TV-Serie:
Inspector Banks

Serien-Spezial von Jochen König

Die Musik spielt weiter, wenn Leben enden

Passend zur Vorweihnachtszeit erscheinen alle fünf Staffeln von »Inspector Banks – Mord in Yorkshire« gebündelt auf zehn DVDs. Der Pilotfilm »Aftermath«, der mitunter als eigene Staffel geführt wird, beginnt natürlich den Reigen um den eigenbrötlerischen Ermittler, den der britische Autor Peter Robinson im Jahr 1987 mit dem Roman »Gallows View« (dt. »Eine Falle für Peeping Tom«, später »Augen im Dunkeln«) auf eine Dienstreise schickte, die mittlerweile über 30 Jahre währt. Spekuliert wird derzeit, ob 2019 ein weiterer Roman der Serie erscheint. Das wäre Band Sechsundzwanzig, plus eine Sammlung Kurzgeschichten. Ins Deutsche übersetzt wurden allerdings nur die ersten siebzehn Bücher, die Reihe endet hierzulande mit dem 2007 erschienen »Wenn die Dämmerung naht« (»Friend of The Devil «). Die ITV-Serie schaffte es komplett in die deutschen Wohnzimmer. Zeit und Gelegenheit einen erweiterten Blick darauf zu werfen.

Von Peter Robinson zu ITV

Als der Autor Peter Robinson seine Serie um DCI Alan Banks startete, war Banks verheiratet und mitsamt seiner Gattin und zwei Kindern von London aus ins vermeintlich weniger aufreibende (fiktive) Eastvale nach Yorkshire gezogen. Die Ehe ging 1998 im neunten Band »Blood At The Root« (»Das blutige Erbe«, 2005) in die Brüche, und Banks wurde zum »Solisten«, eine Umschreibung, die als Zusatz zur ersten Folge der Fernsehserie verwandt wird. So ganz stimmt dies nicht, denn DS Annie Cabbot betrat wenig später das Revier und wurde nicht nur Kollegin, sondern auch wechsel- und schmerzhafter Liebes- und Lebensbezug für Alan Banks.

Mit Annies Auftauchen beginnt auch »Aftermath« (»Banks – Der Solist«. Nein, er ist kein Geiger), der Pilotfilm zur Serie. Zunächst gehört Annie zur internen Abteilung der Polizei, sie soll Banks Einheit und ihre Methoden akribisch unter die Lupe nehmen. Das erledigt sie zwar unbestechlich, hilft aber gleichzeitig bei den Ermittlungen und ist derart angetan vom ruppigen, stoischen und gleichzeitig hochmotivierten DCI Banks und seinen Kollegen, dass sie mit Ablauf der ersten Folge um eine Versetzung in Banks Einheit bittet. Die ihr natürlich gewährt wird.

Give Tompkinson a chance

Für die Einstiegsepisode wie die gesamte Serie gilt der Harry Rowohlt zugesprochene Merksatz: »Ein Buch ist ein Buch, ein Film ist ein Film und Whisky gehört nicht ins Eisfach!«

Heißt, wir sollten Bücher und Verfilmungen autark betrachten und dürfen uns glücklich schätzen, wenn die bewegten Bilder mit unserem Kopfkino in Einklang sind. Fällt mit Andrea Lowe als Annie Cabbot leicht, die in der Serie eine weit größere Rolle als in den Büchern spielt.

Schwieriger wird es mit der Hauptfigur. Der große, bullige, etwas steife Stephen Tompkinson mit seinem traurigen Settergesicht passt optisch nicht zum drahtigen, erheblich kleineren Banks der Vorlage. Trotzdem fängt Tompkinsons Schauspielkunst wesentliche Charakterzüge der literarischen Figur passend ein, man arrangiert sich schnell mit der visuellen Kluft. Leider bleiben Banks’ musikalische Vorlieben, die in den Romanen eine gewichtige Rolle spielen (und worin er sowohl Colin Dexters Inspector Morse wie Ian Rankins John Rebus ähnelt), ein wenig auf der Strecke. Immerhin bekommt Banks von Annie in der Episode »Überleben ist alles« (Staffel 4.1) die recht rare Nils Frahm-LP »Spaces« zum Geburtstag geschenkt. Dass Banks keine Zigaretten anfasst und der geliebte Laphroaig im Schrank bleibt (obwohl nicht wenig Alkohol konsumiert wird), ist den gegenwärtigen TV-Regeln geschuldet.

Eigene Bilder, verwandte Geschichten

Die Folgen der ersten drei Staffeln beruhen zwar auf Robinsons Vorlagen, die Romane werden aber nach dem Gusto der Filmemacher bearbeitet, auf eine chronologische Zuordnung wird komplett verzichtet. Banks’ charakterliche Entwicklung und die Veränderung seines persönlichen Umfelds bleiben weitgehend außen vor. Tochter Tracy taucht zwar auf, aber Ex-Frau Sandra und auch Annie Cabbots Kommunen-Vergangenheit spielen keine Rolle. Banks Konflikte mit seinem Vorgesetzten Riddle (in der Serie »Rydell«) werden nur rudimentär behandelt. Immerhin findet »Das kalte Grab« seine filmische Umsetzung, jene schicksalhafte Episode, die Banks Rydell näherbringt als ihm lieb ist und gleichzeitig dessen Schicksal besiegelt. Einige inhaltliche Änderungen untergraben die verstörende Intensität der Vorlage etwas, trotzdem ist die letzte Folge der ersten Staffel ein Highlight der Reihe.

Atmosphärisch gelingt die Annäherung recht gut, die inhaltliche Umsetzung ist zwar nicht immer zwingend, vertilgt die düstere, melancholische Ausrichtung der Romane aber nicht. Politische Verwicklungen kommen an den Rändern immer wieder vor, und obwohl die meisten Ermittlungen in der (gehobenen) Mittelschicht stattfinden, gibt es Ausflüge in gesellschaftliche Randbezirke, dorthin wo Armut und Verzweiflung herrschen. Diese Sequenzen gehören zu den stärksten der Serie.

Weit wichtiger sind jedoch moralische Verwicklungen und Verwerfungen, die auch vor Alan Banks und seinen Kolleg*innen keinen Halt machen. Gerade Banks gibt viel auf seinen moralischen Kompass, seine Integrität und Intuition. Das verhindert aber keine Fehler, die von Regelüberschreitungen, voreiligen Schlüssen bis zu falschen Verdächtigungen reichen. In einer der besten Folgen der Serie (»Der unschuldige Engel«) wird dadurch das Leben eines vorerst schuldlosen Mannes ruiniert. Eine letzte Grenze überschreitet aber keiner der Beteiligten, und so bleiben gnadenlose Racheakte und Amokläufe seitens der Protagonisten dankenswertweise aus. Hätte auch nicht in die Serie gepasst.

Nicht nur das Baby ist neu an Bord

Aufgrund der Schwangerschaft von Annie Cabbot-Darstellerin Andrea Lowe kommt zu Beginn der zweiten Staffel DI Helen Morton (exzellent: Caroline Catz) ins Team, die kein literarisches Äquivalent besitzt. Hier beweisen die Drehbuchautoren Gespür und Geschick, denn die spröde, beinahe autistische Helen fügt sich nahtlos ein. Das heißt, wie ein Elefant im Porzellanladen, denn Helen Morton hat bei ihrem Antritt nichts Besseres zu tun, als Alan Banks zu einem Verdächtigen in einem Vermissten- und Mordfall zu erklären. Banks spielt nicht mit, vor allem, da sein Bruder Roy in die Ermittlung verstrickt ist. Der Schlagabtausch zwischen Banks und Morton ist höchst unterhaltsam, lässt aber schnell durchschimmern, dass sich zwei (berufliche) Partner und keine Gegner gefunden haben.

Schauspielerisch werden auf ganzer Linie überzeugende Leistungen gezeigt. Man trifft alte Bekannte wieder wie James Callis (»Eureka«) als unrechtmäßig gepeinigten Owen Pierce oder Shaun Dooley (»Broadchurch«, »Misfits«, »Eastenders« und viele mehr) als Banks Intimfeind Steve Richards. Daneben tauchen Gesichter auf, die vage vertraut scheinen und eine Vielzahl an unverbrauchten Darstellern. Das macht neben der soliden Inszenierung und der ambitionierten Bildsprache, die die handelnden Personen, Land- und Ortschaften ins rechte, matt-düstere Licht setzt, einen dicken Pluspunkt der Serie aus.

Dass der Soundtrack von Sheridan Tongue und Nicholas Hooper ebenfalls stimmig ausfällt, ist bei einer englischen (oder skandinavischen) Serie fast müßig zu erwähnen. Leider gibt es die Filmmusik nur in Auszügen als digitalen Download zu erwerben.

Die Serie ist einen eigenen Blick wert

Insgesamt ist »Inspector Banks – Mord in Yorkshire« ein meist unterhaltsames, oft nachdenkliches und ansprechend dramatisches Police procedural der gehobenen Art. Komik ist bestenfalls unterschwellig vorhanden, ernste Themen werden halt ernsthaft behandelt. Das funktioniert über drei Staffeln ziemlich gut. Dann endete die freie Bearbeitung von Originalvorlagen und das mehr oder weniger beliebte »basierend auf Motiven von&« kam zum Einsatz. Was der Serie zum Nachteil gereichte. Innerfamiliäre und polizeiinterne Probleme wurden wenig ersprießlich und sehr gefühlig behandelt, das Auf und Ab von Banks Beziehung zu Annie Cabbot fand nur ein unbefriedigendes Ende. Wichtige Themen wie Sexismus am Arbeitsplatz fanden lediglich halbherzig Einzug, die Jagd auf den kriminellen Unternehmer Steve Richards blieb mehr Staffage als wirklich berührendes und treibendes Element. Und Inspector Banks hat ein wenig zu oft feuchte Augen. Dass sich hinter seiner spröden, in zwischenmenschlichen Dingen oft zögerlichen Art ein aufgeweckter, mitfühlender Charakter verbirgt, war auch ohne den vermehrten Einsatz der Tränendrüsen klar. Aber vermutlich weint Banks über eine Drehbuchentscheidung, die das geplante Ende der Serie beschleunigte und einen Neuanfang kaum zur Option werden ließ.

Seinen gehobenen Standard verliert die Serie zwar nie, doch nach den ersten Staffeln wäre mehr drin gewesen als eine stilvolle Polizeiserie, die man am besten unabhängig von der Romanvorlage betrachtet und bewertet.

Inspector Banks: Präsent oder auf dem Weg ins Vergessen? Take a chance on him …

Im deutschsprachigen Raum stand Peter Robinsons Alan Banks immer etwas im Schatten von John Rebus, ein Schicksal, dass er mit John Harveys ebenfalls empfehlenswerter Charlie Resnick-Reihe teilt. Dass einzelne Bücher der mittlerweile fünfundzwanzigbändigen Serie schwächeln, liegt in der Natur einer solchen Großproduktion. Doch ebenso finden sich viele Höhepunkte, gerade unter den übersetzten frühen Büchern. Es lohnt sich der Entwicklung des zu Beginn verheirateten und Pfeife rauchenden DCI Alan Banks chronologisch zu folgen. Seinen Platz zwischen Rebus, Resnick und Morse hat er sich redlich verdient. Robinsons Romane sind antiquarisch zu erwerben, zu meist sehr akzeptablen Preisen. Es gab Zeiten, da wurden die Rowohlt-Ausgaben »Eine Falle für Peeping Tom« und »Eine respektable Leiche« im dreistelligen Bereich gehandelt. Alan Banks ist halt eine echte Wertanlage.

Die komplette Serie, leider ohne jegliches Bonusmaterial, gibt es in ordentlicher DVD-Qualität natürlich regulär zu kaufen. Nicht nur fürs Weihnachtsfest eine Überlegung wert.

Cover und Fotos: © polyband

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Die Serie und ihre einzelnen Folgen:

Staffel 1

  • AFTERMATH (PILOTFOLGE)
  • KEIN RAUCH OHNE FEUER
  • WENN DIE DÄMMERUNG NAHT
  • KALT WIE DAS GRAB

Staffel 2

  • EINE SELTSAME AFFÄRE
  • DIE LETZTE RECHNUNG
  • DER UNSCHULDIGE ENGEL

Staffel 3

  • DAS VERSCHWUNDENE LÄCHELN
  • IM SOMMER DES TODES
  • DIE WEGE DES BÖSEN

Staffel 4

  • ÜBERLEBEN IST ALLES
  • DIE TOTEN IM FLUSS
  • ZWEIMAL DOPPELLEBEN

Staffel 5

  • JEDER TROPFEN MEINES BLUTES
  • SPIEL MIT DER ANGST
  • IM SOG DES VERBRECHENS

Regie: Paul Whittington, Tim Fywell, Bill Eagles u.a.
Drehbuch: Robert Murphy u.a.
Darsteller: Stephen Tompkinson, Andrea Lowe, Caroline Catz, Jack Deam
Originaltitel: DCI Banks
Produktion: 2010 – 2016

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