Taubenkrieg

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2011
  • 0
  • München: dtv, 2011, Seiten: 320, Originalsprache
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2011

Devil Doves gegen G-Point-Gangsters oder auch ganz anders.

Der Bootsschuppen des Rockerclubs MC Devil Doves Chapter Nordost wurde total verwüstet und offenbar Schauplatz eines Kapitalverbrechens. Blut soweit das Auge reicht, nur leider nirgends eine Leiche. So bittet die Schweriner Polizei kurzerhand das benachbarte LKA Niedersachsen um Hilfe, das die Fallanalytiker Wencke Tydmers und Boris Bellhorn schickt. Für den Schweriner Kriminalhauptkommissar Wachtel ist der Fall hingegen klar: Es handelt sich um einen Übergriff des Rockerclubs G-Point-Gangsters, die schon seit langer Zeit mit den Devil Doves verfeindet sind. Tydmers, die erst seit zwei Jahren beim LKA arbeitet, kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis und vermutet hinter dem Verbrechen eine Beziehungstat.

Als wenig später auch noch das Clubhaus der Devil Doves einem Brandanschlag zum Opfer fällt, entwickelt man beim LKA in Hannover einen halsbrecherischen Plan. Dem Rockerclub soll ein neues Clubhaus angeboten werden und Tydmers dabei unter fremder Identität als Verpächterin auftreten, um so Einblick in den Verein zu bekommen. Von der Leiche fehlt weiterhin jede Spur, doch das Ergebnis der DNA-Analyse ist eindeutig. Bei dem Ermordeten handelt es sich um Leo Kellerbach, einen bekannten Anwalt der gleichzeitig hochrangiges Mitglied der Devil Doves ist und dem Club erst kürzlich bei der Übernahme eines äußerst zwielichtigen Bordells, in dem gerüchteweise auch Minderjährige anschaffen sollen, zum Erfolg verhalf. Tydmers schlüpft derweil in die Rolle der Verpächterin und kommt dabei einigen Rockern näher als nötig, was sie einmal mehr in höchste Gefahr bringt …

Nach Todesbraut liegt nun der zweite Band der Wencke-Tydmers-Reihe vor, der sich ebenfalls eines aktuellen politischen Themas annimmt. Dabei erhält man zunächst Einblicke in das Rockermilieu bevor die Erzählung eine überraschende Wendung erfährt. Wer hier vor allem einen Bandenkrieg zwischen zwei verfeindeten Chapters erwartet (der Vergleich mit Hells Angels und Bandidos drängt sich zunächst auf), dürfte enttäuscht werden. Auch werden Leser/Innen, die sich mit sogenannten "Motorradclubs" schon intensiver beschäftigt haben, nur wenig Neues erfahren, da sich die Autorin weitgehend an der Oberfläche bewegt. Nur vereinzelt wird die Brutalität der Rocker aufgezeigt, wobei man mitunter froh sein mag, dass einem Einzelheiten – beispielsweise bei der Prostitution Minderjähriger – erspart bleiben. Die Hierarchien der Clubs werden hingegen anschaulich und ausführlich beschrieben und am Ende des Buches bietet ein Anhang umfangreiche Erklärungen zum Rockermilieu.

Doch kaum hat man sich auf einen vermeintlichen Konflikt zwischen zwei Rockerbanden innerlich eingestellt, driftet der Plot - wie bereits erwähnt - zunehmend in eine andere Richtung. Was Sandra Lüpkes diesbezüglich eingefallen ist, soll an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden, doch ist die schleichende Wendung der Geschichte ebenso spannend wie gelungen. Der Roman setzt hinsichtlich seiner Protagonisten nahtlos am Vorgänger an und so gibt es ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten. Klar, dass die diffizile Beziehung von Wencke mit Kriminalkommissar Axel Sanders erneut eine Rolle spielt, der weiterhin mit seiner blinden Frau zusammen lebt. Eine Erblindung, an der Wencke nicht ganz unschuldig war.

War beim Vorgänger noch ein entscheidender Kritikpunkt, dass Wencke etwas all zu sehr ihren "weiblichen Intuitionen" folgte, so hat sich dieser Punkt bei Taubenkrieg zumindest ein kleines bisschen beruhigt. Natürlich liebt sie nach wie vor unkonventionelle Methoden und die Anweisungen ihrer nicht gerade beliebten Vorgesetzten sind ihr meistens noch immer herzlich egal, aber ganz so krass wie beim Debüt ist es nicht mehr. Gleichwohl wird sehr stark (an der Realität vorbei) konstruiert, damit der Fall überhaupt funktionieren kann und so ist es immerhin erfreulich, dass die Autorin am Ende des Buches selber einräumt, sich bei dem Plot ein gehöriges Maß an "dichterischer Freiheit" genommen zu haben. Ja, so kann man es auch umschreiben, wobei sich das Ergebnis dessen ungeachtet durchaus sehen lassen kann. Schade nur, dass zu viele Themen, die alle für sich genommen schon spannend genug sind, hier in einem Roman untergebracht wurden, denn dafür sind die 300 Seiten dann doch ein bisschen wenig; die Handlung wirkt schlicht überfrachtet.

Taubenkrieg

Sandra Lüpkes, dtv

Taubenkrieg

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