Friedrich Dürrenmatt

Obwohl er von Kind an Kunstmaler werden wollte, studierte Friedrich Josef Dürrenmatt (* 5. Januar 1921; † 14. Dezember 1990) auf Wunsch seines Vaters ab 1941 Philosophie, Naturwissenschaften und Germanistik, hauptsächlich in Bern. Er finanzierte seinen Lebensunterhalt in dieser Zeit mit Theaterkritiken und Texten fürs Kabarett, als Zeichner und Grafiker- auch in späteren Jahren zeichnete er leidenschaftlich, schuf Bühnenbilder und illustrierte einen Teil seiner Werke selbst.

1945 brach Dürrenmatt das Philosophie-Studium ab, um sich endgültig dem Schreiben zu widmen und heiratete ein Jahr später die Schauspielerin Lotti Geißler (†1983). Drei Kinder wurden 1947,1949 und 1951 geboren; die Dürrenmatts bezogen 1952 ein eigenes Haus am Rande von Neuchâtel. Hier lebte und arbeitete Friedrich Dürrenmatt bis zu seinem Tode. Im Jahre 2000 wurde das Wohnhaus in das neuerrichtete Kunst- und Kulturzentrum "Centre Dürrenmatt" integriert.

"Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer trifft sie der Zufall"

Dürrenmatt schrieb neben Theaterstücken auch Hörspiele und Kriminalromane. Bis Anfang der 50er Jahre befand sich die Familie ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Die Lage besserte sich erst, als die Uraufführung der Komödie Die Ehe des Herrn Mississippi an den Kammerspielen München 1952 den Durchbruch in Deutschland brachte. Dürrenmatt erhielt nun von den Westdeutschen Rundfunkanstalten Aufträge für Hörspiele, später auch für Fernsehdrehbücher.

In den folgenden Jahrzehnten schuf Dürrenmatt mit über zwanzig Dramen, zahlreichen Romanen, Erzählungen, Hörspielen, Essays und Festreden ein umfangreiches Werk. Er setzte sich darin mit politischen, philosophischen und religiösen Themen auseinander, Recht und Gerechtigkeit waren ein Grundthema.
Ende der sechziger und in den siebziger Jahren arbeitete F.D. zeitweise hauptberuflich als Regisseur.

Neben mehreren Ehrendoktorwürden bekannter Universitäten im In- und Ausland wurden ihm zahlreiche wichtige Literaturpreise zugesprochen, darunter der Grosse Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (1960), der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur (1983) und der Georg-Büchner-Preis (1986).Die erste große Auszeichnung war der Preis der Schweizer Welti-Stiftung für seine 1947 in Zürich aufgeführte Komödie Es steht geschrieben. Dürrenmatts Werke wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Von vielen Produktionen existieren unterschiedliche Fassungen. Dürrenmatts bis heute populärste Stücke sind Der Besuch der alten Dame (1956) und Die Physiker (1962, Neufassung 1980).

 Seinen ersten Kriminalroman Der Richter und sein Henker schrieb Dürrenmatt in acht Fortsetzungen 1950/51 für die Zeitschrift "Der Schweizerische Beobachter". Die Hauptfigur der Geschichte, der todkranke Berner Kommissar Bärlach setzt alles daran, seinen Gegner, den verbrecherischen Geschäftsmann Gastmann zur Strecke zu bringen.

Der Süddeutsche Rundfunk sendete die Verfilmung (Regie: Franz Peter Wirth) als ersten abendfüllenden Fernsehfilm des Senders am 7. September 1957.
Am Drehbuch für Maximilian Schells gleichnamigen Spielfilm von 1975 war der Autor ebenfalls beteiligt. Der mehrfach ausgezeichnete Film war hochkarätig besetzt mit Jon Voight (Walter Tschanz), dem Regisseur Martin Ritt als Hans Bärlach und Robert Shaw als Richard Gastmann, weiterhin Jacqueline Bisset, Helmut Qualtinger, Donald Sutherland (als Leiche) und Friedrich Dürrenmatt, der einen Kurzauftritt als Schriftsteller Friedrich hatte.

In Dürrematts zweiten Kriminalroman Der Verdacht (1952), ein Anschlußauftrag des "Schweizerischen Beobachters", ermittelt Hans Bärlach kurz vor seinem Tod gegen einen untergetauchten KZ-Arzt, der als angesehener Klinikchef arbeitet.
Beide Romane hatten beim breiten Publikum mehr Erfolg als die Theaterstücke. Zum Zwecke des Geldverdienens kam Dürrenmatt dieses Interesse entgegen, für ihn waren die Romane aber auch ein Mittel, um "Kunst da zu tun, wo sie niemand vermutet".

In dem Roman Das Versprechen (1958) läßt Dürrenmatt den Oberleutnant Matthäi von der Zürcher Kantonspolizei nach einem Sexualmörder suchen. Matthäi hat den Eltern eines getöteten Mädchens versprochen, den Täter zu finden. Zunächst entstand die Geschichte als Drehbuch für den Film "Es geschah am hellichten Tag". Die Rolle des Kindermörders Schrott spielte Gert Fröbe. Aufgrund dieses Filmerfolgs erreichte Fröbe seinen internationalen Karrieredurchbruch und erhielt die Rolle des Auric Goldfinger in dem James-Bond-Film Goldfinger (1964).
Dürrenmatt war mit der Verfilmung zufrieden, allerdings nicht mit dem "guten" Ausgang der Geschichte, den er für konventionell und unrealistisch hielt, so daß er auf Basis seines Drehbuches nun den Roman mit einem abweichenden Ende verfaßte. Das Buch wurde in den Folgejahren mehrfach verfilmt. Insbesondere die amerikanische Adaptierung des Regisseurs Sean Penn von 2001 (The Pledge) bleibt nahe an der Romanstruktur. Darsteller sind unter anderen Jack Nicolson, Vanessa Redgrave, Mickey Rourke, Helen Mirren und Harry Dean Stanton.
F.D. klassifizierte nur diese drei Bücher (in den Untertiteln) als Kriminalromane, obwohl in vielen seiner Werke die Affinität zur Kriminalliteratur erkennbar wird, beispielsweise im Hörspiel "Abendstunde im Spätherbst", für das er 1958 den Prix Italia erhielt.

Allgemein werden weitere Werke als Kriminalromane eingeordnet, je nach Blickwinkel des Verwerters. Zum Beispiel der RomanJustiz - in dem Hamburger Magazin Stern im Jahr 1985 als Fortsetzungsroman im Vorabdruck erschienen (der Zürcher Kantonsrat Dr. h.c. Isaak Kohler erschießt in einem Restaurant öffentlich den Germanisten Prof. Winter. Aus dem Gefängnis heraus beauftragt er den unerfahrenen Anwalt Spät, der sich durch die Verteidigung Kohlers einen Geschäftsaufschwung erhofft...). In den ersten drei Folgen wurde durch Kürzungen die Kriminalhandlung betont, zur vierten Folge schrieb der Stern: ."..Auf ausdrücklichen Wunsch von Friedrich Dürrenmatt wird sein Kriminalroman von nun an ungekürzt abgedruckt".

 Justiz wurde 1993 von Hans W.Geissendörfer verfilmt und 1994 in der Kategorie "bester fremdsprachiger Film" für den Golden Globe Award nominiert.
Ebenfalls wurde Die Panne (1956), ursprünglich ein Hörspiel, in den für den Schulunterricht herausgebenen "Interpretationshilfen Friedrich Dürrenmatts Kriminalromane"(Wolfgang Pasche, Klettverlag 1996) entsprechend klassifiziert.
Die Novelle Der Auftrag oder Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter erschien 1986 und behandelt einen bizarren Kriminalfall, in dem die Filmemacherin F. die Todesumstände der Frau eines berühmten Psychiaters dokumentieren soll. Bei der Suche nach der Wahrheit gerät die F. in eine irrwitzige Geschichte. Die Novelle besteht aus nur 24 Sätzen, von denen jeder aber ein Kapitel füllt. Sie war Dürrenmatts zweiter Frau Charlotte Kerr gewidmet.

Fünf Jahre nach dem Tod Dürrematts erschien 1995 Der Pensionierte - Fragment eines Kriminalromans, von ihm schon 1979 begonnen, beendet vom Schweizer Schriftsteller Urs Widmer. (Nach der Pensionierung besucht der Berner Kriminalkommissar Höchstettler "seine" Verbrecher, die er im Verlauf seiner langen Tätigkeit aus Humanität und Wissen um das Ungenügen menschlicher Gerechtigkeit hatte entkommen lassen).

 Gegenstand zahlreicher Abhandlungen in der Sekundärliteratur war Dürrenmatts konträre Haltung gegenüber dem traditionellen Erzählstil. Seine Kriminalromane wurden oft als Anti-Krimis oder als anti-aufklärerisch bezeichnet (z.B. Jochen Schmidt in "Gangster, Opfer, Detektive, Ullsteinverlag, 1989, S. 567 ff.). Dürrenmatt baute nämlich in die Plots systematisch Zufallsfaktoren zum Vor- oder Nachteil der handelnden Personen ein, um den Ablauf  unvorhersehbare Wendungen zu geben, denn er vertrat die Meinung, daß der Wirklichkeit mit Logik nur teilweise beizukommen sei. Von Hammett, Glauser und anderen hatte er sich zudem inspirieren lassen, Gut und Böse miteinander zu verweben und die problembehafteten Ermittler auf ihre Art die Gerechtigkeit üben lassen.

Um Dürrenmatts Verwendung des Zufalls zu verstehen, sollte man die Punkte drei bis fünf seines 21 Thesen umfassenden Dramenkonzeptes (im Anhang zum Stück "Die Physiker") heranziehen:

3. Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
4. Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.
5. Die Kunst des Dramatikers besteht darin, in einer Handlung den Zufall möglichst wirkungsvoll einzusetzen.

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