Katarzyna Bonda

05.2019 Birgit Borloni im Gespräch mit Katarzyna Bonda über ihren Roman "Der Rat der Gerechten".

Es ist mein persönlichster Roman. Manchmal wählt sich die Geschichte jemanden aus, der sie erzählen soll. Zumindest war es bei mir so.

Krimi-Couch:
Hubert Meyer und Sasza Załuska, die jeweiligen Protagonisten Ihrer beiden bisher erschienenen Kriminalroman-Reihen, sind beide Profiler. Was fasziniert Sie an dieser Berufsgruppe so?

Katarzyna Bonda:
Weil das ideal zum Plot passt. Der Profiler stellt die entscheidende Frage: „Warum?“. Ich frage in meinen Romanen nicht nur „Wer ist der Mörder?“, sondern vor allem „Welche Wahrheit steckt dahinter?“. Das Warum des Profilers ist für mich das letzte, noch fehlende Puzzleteil. Ich finde es faszinierend, den menschlichen Geist zu sezieren und dabei auf Geheimnisse zu stoßen - je düsterer die Geheimnisse umso interessanter. Allerdings könnte ich nie bei der Polizei arbeiten. Als Ersatz dafür habe ich mich für die Figur des Profilers entschieden. Sasza Załuska und Hubert Meyer lösen für mich die Fälle.

Zum Profiling bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Als ich anfing, Kriminalromane zu schreiben, wusste in Polen noch niemand etwas von der Existenz von Profilern. Mein erstes Buch begann ich zu schreiben, als ich noch Journalistin beim Magazin „Newsweek“ war. Damals hatte ich viel Leerlauf, häufig wartete ich darauf, dass ein Redakteur meinen Text redigierte, damit ich dann die Korrekturen einarbeiten konnte. In der Zwischenzeit schrieb ich verschiedene kurze Szenen. Ich wusste nicht, dass daraus einmal ein Kriminalroman werden würde.

In dieser Zeit schrieb ich auch Titelgeschichten über unaufgeklärte Verbrechen. Einige der Geschichten sind mir nahegegangen. Zum Beispiel der Mord an einer 20-jährigen Frau aus Rawicz. Monika sah aus wie Laura Palmer in „Twin Peaks“. Sie arbeitete in einem Geschäft, verdiente sich etwas hinzu. Sie wollte einen Sprachkurs in Norwegen machen. Der Mörder kam mit dem Fahrrad, erstach Monika und entwendete das Kleingeld aus der Kasse. Die Polizei kam dem Täter nicht auf die Spur. Dieser Fall hat mich sehr mitgenommen. Ich schrieb einen Text darüber.

Ein Jahr später las ich in der Zeitung, der Mörder sei genauso alt wie sein Opfer und auch für vier andere Verbrechen verantwortlich. Es war nicht leicht gewesen, ihn dingfest zu machen, da er überall nur auf der Durchreise war. Ich rief den örtlichen Polizeikommandanten an und fragte ihn, wie sie den Täter gefunden hätten. Er erzählte mir: „Wissen Sie, ein Typ mit schwarzem Mantel ist vorbeigekommen und hat sich die Ermittlungsakten über Nacht ausgeliehen. Am nächsten Morgen brachte er mir ein kariertes Blatt, auf dem er in dreiunddreißig Punkten die Charakteristik des Täters aufgelistet hatte. Als meine Leute das Blatt bekamen, wussten sie sofort, wo und wen sie zu suchen hatten. Die reinste Hexerei!“ Damals fiel das mysteriöse Wort „Profiler“.

Das Wort war in Polen damals so etwas wie eine Zauberformel. Selbst Polizisten wussten nicht viel über Profiler, denn diese ermittelten seinerzeit undercover. Man wollte mir nicht viel sagen, da man fürchtete, je mehr über das Profiling bekannt würde, desto besser würden sich Verbrecher darauf einstellen können. Hellseher galten damals in Polen als glaubwürdigere Experten. Der Polizeikommandant war mir jedoch noch einen Gefallen schuldig. Er verriet mir, dass der Typ Bogdan Lach hieß und in Kattowitz arbeitete. Also nahm ich Urlaub und fuhr nach Kattowitz, um mich mit dem ersten polnischen Profiler zu treffen. In der dortigen Kommandantur sagte man mir, sie hätten keinen Profiler, und Bogdan Lach sei lediglich der Chef der psychologischen Abteilung. Man wollte mich nicht zu ihm vorlassen, aber ich ließ mich nicht abwimmeln und erbettelte mir ein halbstündiges Gespräch.

Auch ich wusste damals nicht sehr viel über Profiler. Mein Wissen stammte vornehmlich aus amerikanischen Filmen. Vor meiner Abfahrt hatte ich jedoch wenigstens noch schnell den vom polnischen Institut für Gerichtsexpertisen herausgegebenen Band „Operative Fallanalyse“ und das Buch „Die Anatomie des Mörders“ von John Douglas und Mark Olshaker gelesen. In meiner Tasche befanden sich zudem Kopien von Texten, die ich in der Bibliothek des FBI gefunden hatte. Schließlich musste ich zeigen, dass ich etwas über das Thema wusste. Ich sah damals wenig seriös aus. Ich hatte Dreadlocks, trug Turnschuhe und einen Kapuzenpulli. Lach dachte sicher, ich würde nicht den Unterschied zwischen einem Verdächtigen und einem Angeklagten kennen. Wir begannen, uns zu unterhalten, und aus einer halben Stunde wurde ein ganzer Tag. Als ich nachts von Kattowitz nach Hause fuhr, wusste ich bereits, dass ich den Protagonisten für mein Buch gefunden hatte. Später gab mir Bogdan ein Interview. Es war in Polen der erste Text über einen Profiler. So entstand Hubert Meyer, meine erste fiktive Figur. Sasza Załuska hat ebenfalls ein reales Vorbild, eine britische Profilerin vom Institut für investigative Psychologie in Huddersfield, die mich kontaktierte, fasziniert von meinem dokumentarischen Buch „Polnische Mörderinnen“. Ich stellte ihr meine Materialien und Gesprächsaufnahmen zur Verfügung, im Gegenzug teilte sie ihr Wissen mit mir. Ein Deal, von dem wir beide profitiert haben. Jahrelang habe ich mich mit dem Profiling beschäftigt, um meinen Romanfiguren Authentizität zu verleihen. Das war unglaublich faszinierend. In der Regel machte ich erst auf Blondine, musste dann später allerdings beweisen, dass ich doch Grips in der Birne habe. Und dass ich von Natur aus eine toughe Type bin – auch wenn das nicht ganz stimmt.

Krimi-Couch:
In „Rat der Gerechten“, das jetzt bei uns auf Deutsch erschienen ist, verarbeiten Sie auch ein Stück Ihrer eigenen Familiengeschichte. Haben Sie sich aufgrund dieser persönlichen Beteiligung an die Geschichte gewagt, oder sind Sie erst im Zuge ihrer Recherchen auf diese Beteiligung gestoßen?

Katarzyna Bonda:
Als ich mich entschieden hatte, einen Kriminalroman zu schreiben, der in Podlachien spielen würde, fuhr ich nach Hajnówka. Ich stamme zwar von dort, aber für das Schreiben benötige ich konkrete Informationen. Ich muss den Ort sehen, den ich mit Leichen pflastere, muss mit den Einheimischen sprechen, um das Erfundene in konkreten Realien zu verorten, die Protagonisten in einem wirklichen Raum und einer wirklichen Zeit zu verankern, die Prototypen der Figuren zu konstruieren. Und damals hörte ich zum ersten Mal von der Sache „Bury“.

Ich habe bis zum Abitur in Hajnówka gelebt. Eigentlich genügend Zeit, möchte man meinen, um von der lokalen Geschichte und der Geschichte der eigenen Familie etwas mitbekommen zu haben. Aber Fehlanzeige. Der Name Romuald „Bury“ Rajs sagte mir nichts. Ich hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Zwar spürte ich das Knistern, das in der Luft lag, doch ich freute mich einfach, ein interessantes Motiv für mein neues Buch gefunden zu haben. Je länger ich aber mit den Leuten sprach, umso mehr wurde mir bewusst, dass die Erzählungen über „Bury“ keineswegs der Vergangenheit angehörten, sondern vielmehr auch heute noch die Gegenwart bestimmen.

Ich erfuhr, dass über den Mord von 1946 bis Mitte der 90er Jahre geschwiegen worden war. Obwohl jeder davon wusste, hatte niemand ein Sterbenswörtchen darüber verloren. Ich sprach auch mit dem Mann, der dafür gesorgt hatte, dass einige von „Burys“ Opfern Mitte der neunziger Jahre exhumiert wurden. Er sagte, dass in Podlachien das Kriegsbeil zwischen Polen und Weißrussen noch immer nicht begraben sei, und verwies mich an das Institut für Nationales Gedenken. Dort las ich und las ich und stieß in den Akten auf Dokumente, in denen von den Ortschaften die Rede ist, die von Romuald „Bury“ Rajs dem Erdboden gleichgemacht wurde. Ich stieß auf die Ortsnamen Zaleszany und Wólka Wygonowska. Von dort stammte meine Großmutter. Als mir das klar wurde, hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren …

Es ist mein persönlichster Roman. Manchmal wählt sich die Geschichte jemanden aus, der sie erzählen soll. Zumindest war es bei mir so.

Krimi-Couch:
Die Geschichte der „verfemten Soldaten“ ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Wie sieht das in Polen aus? Ist dort das Bewusstsein für diesen Teil der Geschichte stärker vorhanden?

Katarzyna Bonda:
Als ich das Buch schrieb, wurde über dieses Thema in Polen nicht gesprochen. Auch nicht in der Gegend um Hajnówka, überhaupt nicht. Es herrschte eine Mauer des Schweigens. Und gerade das hat mich gelähmt und gleichzeitig motiviert. Erst nach dem Erscheinen meines Buches griffen die Medien das Thema auf. Journalisten kamen nach Hajnówka, und es entstanden mehrere Dokumentarfilme. Das Buch schlug in Polen wie eine Bombe ein.

Podlachien ist eine spezifische Grenzregion, Hajnówka ein abgelegener Ort an der Grenze. Hier herrscht ein spezifisches Geflecht von Interessen, Biografien, Abhängigkeiten und Beziehungen. Nichts ist einfach und eindeutig. Um ein Beispiel zu nennen: In der Region wird häufig vom „roten Hajnówka“ gesprochen. Was nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Ein großer Teil der heutigen Lokalprominenz arbeitete früher mit der Staatssicherheit zusammen, und die Demokratie sorgte keineswegs für neue Verhältnisse, sondern konservierte die alten.

Aber das ist nur die eine Schicht, eine einzelne Seilschaft. In Hajnówka sind die Roten, die polnischen Nationalisten und die weißrussischen Nationalisten Nachbarn. Aufgrund der vielen gemischten Ehen verlaufen die Gräben quer durch die Familien. Der Vater sympathisiert mit den einen, der Sohn mit den anderen, die Mutter besucht die orthodoxe Kirche, während die Tochter sich für eine echte Polin hält. Hier der Filz aus der Zeit der Volksrepublik Polen, dort das Schweigen aus der Zeit des Krieges; beides führt zu Komplikationen und zwingt zu bestimmten Verhaltensweisen. Orthodoxe, Katholiken, frisch gegründete Organisationen, die den Partisanenkampf üben, paramilitärische Gruppen, die sich auf einen Krieg vorbereiten, ohne zu wissen gegen wen und um was. Maueraufschriften, „Polen für die Polen“, „Weißrussland für die Weißrussen“. Komplett unterschiedliche historische Gedächtnisse und nationale Identifikationen, die mit der wirklichen Herkunft nicht viel gemein haben muss.

Und alles wird mit größter Selbstverständlichkeit erklärt, als handele es sich um die Beschreibung eines Nagels. In Städten wie Warschau oder Breslau kann man unangenehm auffallen, und nichts passiert. Wenn man aber im kleinen Hajnówka aneckt, ist das das Ende der Welt, ist es aus mit dir. Das ist schon immer so gewesen. Meine Eltern waren überzeugt, es wäre für mich besser, wenn sie alles Weißrussische von mir fernhielten. Sie taten es im guten Glauben. Und aus Angst, die man auch heute noch spüren kann.

Als ich meiner Mutter erzählte, wovon mein nächstes Buch handelt, bat sie mich, um Gottes willen nicht über Hajnówka zu schreiben, geschweige denn über das, was einst geschehen sei. Ich erwiderte: „Was ist das Problem? Wir leben schließlich in einem freien Land.“ Worauf meine Mutter antwortete: „Du hast gut reden, du bist von hier weggezogen. Ich aber bleibe hier.“

Krimi-Couch:
In dem Buch wird die Problematik zwischen Polen und Weißrussen, zwischen Katholiken und Orthodoxen thematisiert, besonders in der Vergangenheit. Wie sieht das heute im alltäglichen Leben aus? Gibt es immer noch Spannungen?

Katarzyna Bonda:
In dieser Region (Podlachien) hallt alles aus der Vergangenheit heute noch als Echo wider. Die in der Volksrepublik „verfemten Soldaten“ sind heute Helden; dagegen sind die in der Volksrepublik als Helden gefeierten Milizionäre heute Geächtete – obwohl sie nicht unbedingt schlechte Menschen gewesen sein müssen. Zusammenarbeit mit dem Untergrund, Kollaboration mit den Machthabern, gewöhnlicher, menschlicher Verrat, Aufrufe, das Gebiet um Białystok herum an die Sowjetunion anzugliedern, Verleumdungen, Schweinereien, Plünderungen, Verbrechen. Und wie im Leben – nichts von alledem ist so wie es zu sein scheint. Es war eine verfluchte Zeit, und die Menschen benahmen sich entsprechend.

Die damaligen ethnischen Säuberungen wurden allerdings nach konfessionellen Kriterien durchgeführt. In den Dokumenten im Institut für Nationales Gedenken werden die Aussagen von Zeugen zitiert, welche die Pogrome überlebten: „Burys“ Partisanen hätten nur nach der Konfession gefragt. Die einfachste Art Menschen zu definieren. Die Orthodoxen an die Wand, die Katholiken wurden am Leben gelassen. Das Amt für Sicherheit ging andererseits oft genau umgekehrt vor. Aber auch hier versagen einfache Erklärungsschemata. Manche Weißrussen kollaborierten mit den Kommunisten, wollten sowjetische Staatsbürger werden und denunzierten die Einheiten, die sich in den Wäldern versteckten. Aber dabei ging es nicht um den orthodoxen Glauben oder um das Weißrussischsein, sondern um die enge Bindung an die eigene Scholle. Im Grunde hätten sie sich mit jedem verbündet, um zu überleben und auf ihrem Stück Land bleiben zu können. Sie hielten sich nicht für Weißrussen, sondern für Hiesige. Trotz der gewaltsamen Erpressung durch den polnischen Untergrund und der Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik der neuen Machthaber, wehrten sich die polnischen Weißrussen dagegen, in die Sowjetunion umgesiedelt zu werden. Wenn schon, dann sollte die UdSSR zu ihnen kommen.
Die Weißrussen sympathisierten also mit den neuen Machthabern und widersetzten sich ihnen zugleich. Die junge Volksrepublik wusste im Grunde nicht, was sie mit ihnen anfangen sollte. Und dann taucht „Bury“ auf, der sowohl die Kommunisten als auch ihre orthodoxen Verbündeten bekämpft. Der Krieg dauert an, und niemand nimmt es so genau. Den kommunistischen Machthabern kommt „Bury“ äußerst gelegen. Die ethnischen Säuberungen und Pogrome lösen ein Problem, das sie selbst nicht imstande sind zu lösen. Sie bedienen sich „Bury“, um die Weißrussen loszuwerden.

Die Gelegenheit dazu ergibt sich, als Romuald „Bury“ Rajs im Januar 1946 einen aus Hajnówka abfahrenden Truppentransport der Roten Armee überfällt. Ein Spitzel verrät den Angriffsplan, die Partisaneneinheit wird völlig aufgerieben und muss fliehen. Die Kämpfer sind wütend und sinnen auf Rache. Auf ihrem Rückzug entführen sie fünfzig Fuhrleute, um ihre Verletzten zu evakuieren. Später werden die Kutscher ermordet und mehrere orthodoxe Dörfer niedergebrannt. Das Furchtbare aber ist, dass niemand sich die Mühe macht, die Verfolgung aufzunehmen, obwohl die Behörden wissen, dass es ein Leichtes wäre, Rajs’ Einheit vollends zu vernichten. „Bury“ mordet, und die Kommunisten schauen zu. Bis heute weiß man weder, wer „Bury“ verraten hat, noch, wer die Entscheidung getroffen hat, „Bury“ nicht zu verfolgen.

All die Jahre wurde darüber spekuliert. Nur nicht laut. Über die Verdächtigen, über die Kinder der Verdächtigen – man weiß ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und über die Enkelkinder. Der Konflikt der Erinnerung und der Gegenwart wird mit Flüsterworten ausgetragen, die man sich gegenseitig ins Ohr haucht. Ich bin 42 Jahre alt, ich gehöre zur dritten Generation, die mit diesen Geheimnissen lebt. Die vierte Generation ist bereits im Erwachsenenalter, aber die Atmosphäre ist immer noch die gleiche. Nur dass heute mehr erlaubt ist, der Einzelne mehr Möglichkeiten hat.

Krimi-Couch:
Es gibt eine Unmenge an Figuren und vor allem auch Handlungsstränge in diesem Roman. Wie ist es Ihnen gelungen, selber den Überblick zu behalten? Arbeiten Sie mit Karteikarten, Diagrammen oder Exel-Tabellen?

Katarzyna Bonda:
Ich glaube, dass der Schriftsteller in erster Linie denkt und erst in zweiter Linie schreibt. Deshalb liege ich gewöhnlich sehr lange, um die Handlung „auszubrüten“. Das Schreiben ist dann nur das Ergebnis der Arbeit im Liegen. Dazu benötige ich nichts weiter als eine Steckdose, an die ich meinen Laptop anschließen kann. Sobald ich mich mit der Handlung vertraut gemacht habe, habe ich bereits mein eigenes GPS. Dann beginne ich mit der Feldforschung. Das Recherchieren ist meine Lieblingsbeschäftigung vor dem eigentlichen Schreiben. Ich hole bei den Dialogen, den kriminalistischen Details und den Lebensläufen der Figuren fachmännischen Rat ein und suche die Orte auf, an denen die Handlung spielt. Alles, was Sie lesen, habe ich mit meinen eigenen Händen berührt, selbst untersucht, in den Ermittlungsakten echter Fälle gefunden, mir von Experten als höchst plausibel bestätigen lassen. Das ist anstrengend, weshalb viele Autoren die Mühe scheuen. Doch ich glaube fest daran, dass die Recherchen der Handlung Substanz verleihen. Erst wenn ich eine bestimmte kritische Masse an Material zusammenhabe, setze ich mich zum Schreiben hin. Dieser Vorrat an Erfahrungen, Fakten und wirklichen Fällen erlaubt es mir, mich auf die Sprache und die Handlung zu konzentrieren und an den Dialogen zu feilen.

Krimi-Couch:
Wenn Sie an einem Buch schreiben, wie sieht Ihr Alltag aus? Wie viele Stunden schreiben Sie dann täglich und haben Sie bestimmte Rituale beim Schreiben?

Katarzyna Bonda:
Ich mag es, in eine Geschichte einzutauchen, mich in ihr zu verlieren, ohne zwischendurch in die reale Welt zurückkehren zu müssen. Ich schreibe in mehrtägigen Sessions. Dann esse ich und schlafe kaum, rauche Kette und trinke Hektoliter grünen Tee. Während dieser Zeit lebe ich in der Erzählung. Danach tauche ich wieder auf, bringe meine Wohnung in Ordnung, kümmere mich um den Haushalt und die Familie. Tue so, als wäre ich ein normaler Mensch … Und vor allem hole ich Schlaf nach, damit ich in der nächsten Session wieder möglichst viel schreiben kann. Denn ich hasse nichts mehr als das Ein- und Auftauchen. Die Grenze zwischen realer Welt und Fiktion zu überschreiten, kostet mich große Anstrengung.

Krimi-Couch:
Welche Art von Büchern lesen Sie selbst gerne und haben Sie einen absoluten Lieblingsautor?

Katarzyna Bonda:
Eine schwierige Frage. Doch es gibt einen deutschen Autor, den ich für seine Feinfühligkeit und seinen brillanten Stil bedingungslos liebe. Ferdinand von Schirach. Ich träume davon, ihn einmal persönlich kennenzulernen. Ich wäre Ihnen ewig dankbar, wenn Sie mir dabei behilflich sein könnten.

Das Interview führte Birgit Borloni im Mai 2019.
Foto: © Anna Powierża

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

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