Faustrecht

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Dortmund: Grafit, 2014, Seiten: 352, Originalsprache
Faustrecht
Faustrecht
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Andreas Kurth
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2014

Neonazis, Rattenfänger und ein smarter Detektiv

Eine Bar-Bekanntschaft bringt dem Schweizer Vijay Kumar, Privatdetektiv mit indischen Wurzeln, einen ungewöhnlichen Auftrag. Er soll die Frau von Adrian Bühler bei ihren Treffen mit einem vermeintlichen Geliebten aus Deutschland überwachen. Kumar ist erfolgreich, beobachtet Bühlers Frau allerdings nicht mit einem Deutschen, sondern mit einem Mann aus dem Nahen Osten. Seinem ausländerfeindlichen Auftraggeber verschweigt er seine Beobachtung – und doch wird der Bewohner eines Asylbewerberheims am nächsten Tag vor der Behausung erschossen. Adrian Bühler ist abgetaucht, und Vijay rätselt jetzt – wie Polizei und Medien – was es mit dem Mord auf sich hat. Möglich sind auch politische Motive, da von rechten Parteien kräftig gegen das Wohnheim für die Flüchtlinge Stimmung gemacht wird. Der Privatdetektiv ermittelt in der Sache weiter, obwohl er keinen Auftraggeber mehr hat. Dabei tritt er einer Freundin bei der Polizei kräftig auf die Füße, denn die hält nichts von Vijays aufblühenden Verschwörungstheorien. Davon unbeeindruckt taucht Vijay weiter in die Szene zwischen Neonazis und nationalistischen Politikern ein. Bis zur überraschenden Lösung des Falles muss er mehrfach gefährliche Situationen überstehen - teilweise sogar unter Einsatz seines Lebens.

Ein höchst eigenwilliger Charakter

Sunil Mann hat mit Faustrecht erneut einen spannenden und wendungsreichen Kriminal-Roman geschrieben, der seine Leser von Beginn an fesselt. Dabei ist ihm eine lesenswerte Mischung aus Krimi und Polit-Thriller gelungen, die mit dem Mord vor dem Asylbewerberheim richtig Fahrt aufnimmt. Neben den überraschenden Wendungen überzeugen vor allem die Protagonisten, denn neben Vijay und anderen Hauptfiguren werden auch Personen am Rande der Handlung durchaus eigenwillig und individuell dargestellt. Der Star des Personaltableaus ist allerdings unbestritten Vijay Kumar, ein höchst eigenwilliger Charakter, der trotz seiner indischen Herkunft in vielerlei Hinsicht ein typischer Schweizer ist – teilweise mehr als seine Landsleute. Privat muss sich der smarte Detektiv vor allem gegen seine Mutter und die Mutter seiner Freundin wehren, denn beide faseln ständig von der baldigen Heirat ihrer Kinder und vielen Enkelkindern. Vijay und seine Freundin bleiben aber stur – und für den Leser werden diese ständigen Debatten von unterhaltsamen Dialogen begleitet. Im privaten Bereich gibt es allerdings auch ernste Passagen, denn Vijays Vater leidet an zunehmender Demenz. Dieser Nebenaspekt wird von Sunil Mann geradezu liebevoll in die spannende Romanhandlung eingepasst – und führt beim Leser zu großer Nachdenklichkeit.

Tumbe Neonazis und gefährliche Rechtspopulisten

Der Fall des getöteten Asylbewerbers lässt Vijay dagegen nicht los, und je tiefer er und seine Freund und Helfer in die rechtsradikale Szene der Schweiz eindringen, umso gefährlicher und unappetitlicher wird es. Dabei reicht die Bandbreite von ziemlich tumben Neonazis mit alkoholseligen und lautstarken Treffen in einer Waldhütte bis hin zu einer gefährlichen und in den Medien nahezu ständig präsenten Rechtspopulistin. Die gesamte Darstellung der Politszene wirkt sehr authentisch und glaubwürdig, vor allem der Umgang mit der medialen Präsenz.

Das Vorgehen des Detektivs und seiner Freunde erscheint dagegen zuweilen wenig professionell, aber das macht an vielen Stellen auch den Charme dieses Romans aus. Es geht eben nicht um eine stringent vorgehende Truppe von professionellen Ermittlern, sondern um Halbamateure, die dennoch zum Erfolg kommen. Das dynamische und überraschende Finale passt dann perfekt zur Gesamtkomposition der gut und spannungsreich erzählten Geschichte. Einige Details wirken zwar leicht überzogen und unrealistisch, aber das ist in meinen Augen kein wirkliches Manko des Romans. Das Buch bietet vielmehr lesenswerte und kurzweilige Unterhaltung – eine gute Lektüre für ein langes Wochenende ohne störende Unterbrechungen.

Faustrecht

Sunil Mann, Grafit

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