Sylt ermitteln. Obwohl die Insel als Tummelplatz der Schönen und Reichen verschrien ist, merkt man davon im Krimi wenig. Überhaupt hatte ich gerade bei diesem Setting mehr Lokalkolorit erwartet.

Doch von den Ortsnamen und wenigen Bemerkungen einmal abgesehen wird nur wenig Typisches erwähnt und so könnte sich das Geschehen auf jeder beliebigen Insel zutragen. Schade, hier ist reichlich vorhandenes Potential für vielleicht auch kritische Töne nicht ausgeschöpft worden.

Zu viele inhaltliche Fehler 

Obwohl laut Angaben im Impressum zwei Lektorate stattgefunden haben, häufen sich die inhaltlichen und logischen Fehler im Text. Da scheinen gleich mehrere Personen rabenschwarze Tage beim Lesen gehabt zu haben. So wird auf Seite 6 von vier Enkeln gesprochen, auf Seite 14 sind es dann nur noch drei. Erst hat der Arzt eine Frau Hase als Sprechstundenhilfe, die ihrem Namen keine Ehre macht, sondern der Polizei am liebsten die Tür gewiesen hätte, doch einige Zeit später gibt es diesen Zerberus nicht mehr, sondern nur noch zwei überfreundliche Sprechstundenhilfen, die beide ihrem Chef nicht nachtrauern und mehr als hilfsbereit sind.

So bemüht sich die eine Krankenakten aus längst vergangener Zeit zu finden, die die andere aber bereits abfotografiert hat. Noch so ein Fehler: Wieso fotografiert sie die Akten nur ab und nimmt sie nicht gleich mit, wenn von deren Existenz sowieso niemand mehr etwas weiß. Und, scheinbar ziehen Ermittler des LKA Kiel erst Handschuhe an, nachdem sie einen gesuchten Gegenstand unter vielen gleichen gefunden haben – auch nicht gerade logisch. Diese Fehler vermiesen einfach das Lesevergnügen. Kaum hat man sich in die Geschichte eingelesen und befindet sich mitten im Geschehen, wird man daran erinnert, dass es sich um eine Fiktion handelt, die eigentlich belanglos für das eigene Leben ist und – plumps - ist man wieder raus aus der Geschichte.

Farblose Charaktere, aber lebhafte Mimik

Auch wenn man die Vorgängerkrimis nicht gelesen hat, findet man schnell Zugang zu den Personen, denn sie sind nicht viel mehr als Klischees. Lena Lorenzen ist die kompetente Ermittlerin, die mit viel Bauchgefühl an die Sache herangeht. Ihr Kollege Johann Grasmann ist zwar Oberkommissar und arbeitet eigentlich in der Wirtschaftskriminalität, wird aber für sie zum arbeitseifrigen Handlanger. Beide haben persönliche Probleme, die im Fall Lenas auch thematisiert werden. Aber trotzdem wird man einfach nicht warm mit ihnen. Es fehlt ihnen an Tiefe, an wirklich menschlicher Materie. 

Aber, was sie bravourös beherrschen ist die Deutung des Gesichtsausdruckes anderer. Immer wieder lesen sie aus Millisekunden dauernder Mimik eine tiefere Gefühlsregung ab, die den Fall dann auch prompt weiterbringt. Das mag einmal geschehen ganz interessant sein, aber ständige Wiederholungen machen den Effekt monoton bis lächerlich.

Spannung köchelt auf kleiner Flamme

Ja, Spannung ist schon da. Man will wissen, wer Gesa Jensen auf dem Gewissen hat und warum. Nur der Weg zur Gewissheit ist lang und schleppend. Tatsache ist, Polizeiarbeit kann profan, sterbenslangweilig und uninteressant sein und, jeder weiß, Morde werden oft nicht in wenigen Tage aufgeklärt. Doch vor uns liegt eine Kriminalgeschichte und kein Protokoll. Da wäre ein bisschen mehr Spannung schön gewesen. 

Trotz Gesas Briefen aus den sechziger Jahren ist die Handlung schnurgerade, ohne Wendungen und Aha-Momente. Ziemlich schnell ist klar, dass der genauso reiche, wie schnöselige Jensen-Clan nicht ganz sauber ist und, dass die bessere, sprich gutbetuchte Hamburger Gesellschaft wohl auch eine Rolle spielt. Doch, dass Geld den Charakter so abgrundtief vermiesen kann, ist immer wieder auf‘s Neue erstaunlich.

Ein unterhaltsames Buch ohne großen Anspruch 

Genauso schnörkellos wie Protagonisten und Handlung ist Johannsens Sprache. Geradlinig und ohne große sprachliche Kompetenz verlangt sie dem Leser nicht viel Aufmerksamkeit ab. Auch, wenn das Buch mal aus der Hand gelegt wird, ist man schnell wieder im Geschehen und braucht, was Inhalt und Ausdruck betrifft, nicht lange nach dem Anschluss zu suchen. 

Fazit: So sind die Lösungen, den Mord an Gesa als auch Lenas private Probleme betreffend, dann auch nicht zu spektakulär und deuten sich schon im Vorfeld an. Nach der letzten Seite denkt man sich - schön, das habe ich mir so gedacht und stellt das Buch ins Regal, ohne schon voller fiebriger Vorfreude auf den Nachfolger zu warten. Denn, den wird es mit Sicherheit geben, sind doch die amourösen Wege eingeschlagen und neben Amrum, Föhr und Sylt auch noch einige Nordeeinseln übrig. 

Die alte Dame am Meer

Anna Johannsen, Edition M

Die alte Dame am Meer

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