Galgenweg

  • DuMont
  • Erschienen: Januar 2010
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  • London: Macmillan, 2009, Titel: 'Gallows Lane', Seiten: 321, Originalsprache
  • Köln: DuMont, 2010, Titel: 'Eine Leiche macht noch keinen Sommer', Seiten: 318, Übersetzt: Alice Jakubeit
  • Köln: DuMont, 2013, Seiten: 318
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Jochen König
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2010

Heute wird ein schöner Tag, sagte Hiob

Man könnte meinen, dass der gerade erschienene Galgenweg der fünfte Band der Benedict-Devlin-Reihe sei. Doch dem ist nicht so, handelt es sich doch um den bereits 2010 unter dem völlig unpassenden Titel Eine Leiche macht noch keinen Sommer veröffentlichten zweiten Auftritt Devlins. Zwar sind solche Neuerscheinungen unter anderem Titel, vor allem nach so kurzer Zeit, eine eher unerfreuliche Angelegenheit (wer hat nicht schon einmal das gleiche Buch zweimal gekauft, weil der Titel etwas vorspiegelte, was er nicht hergab?), doch im vorliegenden Fall ist die Umbenennung zumindest inhaltlich gerechtfertigt. Klingt Eine Leiche macht noch keinen Sommer nach Krimi-Humoreske, zeigt die enge Anlehnung an das Original Gallows Lane eher, wo die Leiche hängt, bzw. die Mehrzahl davon; denn mit einer ist es nicht getan.

Eine Komödie ist Galgenweg wahrlich nicht, selbst hintergründigen Witz muss man mit der Lupe suchen. Aber die Geschichte bietet auch nicht viel Anlass zur Freude.

Als James Kerr nach seiner Haftentlassung ins mehr oder wenig beschauliche irische Lifford zurückkehrt, löst er eine Welle von Todesfällen aus. Dabei sucht er eigentlich nur Vergebung und möchte gern selbst vergeben. Denjenigen, die ihn nach einem bewaffneten Überfall angeschossen und vermeintlich tot zurück gelassen haben. Doch außer dem gläubigen (klar, bei dem Vornamen) Detective Inspector Benedict Devlin nimmt ihm niemand den reuigen Sünder ab. Und so erlebt Lifford eine Heimsuchung biblischen Ausmaßes. Eigentlich sind es sogar eine Vielzahl von Problemfeldern, denen Devlin seine Aufmerksamkeit widmen muss. Einschließlich gemeiner Kollegen, einer abgewiesenen beinahe-Geliebten, einer aus unerfindlichen Gründen eingeschnappten Ehefrau, einer Kollegin im beruflichen Gewissenskonflikt und seinem eigenen Hadern, ob er sich um eine Stelle als Superintendent bewerben soll.

Glücklicherweise bekommt er bei den Mordfällen Unterstützung. Das NBCI ("National Bureau of Criminal Investigation", die Ermittlungsabteilung der irischen Garda Síochána) übernimmt, und der Kollege Dempsey bringt jenen Schwung in die Untersuchung, den unsere Hauptfigur gelegentlich vermissen lässt.

Benedict Devlin ist der biederste Protagonist eines Kriminalromans, den man sich nur vorstellen kann. Eigentlich der Traum eines jeden Lesers, der genug hat von traumatisierten Cops, psychotischen Ermittlern, Borderline-Persönlichkeiten jeder Art. Devlin ist weitgehend sittlich-moralisch gefestigt, ist jeglichem Exzess abhold, seine inneren Konflikte sind von banaler Alltäglichkeit und bedingt durch sein zauderndes Wesen. Familie gibt ihm Halt und Trost und zwingt ihn zu so schweren Entscheidungen wie einen Hamster anzuschaffen, obwohl es bereits einen Hund gibt. Die Gattin gibt gute Ratschläge, ist auch mal eingeschnappt, aber das regelt sich schon wieder. Dass Devlin der anziehenden Miriam wiederbegegnet flößt ihm Unbehagen ein, immerhin wurde es mit ihr gefährlich, ein Kuss lag in der Luft und die Ehefrau hat’s gesehen.

Derart sind die Probleme, die unseren Helden umtreiben. Plus ein paar Tote, die die Gegend verunzieren und auch gerne von Devlin selbst gefunden werden. Was ihm unvergessliche Momente des Grauens beschert. Sagt er.

McGilloway passt sich stilistisch seinem Ich-Erzähler an. Akribisch, umständlich, ein wenig trocken und immer um Verständnis bemüht. Das mag übertrieben wirken, aber McGilloway beherrscht diese Stilistik mit Perfektion. Und genau hier wird der kaum spannende Roman interessant: Denn während der hoffnungslose und gläubige Optimist Devlin an kleine Siege glaubt, daran, dass die irische Welt morgens um Sieben noch in Ordnung ist, oder zumindest kurzzeitig Ordnung hergestellt wurde, lässt sein Autor keinen Zweifel daran, dass diese heile Welt längst in Fetzen liegt. Menschen werden auf brutalste Weise gefoltert und getötet, die Polizei kämpft mit irisch-/nordirischen Rivalitäten und Kompetenzstreitigkeiten. Der redliche Devlin wird mehrfach übergangen, bezieht Prügel und landet bestenfalls einen illegal errungenen Pyrrhussieg mit bitteren Folgen.

Und so ist Galgenweg letztlich doch ein großer, trauriger Witz: Ermittlungsergebnisse werden zwar beiläufig erzielt, doch kann das die Zahl der Opfer kaum kompensieren. Und gerade die, die es auf die ehrliche Art versuchen, die nach Läuterung streben, werden abgestraft. Das wird von McGilloway klug doziert, ist aber insgesamt zu distanziert und umständlich erzählt, um dem Ganzen mit erkennendem Genuss zu folgen. Man ahnt die Absicht, honoriert es kopfnickend und überfliegt Seite nach Seite, um endlich dem erwarteten Ende entgegen zu eilen.

PS.: Wer Spoiler nicht mag, sollte den Klappentext überlesen. Denn hier wird verraten, was erst auf Seite 155, nicht unbedingt vorhersehbar, eintritt. So wird einem kaum spannenden Buch auch die letzte Überraschung gestrichen. Vermutlich wusste der Klappentextverfasser, dass es McGilloway darauf nicht ankommt.

Galgenweg

Brian McGilloway, DuMont

Galgenweg

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