Die Fotografin

  • Kunstmann
  • Erschienen: Januar 2002
  • 2
  • München: Kunstmann, 2002, Seiten: 316, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2003, Seiten: 316, Originalsprache
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Peter Kümmel
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Der Klappentext verdirbt die Spannung

Wieder mal ein Lehrbeispiel dafür, wie man mit einem Klappentext den Lesegenuss verdirbt. Dieser nimmt nämlich einige der wichtigsten Aspekte, die in der Handlung erst nach und nach zutage treten, schon vorweg und eröffnet dem Leser Inhalte, die erst kurz vor Schluß des Buches vorkommen.

Los geht's mit einer Vorgeschichte, deren Zusammenhang mit der Handlung natürlich erst ziemlich am Ende geklärt wird. Irgend jemand hat sich diese Strategie mal ausgedacht, und seitdem wird sie gnadenlos kopiert. Zumindest erfährt man schon mal, dass der Roman irgendwas mit einem Terroranschlag zu tun haben muß, bei dem eine Größe der deutschen Wirtschaft, sein Chaffeur sowie drei Polizisten ermordet wurden.

Danach führt uns die Autorin nach Südfrankreich. Die junge Alexa Senger hat sich dort einen Traum erfüllt und zusammen mit ihrem Freund Ben ein altes Haus in einem kleinen Dorf gekauft, obwohl sie am Anfang skeptisch war, weil das Haus eine geheimnisvolle Vergangenheit hat, denn keiner der Vorbesitzer wurde so recht glücklich. Unglücksfälle und Trennungen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Geschichte. Die letzte Bewohnerin, die Fotografin Ada Silbermann verschwand unter ungeklärten Umständen. Trotz allem verliebte sich das junge Paar in das Haus, doch auch ihm brachte es kein Glück und Ben zog nach kurzer Zeit wieder aus.

Der nächste Handlungsstrang spielt in Frankfurt am Main. Dort ist die Staatsanwältin Karen Stark mit einem Todesfall beschäftigt, der als Selbstmord zu den Akten gelegt werden soll. Doch die ehrgeizige Staatsanwältin kann sich damit nicht abfinden und ermittelt weiter, bis sie zwangsweise in Urlaub geschickt wird und ihr eine Konkurrentin vor die Nase gesetzt wird, die natürlich nichts besseres zu tun hat, als die Akten des Falles sofort zu schließen.

Doch damit noch nicht genug der Handlungsstränge: Auch Dorothea von Plato, die sich aus einfachsten Verhältnissen zur bekannten Fondsmanagerin hochgearbeitet hat und deren Freund aus jungen Jahren spielen wohl eine wichtige Rolle.

Nun springt die Autoren in kurzen Kapiteln von zwei bis zehn Seiten in diesen Handlungssträngen hin und her. Dabei hat nicht nur Frau von Plato, sondern auch Alexa noch ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Nach und nach lernt man die drei weiblichen Protagonisten besser kennen, doch Spannung will einfach nicht aufkommen. Zum Teil liegt das natürlich auch daran, dass die wenigen Aha-Effekte, die es gibt, allesamt schon im Klappentext vorweggenommen wurden. Gepflegte Langeweile breitet sich aus und man kommt so langsam in Urlaubsstimmung, wenn man sich unter die Personen mischt, die das kleine französische Dorf bevölkern, auf dem Markt ihre Einkäufe erledigen und in dem kleinen Cafe etwas trinken. Erst als sich ein Zusammenhang ergibt zwischen dem Todesfall, den Karen Stark nicht weiter untersuchen durfte, und dem Verschwinden der Fotografin in Frankreich, beginnen sich die Fäden so langsam zu verknüpfen. Doch zum atemlosen Thriller kommt's auch bis zum Schluß nicht.

Reichlich Zeit bleibt der Autorn, um die Charaktere der drei sehr verschiedenen Hauptdarstellerinnen zu entwickeln. Doch trotz allem schafft sie es nicht, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Alle Beteiligten bleiben recht farblos, ebenso wie auch die Beschreibungen der Örtlichkeiten nie so genau rübergebracht werden, dass man sie wirklich bildlich vor sich sehen würde. Der Schreibstil von Anne Chaplet ist flüssig, sehr eingängig und gut lesbar, bisweilen aber auch ein wenig schwülstig mit dem "Morgenhimmel, an dessen rötlich schimmerndem Saum ein paar pausbäckige Wolken hingen".

Anne Chaplet hat für ihren vierten Roman ein Thema gewählt, dass alles andere als ausgelutscht ist. Die fiktiven Beispiele zeigen sehr deutlich und offensichtlich gewünschte Parallelen zu tatsächlichen Ereignissen auf. Das Geschehen in der deutschen Terrorszene der 70er Jahre wird schon immer mehr verdrängt, so daß der Versuch der Autorin, die Geschehnissen aufzuarbeiten und die Nachwirkungen, die bis in die heutigen Zeit reichen, aufzuzeigen ist durchaus lobenswert, doch ist der Schluß gegenüber der ewig langen Einleitung einfach zu kurz geraten, um mehr als einzelne Ansatzpunkte zu bieten. Auch die sehr interessante Kritik am deutschen Rechtssystem bleibt leider im Keim stecken, ebenso die Frage nach der Akzeptanz von Selbstjustiz. Das Stellen der Schuldfrage allein regt allenfalls kurzzeitig zum Nachdenken an. So kommt der Roman leider nicht über einzelne positive Ansätze hinaus. Da hätte man wesentlich mehr draus machen können.

Die Fotografin

Anne Chaplet, Kunstmann

Die Fotografin

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