Borderlands

  • DuMont
  • Erschienen: Januar 2007
  • 2
  • Köln: DuMont, 2007, Seiten: 285, Übersetzt: Alice Jakubeit
  • Köln: DuMont, 2010, Seiten: 285
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Junger Autor mit großem Potential

Als die Leiche der fünfzehnjährigen Angela Cashell in den Borderlands gefunden wird, ahnt Inspektor Benedict Devlin bereits, dass er vor einem schwierigen Fall steht. Die Borderlands sind ein Grenzgebiet zwischen Nordirland und der Republik Irland, was nicht selten zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Polizeieinheiten führt. Zudem ist Johnny Cashell, Angelas Vater, der Polizei bestens bekannt, da er immer wieder unfreiwilliger Gast des Gefängnisses von Lifford ist. Nachdem Inspektor Devlin die traurige Nachricht überbracht hat, dauert es auch keinen Tag bis Cashell wegen Mordversuchs verhaftet wird. Gemeinsam mit seinen drei Brüdern zündete er die Häuser und Wohnwagen eines Zigeunerlagers an, da er glaubt, dass der junge Whitey McKelvey für den Tod seiner Tochter verantwortlich ist.

Die Cashells helfen Devlin bei seinen Ermittlungen kaum weiter, da sie, der Unterschicht angehörend, von der Polizei alles andere als eine hohe Meinung haben. Nur mühsam finden die Ermittler heraus, dass Whitey womöglich Angelas Freund war. Zumindest aber war er wohl ihr Drogendealer, was bei finanziellen Engpässen Angelas gelegentlich zu anderweitigen Gegenleistungen führte. Doch Whitey ist untergetaucht und so kann sich Devlin zwischenzeitlich um die Probleme seines einstigen Jugendfreundes Thomas Powell kümmern, dessen an Demenz leidender Vater kürzlich eine fremde Person in seinem Heimzimmer gesehen haben will. Da Powell über großen Einfluss verfügt, kann Devlin schlecht ablehnen, was allerdings zu privaten Komplikationen führt, da Powell einst Devlin seine Freundin Miriam ausspannte. Über das Wiedersehen mit Miriam ist Devlins Frau Debbie alles andere als begeistert.

Während der Mord an Angela schnell gelöst zu sein scheint, zu viele Aspekte deuten auf Whitey hin, droht bereits neues Ungemach im beschaulichen Lifford, denn nur wenige Tage nach Angelas Tod wird der zwanzigjährige Terry Boyle ebenfalls ermordet aufgefunden. Ausgerechnet an der geschichtsträchtigen Gallows Lane, wo vor langer Zeit Verbrecher hingerichtet wurden, finden die Polizisten seine Leiche. Boyle wurde in seinem Auto aus nächster Nähe erschossen, welches anschließend in Flammen aufging. Sollte es zwischen den beiden Todesfällen, die so auffallend kurz hintereinander erfolgten, eine Verbindung geben?

Ein junger Autor (Jahrgang 1974) aus Derry/Nordirland ist angetreten, um mit seinem Erstling die Herzen der "britischen" Krimifans zu erobern. Sollte der bereits erschienene Nachfolger "Eine Leiche macht noch keinen Sommer" das Niveau des Debütromans (zumindest) halten, dann könnte der herausgebende Dumont-Verlag am Ende sogar Recht behalten mit seiner Wertung "McGilloway spielt in der höchsten Liga der europäischen Krimiautoren." Soweit ist es nach nur einem Roman natürlich noch nicht, doch ein erstaunliches Potential lässt sich nicht leugnen.

Inspektor Devlin hat offensichtlich den ersten Fall um die tote Angela Cashell schnell gelöst, denn zu viele Indizien sprechen gegen den Zigeunerjungen Whitey. Wunderbar beherrscht McGilloway die Klaviatur der Vorurteile und der sattsam bekannten Klischees. Whitey wird bald festgenommen, nicht ohne sich wie ein wildes Tier zu wehren und landet vorübergehend in einer Gefängniszelle. Die Zeit drängt, denn Indizien sind gut, jedoch bedarf es für ein Verfahren vor Gericht eben auch des ein oder anderen Beweises. Da kommt es reichlich ungelegen, dass Whitey bereits die erste Nacht im Gewahrsam der Polizei nicht überlebt, denn so gerät nicht nur An Garda in die Kritik, zudem stellt sich heraus, dass doch all zu viel gegen Whitey als Mörder von Angela spricht.

An Garda Siochana ("Hüter des Friedens") ist die nationale Polizei der Republik Irland. Dem gegenüber steht der PSNI (Police Service of Northern Ireland), eine Nachfolgeorganisation der Royal Ulster Constabulary. Während es in dem Grenzgebiet zwischen der Republik Irland und Nordirland, das allgemein nur Borderlands genannt wird, gerne schon mal Streitigkeiten über Zuständigkeiten und Ähnliches gibt, vermisst man diese hier nahezu vollends. Vielleicht wollte sich Brian McGilloway dies ja für den nächsten Fall aufheben, denn Probleme gibt es hier bereits genug. Mehr und mehr führen die Spuren in die Vergangenheit, zur IRA und zuletzt sogar zur ermittelnden Dienststelle von Lifford, für die auch Devlin arbeitet.

Devlin selbst ist ein Ermittler mit Ecken und Kanten und gerade deswegen eine Figur, mit der man mitfiebern kann. Kein blutleerer 08/15-Typ, sondern ein Mensch mit Schwächen, der sich immer noch zu seiner alten Jugendliebe Miriam hingezogen fühlt. Vielleicht ist dies eine Ursache dafür, dass Devlin bei seinen Ermittlungen einige Fehler unterlaufen.

Der Plot ist interessant, mitunter etwas komplex beziehungsweise unübersichtlich, wird aber am Ende sauber aufgelöst. Das Finale selbst gerät ein wenig aus den Fugen, hier will der Autor eindeutig zu viel. Zudem für einen "britischen Krimi" gänzlich untypisch: Obwohl geraucht wird bis zum Umfallen, gibt es keine einzige Pub-Szene. Klarer Punktabzug.

Borderlands

Brian McGilloway, DuMont

Borderlands

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